Folge 112: Frauenpower
Drehbuch: David M. Wolf



OPENING TITLES
OPENING SEQUENCE
[Mehrere Frauen halten Reden. Hintergrundmusik: "Never My Love."]

FRAU: [in einem Ledersessel sitzend und mit dem Finger auf das Publikum zeigend] The power structure has been too long a white middle aged male middle class power structure...

Anmerkung: Dieser erste Satz fehlte mir bei meiner Aufnahme.

ANOTHER WOMAN: [stehend, auf ein Manuscript blickend] Und inzwischen sind viele Frauen genötigt, ihren Platz in der Gesellschaft grundlegend zu verändern und befinden sich auf der Suche nach Wegen, diesen Wunsch umzusetzen.

[Ein Protestmarsch wird gezeigt. Mehrere Frauen halten ein Plakat: "L.I. WOMEN'S LIBERATION"]

ERZÄHLER: Im Frühjahr 1973 war die Frauenbewegung voll im Gange. Überall in Amerika fand eine Revolution statt, alte Klischees wurden abgelegt, [Frauen tragen ein riesiges Modell einer Schreibmaschine mit der Aufschrift "ROYAL"; dann hält eine andere Frau vor tausenden Menschen eine Rede.] neue Wege beschritten. Es war eine Zeit der Bewußtseinserweiterung, eine Zeit der hohen Erwartungen, [marschierende Frauen mit einem Banner: "WOMANPOWER"] ein Kampf für Gleichberechtigung und Freiheit. [Marsch auf den Capitol Hill in Washington, D.C.]. Überall setzten sich Frauen mit schwierigen, vielschichtigen Fragen auseinander.

INT. TAG. KÜCHE
NORMA: [am Herd] Einfachen Toast oder mit Zimt und Rosinen ?

ERZÄHLER: Zum Beispiel meine Mutter. [WAYNE, KEVIN und JACK sitzen am Tisch und lesen Zeitung.]

WAYNE: Mit Zimt und Rosinen !

NORMA: [bringt eine Platte mit Eiern] Schon unterwegs.

JACK: Danke.

KEVIN: Danke.

WAYNE: Danke.

ERZÄHLER: Sie war eine typische Frau ihrer Zeit: Eine Frau, die etwas erreicht hatte, ...

KEVIN: Mom, wir haben doch noch Saft, oder ?

NORMA: Aber natürlich, Schatz. Hier sind die Toasts. [Reicht eine andere Platte mit Toast.] Und schön langsam essen !

ERZÄHLER: ... deren Leistungen gewürdigt wurden.

JACK: Gute Eier, Mom.

KEVIN: Mmh, gute Eier, Mom !

WAYNE: Gute Eier.

[Auf dem kleinen Schwarz-Weiß-Fernseher läuft eine "Familie Feuerstein"-Folge.]

JACK: Niemand macht Eier wie eure Mutter.

KEVIN: Mmh.

WAYNE: Nein.

JACK: Gibt's noch Kaffee ?

NORMA: Aber natürlich, Schatz. [bringt einen Becher Milch und eine Thermoskanne voll Kaffee].

ERZÄHLER: Ja, man kann wohl sagen, daß Mom bei allem was sie machte unseren vollen Respekt genoß.

JACK: Oh, warte, ich helf dir, Schatz ! [hebt seine Tasse etwas an und sieht fern, während sie eingießt].

ERZÄHLER: Und ob sie uns Kaffee eingoß, uns Butter auf den Toast schmierte oder uns auch nur die Socken wusch, wir Männer der Arnold-Familie unterstützten sie, ermutigten sie - bis zu dem Tag, an dem sie uns folgendes verkündete:

NORMA: [stolz] Ich wollte euch sagen: Ich suche einen Job ! [Die Männer sehen sie erstaunt an.]

JACK: Einen Job, Norma ?

NORMA: Es ist Zeit, glaub mir. [nickt]

KEVIN: Tatsächlich ?

ERZÄHLER: Denn so wie wir das sahen, hatte Mom schon einen Job. Doch so knallhart hätte ihr das keiner von uns ins Gesicht gesagt.

WAYNE: Aber du hast schon einen Job: Uns alle versorgen ! [Der Titel seiner Zeitung: World Secrets. Die Schlagzeile: Good Sex Life Can Help You Make a Success.]

KEVIN: Schnauze, Blödsack !

NORMA: Du hast schon recht, aber inzwischen gibt's ja hier nicht mehr besonders viel zu versorgen. Karen ist weg, ihr seid den ganzen Tag in der Firma und Kevin geht bald auf's College. Na ja, und, äh, nachdem ich jetzt meinen Abschluß in der Tasche hab, hab ich mir gedacht, ich brauche etwas - sagen wir mal - Erfüllenderes.

