Folge 97: Frisch gestrichen
Teleplay: Jon Harmon Feldman

Story: John Bunzel



OPENING TITLES
OPENING SEQUENCE
ERZÄHLER: Für die meisten Jungs, mit denen ich 1972 zur Schule ging, war das erste Jahr an der Highschool eine Zeit des Erforschens, eine Zeit, um seinen Horizont zu erweitern, um sich neue Perspektiven zu erschließen, Antworten auf neue Fragen zu finden. Es war eine Gelegenheit, sich mit den großen Themen jener Zeit auseinanderzusetzen - um genau zu sein beschränkte sich das auf zwei Themen:

INT. VORMITTAG. SOZIALKUNDEUNTERRICHT
MISS FARMER, die junge, attraktive Sozialkundelehrerin steht vor der Klasse und erzählt über die Entwicklung Afrikas. Die Jungen liegen ihr zu Füßen - das heißt, sie liegen abwesend auf ihren Tischen und starren MISS FARMER an.

MISS FARMER: Bis jetzt existieren bereits 39 unabhängige afrikanische Staaten, bis Ende '72 sind es bereits 41 ...

ERZÄHLER: Nummer 1 war Sex !

MISS FARMER: Also, habt ihr mir alle zugehört ?

ERZÄHLER: [schwärmerisch] Miss Farmer. Unsere Sozialkundelehrerin.

MISS FARMER: Wer kann mir die Namen von drei afrikanischen Republiken nennen ? Niemand ? Sehen wir mal auf die Karte.

ERZÄHLER: Man kann es schon als Ironie des Schicksals bezeichnen, daß die Schulbehörde ausgerechnet sie geschickt hatte, um unseren leicht formbaren Geist weiterzubilden !

MISS FARMER: Dominick ? Zeigst du uns bitte auf der Karte Liberia ?

DOMINICK: Das ist, äh, das Gelbe da - genau da ! [zeigt von weitem auf die Karte, die praktisch durchgängig gelb ist]

MISS FARMER: [lacht amüsiert] Vielleicht zeigst du uns das besser hier vorne ! [lange Pause]

DOMINICK: Ich ... kann nicht. Mein Fuß ist eingeschlafen !

ERZÄHLER: Was in jenem Jahr in Sozialkunde nichts Ungewöhnliches war.

[Es klingelt.]

MISS FARMER: Na schön. Bitte gebt mir eure Hausarbeiten, bevor ihr geht !

EXT. NACHMITTAG. TANKSTELLE
KEVINs Auto, mit dem großen Drachen auf den Türen, steht an einer Zapfsäule. KEVIN sitzt am Steuer, zu ihm beugt sich ein TANKWART hinein. RANDY Mitchell sitzt neben ihm, RICKY Halsenbach auf dem Rücksitz.

ERZÄHLER: Alles in allem war das für einen sechzehnjährigen Jungen die reinste Qual ! Niemand war dagegen immun - was mich zum Thema zurückbringt: Für Jungs in meinem Alter gab es nur zwei Hauptthemen - Sex ...

TANKWART: Das macht 3,69.

ERZÄHLER: ... und natürlich Wirtschaftsfragen.

KEVIN: Äh ... gut.

ERZÄHLER: Damit das gleich klar ist: Mit Wirtschaftsfragen meine ich den Umgang mit schnödem Bargeld - das ich nicht hatte.

TANKWART: 49 Cent fehlen noch.

KEVIN: Äh ... warten Sie ! [zu den anderen] Hat einer von euch 50 Cent ?

RICKY: Ich hab nichts.

RANDY: Tut mir leid. Ich bin pleite.

KEVIN: Augenblick ! Ihr schafft es nicht mal, lächerliche 50 Cent zusammenzukriegen ?!

RANDY: Hey, ich hab das letzte Mal bezahlt !

ERZÄHLER: Unglaublich ! Selbst mit meinem Job, dem Ausliefern von chinesischem Essen zweimal die Woche ...