JACK: Oh.

KEVIN: Oh.

ERZÄHLER: Es fiel schwer, sich etwas Erfüllenderes vorzustellen als uns zu versorgen.

JACK: Na ja, wenn du das wirklich unbedingt willst find ich vielleicht in der Fabrik irgend 'ne Arbeit, ein, zwei Tage die Woche.

ERZÄHLER: Das hörte sich doch vernünftig an.

NORMA: Weißt du, Jack, ich stell mir eigentlich etwas anderes vor: Einen Ganztagsjob.

KEVIN: Und was zum Beispiel ?

NORMA: Das weiß ich noch nicht. Na ja, ich möchte etwas, woran ich ... mich richtig festbeißen kann, verstehst du ? [beißt in ihren Toast]

JACK: Ähm, glaub mir, Norma: Arbeiten ist was anderes als auf's College zu gehen. Einen Job zu haben ... bringt einen Haufen Ärger und Schufterei.

KEVIN und WAYNE: Mmm.

WAYNE: Wo er recht hat, hat er recht.

NORMA: Das weiß ich auch, Jack. Aber das ändert nichts daran. Der Entschluß steht fest.

[In dem Moment läßt Fred Feuerstein eine steinerne Bowlingkugel auf seinen Fuß fallen und schreit laut auf.]

ERZÄHLER: Worauf man - angesichts der Umstände - eigentlich nur noch eins antworten konnte:

JACK: Wenn das so ist, ruf ich gleich morgen früh als erstes Stan Woods an, der soll sich gerade vergrößern.

NORMA: Danke, Jack. Ich weiß das sehr zu schätzen.

JACK: Mmm.

ERZÄHLER: Gern geschehen - das war das mindeste, was wir tun konnte. Die Zukunft ließ sich nunmal nicht aufhalten. Damit mußten sich Männer überall auseinandersetzen, in immer größerer Zahl.

INT. TAG. CAFETERIA
[JEFF und RANDY sitzen KEVIN und WINNIE gegenüber.]

JEFF: [legt sein Testergebnis auf den Tisch] 540 sprachlich und 580 in Mathe. Auf das ihr vor Neid erblaßt !

ERZÄHLER: Apropos Zahlen ...

KEVIN: Sind sie gekommen ?

JEFF: Ja.

[ KEVIN greift nach JEFFs Karte und liest, während WINNIE neben ihm sich sichtlich unwohl fühlt.]

ERZÄHLER: Die Collegetest-Ergebnisse. Seit sechs Wochen hatten wir auf die zwei Zahlen gewartet, die über die nächsten vier Jahre unseres Lebens entscheiden würden.

JEFF: Hast du nicht in euern Briefkasten gesehen ?

KEVIN: Noch nicht.

RANDY: Ich schon.

KEVIN: Ja ? Was hast du gekriegt ?

RANDY: 730.

KEVIN: Sprachlich oder Mathe ?

RANDY: [senkt den Blick] Beides zusammen.

JEFF: Mach dir keine Sorgen - du kannst immernoch bei mir arbeiten !

RANDY: [beleidigt] Ausgesprochen witzig !

ERZÄHLER: Das war allerschlimmster Sozialdarwinismus !

KEVIN: [zu WINNIE] Hast du deinen schon ?

WINNIE: [unwohl, unsicher] Ich finde es keine so gute Idee, einfach so darüber zu reden. Das ist was Privates.

KEVIN: Oh. Ähm, natürlich. Ich verstehe. [nimmt ihre Hand]

ERZÄHLER: "Ich möchte nicht darüber reden" - eine zaghafte Umschreibung für einen Studienplatz an der Abendschule für Minderbemittelte.

KEVIN: So wichtig ist das auch wieder nicht. Es sind doch bloß ein paar blöde Zahlen.

RANDY: Natürlich. Du hast gut reden. Du weißt deine ja noch nicht.

KEVIN: Na und ? Wenn sie kommen, dann kommen sie eben.

ERZÄHLER: Ich machte mir da keine Sorgen. [Zwei Mädchen in blau-weißen Cheerleader-Kleidern stützen und trösten ein weiteres, weinendes MÄDCHEN in ihrer Mitte.]

MÄDCHEN: [weinend] Seht euch meine Ergebnisse an ! Ich werde mich umbringen !

ERZÄHLER: Jedenfalls keine großen.

[WINNIE blickt voller Anteilnahme zu dem MÄDCHEN.]

INT. NACHMITTAG. UNTERRICHTSRAUM
MANN: [im Hintergrund, vielleicht der Lehrer] Hoffnung und Verzweiflung ...