KEVIN: [öffnet das Handschuhfach; zum Tankwart] Gleich hab ich's !

ERZÄHLER: ... war alles, was ich zusammenkratzen konnte, wenn es um's Bezahlen ging ...

[KEVIN ertastet etwas im Handschuhfach und zieht es heraus.]

KEVIN: Hier !

TANKWART: Ein Kartoffelchip ?!

KEVIN: Oh ja. Sieht so aus.

TANKWART: [gutmütig] Jetzt zieh schon Leine !

KEVIN: [beschämt] Mach ich. [startet den Motor]

ERZÄHLER: Seien wir ehrlich: Der Geldmangel ruinierte langsam meinen guten Namen, meinen Ruf - erst recht meine Kreditwürdigkeit !

INT. ABEND. AUTO
KEVIN sitzt mit WINNIE im Auto am Aussichtspunkt. Irgendetwas knurrt leise.

KEVIN: Was ist das für ein Geräusch ?

ERZÄHLER: Ja, sogar mein Liebesleben !

WINNIE: Was für ein Geräusch ? [Wieder das Knurren]

KEVIN: Das Geräusch ! Hörst du das nicht ?

WINNIE: [unsicher, beschämt] Das war mein Magen ... Er knurrt ... [lächelt unsicher]

KEVIN: Oh.

ERZÄHLER: Vom Verdauungstrakt meiner Freundin ganz zu schweigen !

WINNIE: [hoffnungsvoll] Sagtest du nicht, du wolltest mit mir heute essen gehen ?

KEVIN: Oh. Ja.

WINNIE: Kevin, ich hab wirklich Hunger ! Können wir nicht ... doch irgendwas essen ?

KEVIN: Weißt du ... Essen gehen ist gar nicht so toll, wie die Leute sagen. Du ärgerst dich ständig über lahme Bedienung - und so gut ist das Essen nun auch wieder nicht ! Außerdem hab ich gelesen, daß man nach neun Uhr nichts mehr essen soll, sonst setzt man an den Hüften an. Hast du das noch nicht gehört ?

[WINNIE blickt ihn enttäuscht an, rutscht dann von ihm weg und starrt aus dem Frontfenster.]

WINNIE: Ich würde jetzt gern nach Hause fahren.

KEVIN: [zögert] Gut.

ERZÄHLER: Langsam aber sicher fingen diese Geldsorgen an, mir auf den Geist zu gehen ! [KEVIN startet den Motor]

INT. VORMITTAG. SCHULKORRIDOR
Es klingelt. KEVIN drängelt sich durch den überfüllten Korridor.

ERZÄHLER: Deshalb begann ich in meiner Verzweiflung, mich mit Auswegen anzufreunden, die früher undenkbar gewesen wären. Mit anderen Worten: Ich brauchte einen zweiten Job.

[KEVIN geht zum schwarzen Brett der Schule, an dem unter der Rubrik "JOBS" einige dutzend Zettelchen angeheftet sind.]

ERZÄHLER: Vorzugsweise einen, bei dem man ohne Namensschild und Schaufel auskam ... Auch mit bissigen Hunden wollte ich mich nicht rumschlagen.

KEVIN: [enttäuscht] Klasse.

ERZÄHLER: Gerade, als sich mein Glück und mein Kleingeld verabschiedeten, ...

MISS FARMER: [stellt sich neben ihn] Oh ! [lächelt KEVIN an] Hi Kevin ! [heftet einen Zettel an das Brett]

KEVIN: [hingerissen] Hi ! [MISS FARMER geht]

ERZÄHLER: ... stellten sich Lust und Optimismus ein ! Das war die Gelegenheit !

KEVIN: [liest] Schüler zum Anstreichen gesucht - nach der Schule.

EXT. NACHMITTAG. MISS FARMERS HAUS
KEVIN klopft an die Haustür. Er hat den gelben Zettel, den MISS FARMER an das schwarze Brett geheftet hatte, gleich mitgebracht. Sie öffnet.

MISS FARMER: Kevin ! Hi !

KEVIN: Hi. Ich, ähm, komme wegen des Jobs.

MISS FARMER: [lacht glücklich] Junge, Junge ! Also das ging wirklich schnell !

KEVIN: Tja, wissen Sie, das lag auf dem Weg. Und, ähm, wie heißt es doch gleich: Der frühe Wurm fängt den Vogel ! [MISS FARMER sieht ins entsetzt an; KEVIN räuspert sich] Jedenfalls bin ich gleich hergekommen.

MISS FARMER: Sehr gut ! Dann schlag ich vor, du kommst rein. Ich mach uns etwas Limonade.

ERZÄHLER: Nachdem diese Förmlichkeiten hinter uns lagen, konnten wir anfangen zu verhandeln.

INT. NACHMITTAG. MISS FARMERS KÜCHE
KEVIN sitzt am Tisch, MISS FARMER steht an den Küchenschränken und mixt Limonade.

MISS FARMER: Äh, Zucker ?

KEVIN: [unaufmerksam] Mmh ?

MISS FARMER: Für deine Limonade.

KEVIN: Oh. Ja.

MISS FARMER: Und ? Willst du gar nicht wissen, was für ein Job das ist ?

KEVIN: Tja, ich soll streichen, oder ? Ich hab schon sehr oft gestrichen. Überall.

ERZÄHLER: Zwei Außenfenster für Dad und Waynes Stirn, als ich sechs war. Aber wer nahm das schon so genau !

MISS FARMER: Ach, ich weiß nicht so recht ! Vielleicht sollte ich doch einen Profi ranlassen.

ERZÄHLER: In dem Moment hätte ich einen Mord begangen, um Profis von ihrem Haus fernzuhalten !

KEVIN: [gewinnend lächelnd] Was wollen Sie von denen, wenn sie doch mich haben ?!

ERZÄHLER: Baby !

[MISS FARMER lächelt KEVIN an, stellt ein Glas vor ihn auf den Tisch und gießt Limonade ein. KEVIN nippt kurz.]

MISS FARMER: Um, na ja - wenn du meinst, du kannst das ...

KEVIN: Natürlich kann ich das ! Also ... Was soll ich für Sie streichen ?

MISS FARMER: Das Haus. [KEVIN zögert]

KEVIN: Das Haus !? Dieses große Haus !?

MISS FARMER: [lacht amüsiert] Nein ! Die Fassade, sonst nichts ! Die Sache ist nur die: Ich hab nicht besonders viel Geld. [geht zu einem Schrank und öffnet den Deckel einer großen Vorratsschüssel]

ERZÄHLER: Spätestens da hätte ich erkennen sollen, daß die Sache für mich eine Nummer zu groß war ! Ich hätte es wissen sollen ! Ich hätte es wissen sollen !! Aber ...

MISS FARMER: [hält 5 Scheine hoch] Sind, äh, 500 Dollar genug ?

[Wahrhaft himmlische Musik beginnt. KEVIN starrt abwechselnd die Scheine und MISS FARMER an.]

ERZÄHLER: Und da passierte es. Genau da, in diesem Moment, liefen zwei der stärksten Naturgewalten zusammen: Schönheit und Bargeld.

MISS FARMER: Du besorgst natürlich das Material. [die Musik endet] Könntest du schon dieses Wochenende loslegen ?

KEVIN: [stutzt] Äh, na ja ...

INT. ABEND. WOHNZIMMER
KEVIN und DAD sitzen auf der Couch. Der Fernseher läuft.

DAD: Streichen ?! Was verstehst du vom Streichen ?!

KEVIN: Was gibt es denn da zu verstehen ?! Ich meine, da steht ein Haus und das wird gestrichen !

ERZÄHLER: Das hörte sich doch ganz einfach an !