ERZÄHLER: Jetzt mal ehrlich: Wer machte sich schon Sorgen ? Ich bestimmt nicht !

[KEVIN sieht nervös auf die Uhr: Punkt 3 Uhr. Es klingelt.]

EXT. NACHMITTAG. STRASSE
[KEVINs Auto vollführt quietschend einen Schnellstart.]

ERZÄHLER: Ich war nur ... ein wenig neugierig !

[Schwärze. Die Kamera befindet sich im Briefkasten. Man hört Bremsen quietschen, dann wird das Türchen geöffnet: KEVIN hat direkt vor dem Briefkasten gehalten, beugt sich aus dem Beifahrerfenster und holt hastig die gesamte Post aus dem Kasten.]

ERZÄHLER: Was soll's, wenn sie gekommen waren, dann waren sie eben gekommen - und wenn nicht... Da waren sie !

INT. NACHMITTAG. KÜCHE
[ KEVIN reißt die Hintertür auf und stürmt hinein.]

NORMA: Hallo Schatz ! Ich hab eine ganz wunderbare Neuigkeit ...

KEVIN: Nachher, Mom !

[Er läuft schnurstracks an NORMA vorbei und aus der Küche hinaus. Im Laufen öffnet er bereits den Umschlag.]

INT. NACHMITTAG. KEVINS ZIMMER
KEVIN: [steht mit dem Rücken an der verschlossenen Tür] Bitte, oh bitte, oh bitte, oh bitte !



ERZÄHLER: Es ware eine private Angelegenheit. [KEVIN schließt die Jalousien. Nur noch das grüne Licht eines Aquariums ist zu sehen]Sehr privat. [Schaltet auch dieses Licht aus, klettert in den Kleiderschrank, schließt die Tür hinter sich und schaltet eine Taschenlampe ein.] Als ich in meinen Schrank stieg, sagte ich mir immer wieder: Das bedeutet nicht ! Absolut nichts ! Das waren nur ein paar lumpige Zahlen in einem schäbigen Umschlag ! [Nur noch das Haus und der Vorgarten werden gezeigt. Doch selbst bis dorthin ist noch KEVINs Schrei zu hören - sein Freudenschrei.]



INT. ABEND. CHINARESTAURANT
[Eine chinesische KELLNERIN serviert Tee. NORMA, JACK, WAYNE und KEVIN sitzen an einem reichlich gedeckten Tisch.]

JACK: [furchtbar stolz] Ich kann's noch nicht fassen. 650 ! Und das andere ? 580 ?

ERZÄHLER: Es war ein Abend des Triumphes und der Frühlingsrollen.

KEVIN: [stolz] Na ja, eigentlich sind es 590, aber das ist unwichtig. Es sind ja bloß Zahlen. [Pause] Es sind zusammen 1240.

JACK: Ich bin sehr stolz, Junge.

WAYNE: Ja, unser kleiner Blödsack ist also offenbar ein Schlausack !

KEVIN: [sieht alle an] Ich danke euch. Oder nicht ?

ERZÄHLER: Aber ich hatte mir den Respekt der Arnold-Männer verdient ...

NORMA: Schatz, das ist wunderbar ! Gratuliere.

ERZÄHLER: ... und den der Frau, die sie liebten.

KELLNERIN: Ihre Rechnung, Sir.

NORMA: [nervös] Ich zahle. Gib mir die Rechnung mal rüber ! [Sie nimmt sich die Rechnung.]

JACK: Norma, was soll das werden ?



NORMA: Ich bezahle unser Essen. Ich hab nämlich auch eine erfreuliche Nachricht: Ich krieg 'n Job - es ist alles klar. [Ein chinesischer Gong ertönt.]

KEVIN: [überrascht] Einen Job ?

WAYNE: Was denn für einen Job ?

JACK: Dann hast du also schon mit Stan geredet ?

NORMA: Um ehrlich zu sein, nein. In der Zeitung stand ein Angebot von einer Firma, [stolz] Microelectronics.

ERZÄHLER: Ich brauche wohl nicht zu sagen, daß das eine umwerfende Nachricht war ! [Die Arnold-Männer sehen eher etwas ungläubig und besorgt aus.]

JACK: [zweifelnd] Den Namen hör ich das erste Mal.

NORMA: [enthusiastisch] Die Firma ist neu, Jack. Computersoftware ! Ich hab die zwei Partner kennengelernt, Anfang zwanzig, kaum älter als Karen ! Sie haben mich ohne mit der Wimper zu zucken eingestellt !

ERZÄHLER: Ja, es bestand nicht der geringste Zweifel: Das war ein Grund zum Feiern.

JACK: Und ? Wie wirst du bezahlt ? [lächelt triumphierend] 125 ? 130 ?

NORMA: 225 die Woche !

WAYNE: [spuckt aus] Das bekomm ich ja nicht mal !

JACK: [zu NORMA] Mmh. Lange wird das nicht dauern. Jemand macht schnell Pleite, wenn sie 'ner Sekretärin 225 zahlen.

NORMA: Wißt ihr, Sekretärin bin ich ja auch gar nicht: Ich bin die Finanzchefin.

ERZÄHLER: Es war, als würde man erfahren, daß Bette Davis zum Quarterback der Jets ernannt worden ist !

Anmerkung: Im Original ist das Donna Reed, aber das macht wohl hier keinen großen Unterschied.

KEVIN: [ehrlich] Das ist klasse, Mom ! Ich bin wirklich stolz auf dich.

NORMA: Danke.

ERZÄHLER: Und das war ich auch - irgendwie. Was soll's ? Ehre, wem Ehre gebührt ! [NORMA holt ihr Portemonnaie aus der Handtasche und ein zweiter Gongschlag ertönt.]

INT. TAG. SCHULBIBLIOTHEK
[KEVIN sitzt mit dem Kopf auf die Hände gestützt und den Füßen auf einem Tisch und ließt.]

ERZÄHLER: Offenbar lagen Intelligenz, Talent und Genie bei uns in der Familie.

[Es klingelt. WINNIE kommt und setzt sich zu KEVIN.]

WINNIE: Hi, Kevin!

ERZÄHLER: Aber damit wollte ich natürlich nicht angeben !

KEVIN: [triumphierend] 12-40.

WINNIE: [erschrocken] Ach was ? Ich dachte, es wäre erst 11:30 !

KEVIN: Nein, das meinte ich nicht. [nimmt schließlich die Füße vom Tisch und zeigt auf die Uhr]

WINNIE: Was hast du gemeint ?

KEVIN: Gar nichts.

WINNIE: [verwundert] Okay.

ERZÄHLER: Aber, wenn sie schon fragte ...

KEVIN: Nur ... mein ... meinen Collegetest.

WINNIE: [freundlich, enthusiastisch] Du weißt das Ergebnis ?

KEVIN: 650 sprachlich, 590 Mathe.

WINNIE: Kevin, das ist einfach Wahnsinn !

KEVIN: Na ja, eigentlich sind es bloß Zahlen. 650, 590 ...

WINNIE: Das ist wunderbar !

KEVIN: Es ist okay.

WINNIE: Ich bin unheimlich stolz auf dich. [lächelt]

KEVIN: Danke.

ERZÄHLER: Warum auch nicht ? Sie war immerhin meine Freundin, und ich wußte, daß sie sich wenigstens damit trösten konnte, daß mein Erfolg irgendwie auch ihr Erfolg war.

[Eine Bibliothekarik bringt WINNIE einige Bücher.]

BIBLIOTHEKARIN: Hier, bitte schön, Miss Cooper. Yale, Princeton und Harvard. Ich suche Ihnen auch noch Dartmouth raus.

WINNIE: Danke. [Die BIBLIOTHEKARIN geht.]

KEVIN: [verwirrt] Was hast du da ?

WINNIE: Nur ein paar Collegekataloge.

ERZÄHLER: Komisch. Ich wußte gar nicht, daß die Abendschule für Minderbemittelte zu den Eliteunis aufgestiegen war.

KEVIN: [etwas gereizt] Winnie ... Was genau hattest du in deinem Collegetest ?

WINNIE: Ich, äh, möchte wirklich nicht darüber reden.

KEVIN: Winnie, komm schon ! Offenbar hast du nicht übel abgeschnitten, also kannst du's mir doch sagen !

WINNIE: [zurückhaltend, schüchtern] 725 sprachlich, 757 Mathe. [Ein Donnerschlag hallt durch den Saal]

KEVIN: [ungläubig] 7-25 sprachlich, 7-57 Mathe ?

ERZÄHLER: Irgendwie übersprang ich "Ich bin so stolz auf dich" und "Das ist wunderbar" und kam sofort zur Sache.

KEVIN: 1481 !

WINNIE: Nur 'ne Zahl, nichts weiter. Und es sind 1482.

KEVIN: Das glaub ich einfach nicht !

WINNIE: Freust du dich überhaupt nicht für mich ?

KEVIN: Soll das 'n Scherz sein ?

[Es klingelt noch einmal.]

ERZÄHLER: Das war vielleicht dumm, aber es war nicht schwer, eins und eins zusammenzuzählen. Anstatt an der Seite ihres Mannes zu stehen ...

WINNIE: [steht auf] Wir sehen uns nachher. [geht]

ERZÄHLER: ... hatte mich meine unschuldige, bescheidene Freundin, mein süßer, zu mir aufblickender kleiner Schatz eiskalt abgehängt.