DAD: [seufzt] Was für Farbe streichst du - Latex- oder Lackfarbe ?

KEVIN: Äh ... blau.

DAD: Weißt du, was für Material du brauchst ?

KEVIN: Na ja ...

DAD: Hast du Leute, die mitmachen ?

ERZÄHLER: [beleidigt] War ich hier auf der Berufsschule oder was ?!

KEVIN: [lügt] Ja sicher hab ich ein paar Leute ! [leise] Die's machen könnten ...

DAD: Ich will bloß, daß du weißt, worauf du dich einläßt. Streichen ist schwer genug, wenn man es richtig kann. [nimmt die Fernbedienung und stellt den Fernseher ab]

ERZÄHLER: Da war er wieder, der unermüdliche Rückhalt der geliebten Familie !

[KEVIN steht auf. Auf dem Weg in die Küche kommt er an WAYNE vorbei, der am Wohnzimmereßtisch sitzt.]

WAYNE: Hoffentlich ist es so ein Malen-nach-Zahlen-Haus !

KEVIN: Schnauze, Blödsack !

ERZÄHLER: Wenn es eins gab, was ich nicht gebrauchen konnte, dann war es eine Familie, die mich runterzog !

INT. VORMITTAG. SCHULKORRIDOR
Pause, Lärm, zuknallende Schließfächer. Dazwischen steht KEVIN RICKY und RANDY gegenüber.

RANDY: Bist du völlig bescheuert ?!

ERZÄHLER: Dafür hatte ich nämlich schon meine Freunde !

RANDY: Ein ganzes Haus sollen wir neu streichen ?!

RICKY: Das hört sich nach Arbeit an.

KEVIN: Ich dachte nur, daß ihr Geld braucht.

[Die beiden zögern.]

RANDY: Was willst du dafür zahlen ?

ERZÄHLER: Mal überlegen - 500 durch 3, das ergibt ...

KEVIN: Einen Zwanziger für jeden.

[RICKY und RANDY blicken sich an - und brechen in Gelächter aus. Sie drehen sich um und lassen KEVIN allein stehen.]

ERZÄHLER: Na gut ! Wenn sie's nicht anders wollten - bitte !

INT. TAG. LERNRAUM
KEVIN sitzt allein an einem der Tische und klopft mit einem Bleistift vor sich hin. Es klingelt.

ERZÄHLER: Ich brauchte die beiden gar nicht ! Was ich brauchte waren Männer - Männer, die Freude an ihrer Arbeit hatten, Männer, die kräftig anpackten ! [KEVIN legt den Bleistift weg] Männer wie ...

[KEVIN blickt sich um und entdeckt an einem nahen Tisch drei verschlafene, vor sich hin spielende, vertrottelte Gestalten.]

ERZÄHLER: ... Jimmy Donnelly, Eddie Horvath und Joey Spinoza ! [KEVIN geht zu ihnen hinüber] Ich weiß nicht - vielleicht war es Instinkt, aber irgendwie wußte ich, daß ich meine Mannschaft gefunden hatte !

KEVIN: [räuspert sich] Leute ? [ihm wird keine Beachtung geschenkt] Wollt ihr ein paar Dollar verdienen ?

[Die drei blicken ihn an, hören auf zu spielen und setzen sich erst einmal halbwegs gerade hin.]

ERZÄHLER: Bingo !

JOEY: Dollar ?

INT. NACHMITTAG. HEIMWERKERLADEN
JIMMY und EDDIE betrachten stumpfsinnig eine Dose Farbe, die durch einen Motor hin- und hergeschüttelt wird und folgen jeder ihrer Bewegungen. Währenddessen sucht KEVIN die passenden Farbeimer zusammen.

ERZÄHLER: Und damit war mein Team vollständig. Gut, sie hatten vielleicht nicht viel Erfahrung, aber sie hatten auch ihre guten Seiten ! Sie arbeiteten hart, sie arbeiteten schnell. Und vor allem arbeiteten sie ... billig !