INT. TAG. KÜCHE
[NORMA holt das Fleisch aus dem Ofen während die Arnold-Männer bereits am Tisch sitzen.]

NORMA: Die Technologie, mit der in jener Firma gearbeitet wird, ist absolut faszinierend. Wir bringen demnächst eine völlig neue Produktpalette raus.

ERZÄHLER: Es dauerte nicht lange bis meine Mutter anfing, in ihrer aufregenden neuen Karriere aufzugehen.

NORMA: [blickt in den Ofen] Wißt ihr was, heut hab ich entdeckt, daß ich unsere gesamten Entwicklungskosten über das Finanzjahr voll und ganz wieder reinbekomme - toll, nicht ?

ERZÄHLER: Und als sie die Freuden ihrer neuen Herausforderung mit uns teilte, reagierten wir wie alle Männer.

NORMA: Wir können weiter investieren, uns vergrößern und die Produktion kräftig steigern.

ERZÄHLER: Wir fühlten uns vernachlässigt.

JACK: [gereizt] Das ist toll ! Und wie stehen die Chancen, daß wir heute noch ...

NORMA: Hier ist das Brot. [stellt einen Korb auf den Tisch]

JACK: [leise] ... Brot kriegen ?

NORMA: Steht schon da. Natürlich versuchen wir erstmal, die Preise niedrig zu halten, aber wenn wir uns erstmal am Markt ...

ERZÄHLER: Und in dem Maße, in dem unser Gefühl des Vernachlässigtseins wuchs, wuchs auch unser Argwohn.

WAYNE: Wo ist eigentlich die ...

NORMA: [stellt Butter auf den Tisch] Braucht jemand Butter ?

WAYNE: [leiser]... Butter ?

NORMA: Ich arbeite mit Pat Devons, wußtet ihr das ? Sie ist Vizepräsidentin - stellt euch das mal vor ! Hier sind die Bohnen.

KEVIN: [reagiert zu spät] Bohnen !

NORMA: Und ...

NORMA und WAYNE: Kartoffeln !

WAYNE: Genau.

NORMA: Tja, dann, ähm, sind wir soweit nicht ? [setzt sich auf ihren Platz]

ERZÄHLER: Aber egal, wie sehr Mom versuchte, uns mit Butter und Bohnen zu überhäufen, es zog nicht. Nicht bei uns.

JACK: [triumphierend] Wartet mal ! Da ! [legt einen Fuß auf den Tisch] Da ist ein Loch in meiner Socke ! [sieht WAYNE und KEVIN triumphierend an]

ERZÄHLER: Ja, gar keine Frage ! Mit unserem Haushalt ging's den Bach runter. EXT. NACHT. AUSSICHTSPUNKT
[KEVIN und WINNIE sitzen nebeneinander in seinem Auto, daß in einer Parklücke am Aussichtspunkt steht, einem Hügel, von dem aus man weit über die Stadt sehen kann. Es ist längst dunkel und in den meisten Häusern brennen Lichter. Während beinahe der gesamten Unterhaltung starren KEVIN und WINNIE dort hin, ohne einander anzusehen. Das Radio spielt leise Musik.]

WINNIE: [besorgt] Was ist denn ?

KEVIN: Nichts.

ERZÄHLER: Apropos "den Bach runter" ...

WINNIE: [besorgt] Bist du einfach nicht in Stimmung ?

KEVIN: [sauer] Klar bin ich in Stimmung. Ich bin immer in Stimmung. Ich bin nur kein Lustobjekt, das ist alles.

WINNIE: Was soll dieser Quatsch ?

KEVIN: [eilig] Gar nichts !

ERZÄHLER: Ich wollte ihr auf keinen Fall die Genugtuung geben, die Wahrheit zu hören.

WINNIE: Du bist wütend wegen meines Collegetests.

KEVIN: Was ? Das ist vollkommen lächerlich !

WINNIE: Es gäbe auch keinen Grund dazu.

KEVIN: Eben. Gibt's auch nicht. Wie lange kennen wir uns nun schon ? [sieht sie an]

WINNIE: Beinahe solange wir leben.

KEVIN: [wütend] Genau. Und da hast du es nie geschafft auch nur mit einem Wörtchen zu erwähnen, daß du klug bist ? [Sie sehen einander an.]

ERZÄHLER: Ein Glück, daß mir das nichts ausmachte !

WINNIE: [nun auch wütend] Hast du etwa gedacht, ich bin bescheuert ?!

KEVIN: [wütend gestikulierend] In der vierten Klasse wußte ich, daß du in Mathe was drauf hattest. Konnte ich etwa ahnen, daß du, ähm, Einstein oder sowas bist ? Super ! Da denkst du, du kennst jemanden, und dann, plötzlich, bemerkst du, daß er dir etwas verschweigt.

WINNIE: Ich hab dir nicht das geringste verschwiegen !

KEVIN: Ach ! Und wieso wußte ich nichts von deinem Testergebnis ?

WINNIE: [defensiv] Keine Ahnung. Ich ... ich dachte nur, daß ... verletzt vielleicht dein Ego.

KEVIN: [fast aggressiv] Ego ? Ha ! Das zeigt ja wohl nur, wieviel du weißt ! Ich hatte doch noch nie ein Ego !

WINNIE: [wütend] Kevin, wie kannst du dich nur so dumm aufführen ?!

ERZÄHLER: Also, wenn ich ein Ego gehabt hätte, hätte mir so eine Bemerkung vielleicht sehr, sehr weh getan.

KEVIN: Ach, ich bin also dumm, ja ?

WINNIE: Ich sage nicht, du bist dumm; ich sage nur, daß du dich so aufführst.

KEVIN: Oh, aber wenn ich so klug wäre wie du, dann würde ich ganz genau verstehen, was du von mir willst, nicht ?!

ERZÄHLER: Man kann sagen, daß ich diese Angelegenheit auf sehr erwachsene Art geregelt hab.

WINNIE: [enttäuscht, traurig] Ich hätte eine Idee: Fahren wir nach Hause !

[KEVIN schnaubt abfällig und startet den Motor.]

ERZÄHLER: Ich hätte es nicht besser formulieren können.

INT. NACHT. WOHNZIMMER
[JACK liegt auf der Couch und sieht fern, als KEVIN hereinkommt.]

FRAU: [im TV] Das lasse ich mir nicht l„nger bieten !

ERZÄHLER: Mittlerweile, zu Hause ...

KEVIN: Dad ?

JACK: Hallo.

KEVIN: Was tust du auf der Couch ?

JACK: [resignierend] Eine gute Frage. Ich sag bloß: Frauen !

KEVIN: [ebenfalls resignierend] Ja, das Problem kenn ich. [er setzt sich zu JACK auf die Couch.]

JACK: Weißt du, was ich meine ?

KEVIN: Ja. Frauen.

JACK: Ja.

[KEVIN seufzt.]

ERZÄHLER: Bis heute eins der tiefgründigsten Gespräche über dieses Thema.

[NORMA kommt ins Zimmer, stellt sich vor JACK und läßt ein Paar Socke auf seinen Bauch fallen.]

NORMA: Liebling - deine Socken. [dreht sich um und geht.] Gut' Nacht.

[Fokus auf den Fernseher: Ein alter Schwarz-Weiß-Film läuft, "Attack of the 50-Foot Woman." Wir hören eine Sirene. Eine junge Frau und zwei Männer stehen in einer Garage.]

MAN #1: [im TV] Ihre Frau sucht sie. Sie nimmt die ganze Stadt auseinander. [Fokus auf eine gigantische Frau, die in die Garage greift und den zweiten Mann heraushebt.]

MAN #2: [schreit] Nancy, nein ! Bitte, Nancy !

[Zurück zur Coach. JACK seufzt.]

INT. TAG. SCHULKORRIDOR
[KEVIN geht alleine den Gang entlang. Andere Schüler überholen ihn. Es klingelt.]

ERZÄHLER: Trotzdem kam ich mir am nächsten Morgen wegen meines Benehmens ziemlich mies vor. Es war Zeit zu akzeptieren, daß die Frauen auf dem Vormarsch waren, das hatte ich begriffen. Es war Zeit, die Gegebenheiten des 20. Jahrhunderts zu akzeptieren. Es war Zeit, sich wie ein emanzipierter Mann zu benehmen. [KEVIN sieht WINNIE an ihrem Schließfach.]

KEVIN: Winnie ? [Sie dreht sich um und senkt schüchtern den Blick]

WINNIE: Oh, hi.

ERZÄHLER: Und wie ein Hund angekrochen zu kommen.

KEVIN: Hi. Also, was da gestern abend gelaufen ist, tut mir echt leid.

WINNIE: Mir auch.

KEVIN: Und ich ... wollte dich heute irgendwohin einladen. Um das wieder gut zum achen.

WINNIE: Gut, okay. Gern. Das hört sich toll an.

KEVIN: Prima.

ERZÄHLER: Sollten wir uns etwa von ein paar Zahlen die Beziehung versauen lassen ?

[MR. GLAVIN, ein schwarzer Lehrer, nähert sich ihr von hinten und legt seinen Arm um WINNIEs Schultern.]

MR. GLAVIN: [freundlich] Winnie !

WINNIE: Hi, Mr. Glavin.