JOEY: [nähert sich KEVIN] Arnold ! Du sagst, ein paar Dollar - an wieviel Dollar hast du da genau gedacht ?

KEVIN: Ich weiß nicht genau. Zuerst muß ich Material kaufen, die Unkosten reinkriegen ...

JOEY: Ich will 'ne Zahl von dir hören !

KEVIN: Zwanzig. [keine Reaktion; unsicher] Oder ? [keine Reaktion] 23,90. [Pause]

JOEY: Dreißig !

KEVIN: Dreißig ?!

ERZÄHLER: Der Typ wollte also die knallharte Tour !

KEVIN: Dann laß es ! 26 ist meine Obergrenze !

JOEY: 28 ! Weiter geh ich nicht runter.

KEVIN: 27 ! [JOEY denkt nach]

JOEY: Ich rede mit meinen Jungs. [geht zurück]

ERZÄHLER: [lacht gehässig] Hehe ! Damit gingen Spiel, Satz und Match an Arnold ! Bei etwa 80 Dollar für Lohn plus Materialkosten würde mir von den 500 ein kleines Vermögen übrigbleiben.

[KEVIN stellt die Eimer und die restliche Ausrüstung auf die Theke. Der Kassierer, MR. GLIDDEN beginnt abzurechnen.]

MR. GLIDDEN: Also schön: 142 für die Farbe [tippt es in die Kasse ein] und 32 für die Pinsel, 31 für die Rollen, 16 Dollar für die Folien.

ERZÄHLER: Ein sehr kleines Vermögen !

KEVIN: Für die Farbe 142 ?! Wie errechnet sich das ?!

MR. GLIDDEN: [sarkastisch] Durch Addieren ! Das macht dann insgesamt 258,88.

JOEY: [kommt dazu; zu KEVIN] Okay. Wir machen's.

ERZÄHLER: Es war als würde ich zusehen, wie mein Portemonnaie verblutete ! Aber wenigstens war der Blutsturz jetzt vorbei !

MR. GLIDDEN: [grinst] Plus Steuern !

EXT. MORGEN. MISS FARMERS HAUS
KEVIN, JIMMY, JOEY und EDDIE kommen vor MISS FARMERs Haus an. Alle tragen weiße Malerhosen. Sie bleiben im Vorgarten stehen und blicken sich erst einmal das Haus an. Ein Hahn kräht.

ERZÄHLER: Trotzdem waren wir am nächsten Morgen pünktlich da, bereit, die vor uns liegende Aufgabe anzupacken !

JOEY: Warte mal, Arnold !

ERZÄHLER: Es gab nur einen kleinen Haken:

JOEY: Du hast uns nicht gesagt, daß der Kasten zwei Stockwerke hat !

KEVIN: Das sind doch keine zwei Stockwerke !

JOEY: Da oben ist ein Fenster, oder ?!

[Da oben sind sogar zwei Fenster - zwei Dachfenster ! Die Fassade an sich reicht über das Erdgeschoß nicht hinaus.]

JOEY: Da mußt du wohl etwas mehr rausrücken - da läuft nichts unter ... 50 !

KEVIN: [fassungslos] 50 ?! Aber euer Preis ist ...

JOEY: ... 50. Im Voraus. Auf die Hand !

ERZÄHLER: Dieser Überfall wäre eines Jesse James würdig gewesen ! Und das ließ ich mir nicht bieten !

[JIMMY, JOEY und EDDIE strecken demonstrativ ihre Hände in KEVINs Richtung aus.]

KEVIN: Auf keinen Fall ! Niemals. Vergeßt es !

JOEY: Aber Arnold ...

KEVIN: Wir haben eine Abmachung, Donnelly ! Und Abmachungen werden nunmal eingehalten !

ERZÄHLER: Ich war doch kein Volltrottel ! Das Ganze war für mich schließlich eine Geldanlage !

[In diesem Augenblick öffnet MISS FARMER die Tür, kommt heraus und beobachtet die vier.]

MISS FARMER: Kevin !

ERZÄHLER: Unglücklicherweise brach in diesem Moment die Börse zusammen !

MISS FARMER: Ich freu mich so, daß ihr hier seid, Jungs ! Na, was ist, wollt ihr gleich anfangen ?

KEVIN: Äh, natürlich ! Jeden Augenblick !

MISS FARMER: [lächelt] Schön ! [hebt die Tageszeitung auf, liest schon einmal die Schlagzeile und wartet]

JOEY: Also, Arnold - sind wir uns einig ?

KEVIN: Gut !

ERZÄHLER: Was hätte ich machen sollen ? Ich war Matt gesetzt. Die Gier und die Versuchung hatten sich gegen mich verschworen.

KEVIN: Jetzt wird gearbeitet, okay ?

JOEY: Klar.

ERZÄHLER: Es gab nichts mehr zu sagen, außer ...

JOEY: Jungs ... Pause ! [sie gehen]

ERZÄHLER: [seufzend] Ja.

[Später. Die vier legen ein großes Tuch aus und beginnen, die Farben zu mischen.]

ERZÄHLER: An dem Wochenende fingen wir also mit der Arbeit an. Wir rauften uns zusammen und wurden ein Team ! Es war Zeit, finanzielle Uneinigkeiten hinter uns zu lassen ! Es war Zeit zu streichen. Gut, wir hatten vielleicht keine Ahnung von dem, was wir machten - na und ? Was uns an Erfahrung fehlte, glichen wir aus durch ... [KEVIN beobachtet EDDIE bei dem, was er Arbeit nennt] ... das Fehlen von Erfahrung. Und nach zwei Tagen Arbeit war eins sonnenklar: Es war eine Katastrophe !

KEVIN: [gereizt] Könnt ihr nicht ein bißchen schneller machen ?!

JOEY: [gelassen] Wir machen so schnell wir können.

KEVIN: Donnelly, wie wär's, wenn du das Fenster da oben streichst !

JOEY: Ich habe Höhenangst !

KEVIN: Aber ich bezahle dich für zwei Stockwerke !

JOEY: Ja, ich weiß. Das find ich nett !

[JIMMY steht auf der Leiter, streicht über der Haustür - und wirft den Farbeimer hinunter.]

JIMMY: [trocken] Hey Arnold - ich glaube die Farbe reicht nicht !

ERZÄHLER: Zeit war Geld. Farbe war Geld ! Es war ganz klar, was ich tun mußte !

[Ein Marsch wird gespielt. KEVIN macht sich auf den Weg zum Garten hinter dem Haus.]

ERZÄHLER: Ich mußte Miss Farmer um weitere hundert Dollar bitten ! Das sollte nicht schwer sein - es war rein geschäftlich ! Eine finanzielle Frage - mit etwas anderem hatte das nichts zu tun !

[Der Marsch endet und eine kurze, leidenschaftliche Saxophonmelodie beginnt, als KEVIN um die Ecke schreitet, das kleine Gartentor öffnet und MISS FARMER erblickt - auf ihrem Liegestuhl, in einem braun-weiß-gestreiften Badeanzug, mit einer Sonnenbrille sowie Stift und Zeitung.]

ERZÄHLER: Es hatte nichts mit langen Beinen zu tun, mit weicher Haut und dem Duft einer Frau in der Sonne.

KEVIN: Miss Farmer ? Haben Sie einen Moment Zeit ?

MISS FARMER: [nimmt die Sonnenbrille ab] Hi Kevin.

KEVIN: Äh ... hi.

MISS FARMER: Also das sieht vermutlich albern aus, wie ich mich hier sonne - ohne einen Pool ...

ERZÄHLER: Aber irgendwie war "albern" nicht das Wort, das mir durch den Kopf ging.