MR. GLAVIN: Gratuliere zu deinem tollen Collegetest ! Davon reden im Lehrerzimmer alle.

WINNIE: Danke.

MR. GLAVIN: Denk dran, einer begabten jungen Dame wie dir stehen alle Türen offen.

WINNIE: Ich bin noch ganz aufgeregt.

MR: GLAVIN: [lacht freundlich] Das kann ich mir vorstellen. Du hältst mich auf dem Laufenden, versprochen ?

WINNIE: Versprochen.

KEVIN: [räuspert sich, nach Aufmerksamkeit heischend] Ähm, hi, Mr. Glavin.

MR. GLAVIN: Hey, alles klar, Kelly?

[MR. GLAVIN geht ohne KEVIN weiter zu beachten.]

ERZÄHLER: Kelly ?! Das war ein Mädchenname !

WINNIE: Also wohin ?

KEVIN: Was ?

WINNIE: Wo möchtest du heute hingehen ?

KEVIN: Was hältst du von, äh ...

ERZÄHLER: Und da hörte ich ihn: [Jungletrommeln werden hörbar] Einen fernen Ruf, [der Ruf eines Vogels] einen Urschrei - [ein Löwe brüllt], er hallte über die Savannen des alten Kenia, er dröhnte in den Kriegstrommeln der Urstämme - und er sagte mir: [Eine Bowlinghalle mit einem Schild: BOWL, ARCADE, COCKTAILS. KEVINs Auto mit dem chinesischen Drachen parkt davor. Wir hören einen Tarzanschrei] Geh mit der Braut zum Bowling !

INT. ABEND. BOWLINGBAHN
ERZÄHLER: Das war's. Das war beinahe eine Eingebung.

KEVIN: Ist das nicht toll ?

WINNIE: Ja. Sicher.

ERZÄHLER: Haha, es war mehr als eine Eingebung: Es war ein Geniestreich. Die Bowlingbahn: Die letzte Bastion der Männlichkeit. Eine Insel der Beständigkeit in einer sich verändernden Welt. Hier war alles männlich: die lauten, ungedämpften Stimmen, die wilde, unzügelte Mode, ... [Einige Männer singen. KEVIN und WINNIE kommen bei den Bahnen an.] ... der Schweiß, die Muskeln, das Grunzen und Rülpsen. Kurz: Ein Ort, der richtige Männer anzog ... wie Fliegen. [KEVIN blickt direkt in die Augen seines JACKs als sie beide die gleiche Kugel aufheben wollen.]

KEVIN: [ungläubig] Dad !

JACK: [überrascht] Hey !

KEVIN: Was tust du denn hier ?

JACK: Keine Ahnung. Ich ... hatte Lust auf Bowling.

ERZÄHLER: Mmm, ganz offensichtlich hatte Dad den Urschrei auch gehört.

WINNIE: Hallo, Mrs. Arnold.

NORMA: Na so eine Überraschung ?

JACK: [legt seinen Arm um seine Frau; zu WINNIE und KEVIN] Wie sieht's auch ? Bleibt ihr bei uns ?

KEVIN: [legt seien Arm um seine Freundin] Natürlich. Wieso nicht.

ERZÄHLER: Was gab es schöneres ? Ein Abend auf der Bowlingbahn. Männer, die Männersachen machten !

[WINNIE und NORMA setzen sich an einen Tisch mit einem Zähler.]

NORMA: Was du da an hast ist einfach toll, Winnie !

WINNIE: Danke ! Oh, die Frisur steht Ihnen wirklich sehr !

ERZÄHLER: Mädchen, die über Mädchensachen redeten. Genau so, wie es sich der große Boss da oben gedacht hat.

NORMA: Oh, ich hab von deinem Collegetest gehört. Ich bin wirklich ausgesprochen stolz auf dich !

ERZÄHLER: Moment mal !

WINNIE: Danke. Ach, und ich hab von Ihrem Job gehört, der soll ja super sein !

KEVIN: [ungeduldig] Fangen wir an zu bowlen oder nicht ?

JACK: Ja ! Fangen wir endlich an ! Norma, du bist die erste.

NORMA: Okay. [steht auf]

ERZÄHLER: Warum sollten wir unsere Zeit mit oberflächlichem Geplauder verschwenden ? Auf uns wartete ein wichtiges Spiel !

WINNIE: [zu NORMA, die ihr Ziel anvisiert] Kommen Sie, Mrs. Arnold, werfen Sie alle um !

NORMA: Ich bin leider nicht besonders gut darin.

JACK und KEVIN: [gleichzeitig] Das ist schon okay ! [Sie sitzen zusammen und fühlen sich sicher.]

ERZÄHLER: Ja, alles war perfekt - bis etwas Unglaubliches passierte: Der Lauf von Moms Kugel sollte als der längste von allen in die Bowlinggeschichte eingehen. [Mittelalterliche Fanfaren begleiten ihre Kugel] Ihre Schwungkraft war erbarmungslos, ihr Kurs unerbittlich. Schon während des Rollens stand das Ergebnis unverrückbar fest: Ein Ergebnis, dessen Botschaft im ganzen Land widerhallte. [JACK und KEVIN sitzen starr vor Entsetzen.]

NORMA: [jubelnd] Ja ! [lacht glücklich] Ja ! Ist ja unglaublich ! [WINNIE rennt zu ihr hinüber und umarmt sie.]

WINNIE: Toll, Mrs. Arnold ! Sie haben alle abgeräumt !

NORMA: Hast du das gesehen, Jack ? Das war ein Strike !

ERZÄHLER: Da sagte etwas "klick" !

JACK: [entschlossen] Auch egal. Dann werden jetzt die Männer ... gegen die Frauen spielen !

ERZÄHLER: Und zum Teufel mit dem Unterlegenen !

KEVIN: Tolle Idee !

JACK: Ja.

[Die Kugeln rollen; mehrere Strikes hintereinander; JACK und KEVIN jubeln; wir hören Beethovens neunte Sinfonie.]

ERZÄHLER: [unterbrochen von JACKs und KEVINs Jubeln] In der nächsten Stunde erlebte die Welt eine der größten Bowlingvorführungen aller Zeiten ! Nicht von den Arnold-Frauen - von den Arnold-Männern ! Wir waren in Hochform, Dad und ich. Und davon machten wir schamlos Gebrauch. Die nächsten dreißig Durchgänge lang kämpften wir mit harten Bandagen. Wir zeigten kein Erbarmen. Wir spielten sie in Grund und Boden !

KEVIN und JACK: Ja ! Ja ! [Sie tanzen, während die Arnold-Frauen sich über ihren Erfolg freuen.]

[Beethoven's Neunte kommt zum Ende.]

ERZÄHLER: Und als es vorbei war, waren sie, glaub ich, sehr beeindruckt. [Pause] Wir waren es jedenfalls.

[JACK und KEVIN halten triumphierend ihre Ergebniskarte in die Höhe.]

EXT. NACHT. KEVINS AUTO
[WINNIE und KEVIN fahren heim. Das Radio spielt leise Musik.]

KEVIN: Daß ihr so verloren habt, tut mir leid.

WINNIE: Ist schon okay. Es war lustig heute.

ERZÄHLER: Als wir an dem Abend nach Hause fuhren, schien alles wieder im Lot zu sein.

[Tammy Wynettes "Stand by Your Man" beginnt.]

WINNIE: [schmiegt sich an KEVIN] Ich meine, ihr konntet doch bloß gewinnnen. Ihr wart so ... gut !

[Währenddessen bei NORMA und JACK im Auto: Sie sieht ihn zufrieden an. "Stand by Your Man" spielt weiter.]

JACK: Das ist nur eine Frage der Ruhe. Du überträgt allen Schwung, den du hast, auf die Kugel, läßt einfach die Triebkraft wirken - der Rest geht von allein.

NORMA: Das ist wunderbar, Schatz.

ERZÄHLER: Die natürliche Ordnung war wiederhergestellt. Also konnten wir's uns leisten, großzügig zu sein.

[Zurück in KEVINs Auto ...]

KEVIN: Übrigens: ... Ich gratuliere zu deinen Collegetest-Ergebnissen.

WINNIE: [an ihn geschmiegt] Danke.

ERZÄHLER: Was hatte es für einen Sinn, bockig zu sein ? So wie ich das sah, war die Welt groß genug für uns alle.

INT. NACHT. KEVINS ZIMMER
[KEVIN liegt in der Dunkelheit auf seinem Bett. "Stand by Your Man" spielt weiter.]

ERZÄHLER: Außerdem: Selbst wenn Frauen Einfluß auf Regierungen nehmen konnten, im Geschäftsleben mitmischten, die Innenpolitik veränderten, das Schulwesen beherrschten und die Welt verbesserten - in einem wichtigen Punkt konnten wir ihnen immernoch eine Menge beibringen.

KEVIN: [blickt zu der Ergebniskarte neben seinem Kopf] Ja !

ERZÄHLER: Ja ! - Sie konnten noch eine Menge von uns lernen, wenn es darum ging, sich wie Idioten zu benehmen.

["Stand by Your Man" spielt zu Ende und in der Ferne hallt ein Tarzanschrei.]

CLOSING TITLES
Dieses Transcript wurde von Daniel G.



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09/10/01 19:50