MISS FARMER: Und ? Wie läuft es ?

KEVIN: Prima - bis auf eins ... Na ja, eigentlich ... wollte ich Ihnen sagen, daß es leider teurer wird, als ich dachte.

MISS FARMER: Wirklich ? Sowas solltest du sofort sagen ! Du kannst immer zu mir kommen, wenn du ein Problem hast !

ERZÄHLER: Donnerwetter ! Das war ja noch leichter, als ich gehofft hatte ! [MISS FARMER greift in ihre Tasche, die am Kopfende der Liege hängt, und holt einen Stapel Geldscheine hervor] Ich war saniert, ich war finanzkräftig - ich hatte wieder Kohle !

MISS FARMER: Hier. Da hast du nochmal zehn Dollar. [lächelt und gibt ihm einen einzigen Schein. Sie packt den Rest zurück]

ERZÄHLER: [ernüchtert] Ich arbeitete ... für einen Hungerlohn !

KEVIN: [ernüchtert] Danke.

MISS FARMER: [lächelnd] Ich helfe doch gern.

INT. TAG. HEIMWERKERLADEN
Derselbe Laden, dieselbe Theke - derselbe Verkäufer. Und wieder steht KEVIN mit mehreren Eimern Farbe an der Kasse.

MR. GLIDDEN: [rechnet ab] Farbe, Farbentferner, Pinsel, ein paar Rollen. Ist das alles ?

KEVIN: [widerstrebend] Die Leiter.

MR. GLIDDEN: Oh ja ! [tippt den Preis ein] Fangen Sie mit einem neuen Haus an ?

KEVIN: Mit 'nem ganzen Häuserblock !

[Das war ironisch gemeint, aber MR. GLIDDEN grinst trotzdem vor Freude.]

MR. GLIDDEN: Ohhh ! Gut ! Dann rechnen wir mal zusammen: Das sind 44 Dollar.

ERZÄHLER: Es war unfaßbar ! Wieder 44 Dollar aus dem Fenster geworfen ! Mein einst sagenhaftes Vermögen war nun völlig weg !

MR. GLIDDEN: [lächelt] Plus Steuern !

[KEVIN klatscht ihm verärgert das Geld in die Hand.]

MR. GLIDDEN: Danke.

EXT. TAG. MISS FARMERS HAUS
KEVIN steht auf der Leiter und streicht.

ERZÄHLER: Ich war vollkommen blank ! Ich konnte nur hoffen, meine Verluste klein zu halten und den Job fertigzumachen, bevor er mich fertigmachte !

[JIMMY steht neben der Leiter und starrt durch ein Fenster ins Haus.

JIMMY: Donnelly ! Komm mal her !

[JOEY und EDDIE gesellen sich zu ihm.]

JIMMY: Da drin !

EDDIE: Whow !

KEVIN: [von der Leiter aus] Hey Leute ! Könnt ihr vielleicht zur Abwechslung mal 'n bißchen streichen ?!

JOEY: Sei nicht so verbissen ! Wir machen Pause !

KEVIN: Okay ! [wirft den Pinsel in den Farbeimer] Das reicht ! [steigt hinunter]

ERZÄHLER: Ich hatte genug ! Ich hatte die Nase voll von diesen Witzfiguren ! Meine Geduld war am Ende !

KEVIN: Ihr habt euch erst vor zwanzig Minuten ausgeruht ! Nun wird's mal Zeit, was zu tun !

JOEY: Ja ja ! [bekommt seinen Blick nicht vom Fenster los]

[KEVIN blickt ebenfalls durch's Fenster - und entdeckt MISS FARMER, die - äußerst leger gekleidet - ihre Möbel putzt.]

ERZÄHLER: Und da traf sie mich, die schreckliche Wahrheit:

EDDIE: Whow !

ERZÄHLER: Ich strich das Haus dieser armen Lehrerin zusammen mit einem ... Haufen Perverser !

KEVIN: Das glaub ich einfach nicht ! Ich bin wirklich, wirklich überrascht ! [die anderen drei drehen sich endlich zu ihm um] Donnelly, Spinoza, Horvath - ich hab euch angeheuert ... und von Anfang an habt ihr bloß Löcher in die Luft gestarrt und vor euch hin gebummelt ! Ab sofort gibt es keine Pausen mehr und es wird nicht mehr gebummelt ! Hab ich mich klar ausgedrückt ?! Ihr werdet voller Stolz weitermachen, ihr werdet arbeiten und ihr werdet nicht aufhören, solange der Job nicht erledigt ist !

ERZÄHLER: Na also ! Wenn das keine aufrüttelnde Rede war ! Es war ein Appell an die gute, altmodische Arbeitsethik, der nur eine Antwort zuließ:

JOEY: Wir gehen. Mach's gut.

KEVIN: Augenblick ! Was soll das heißen ?! [die drei gehen einfach, ohne sich noch einmal umzusehen; KEVIN ruft ihnen hinterher] Ihr könnt nicht einfach gehen ! Ich hab euch schon bezahlt, Leute ! Ich hab euch die Arbeitshosen gekauft ! Und die Handschuhe !

ERZÄHLER: Aber plötzlich ... stand ich allein da.

INT. ABEND. KÜCHE
Abendbrot. Der Tisch ist gedeckt, MOM bringt noch eine letzte Schüssel und setzt sich dann zu DAD, WAYNE und KEVIN.

MOM: Kevin, Schatz, ist alles in Ordnung ?

KEVIN: Ja. Was soll denn sein ?!

WAYNE: Hey, da ist Farbe an meinen Kartoffeln ...

KEVIN: Schnauze, Blödsack !

ERZÄHLER: An diesem Abend war mir weder nach Witzen, noch nach Kartoffeln !

MOM: Ist deine Arbeit auch nicht zu hart ?

KEVIN: Nein ! Mom, es läuft alles bestens ! Glaub mir ! [MOM nickt] Außerdem ... ist es mein Job. [DAD blickt ihn stolz an]

MOM: Ich weiß. Aber du siehst ganz erschöpft aus ! Schatz, wenn du aufgibst, nimmt dir das niemand übel !

KEVIN: [horcht auf; hoffnungsvoll] Niemand ?

ERZÄHLER: Das war ja toll ! Ein ehrenvoller Rückzug war in Sicht ! Ich brauchte bloß zuzugreifen !

DAD: Aufgeben ? Das wird er nicht machen !

ERZÄHLER: Ups.

DAD: Weißt du, Kevin, ich hatte ja erst meine Zweifel, aber nachdem ich sehe, wie hart du arbeitest ... kann ich nur eins sagen: Ich bin beeindruckt, Junge ! [klopft KEVIN auf die Schultern; KEVIN lächelt ironisch]

ERZÄHLER: Und da erkannte ich es: Als ich den Blick meines Vaters sah, seine Bewunderung, sein Vertrauen in mich - seine totale Fehleinschätzung der Situation -, da wußte ich, daß ich nur eins machen konnte:

EXT. ABEND. MISS FARMERS HAUS
KEVIN fährt seinen Wagen direkt vor MISS FARMERs Gartentor, steigt aus, öffnet das Tor und geht zur Tür.

ERZÄHLER: Ich würde aus der Sache einen Profit herausschlagen - und wenn es mich den Kopf kostete ! Gut, ich hatte mich von Schönheit, Lust und Gier verleiten lassen, aber das war vorbei ! Ab sofort hieß es nämlich: Geschäft ist Geschäft !

[MISS FARMER öffnet die Tür. Sie trägt ein verführerisches, rotes, glitzerndes Kleid und umarmt KEVIN. Die Saxophonmusik beginnt wieder.]

MISS FARMER: [verführerisch] Ich warte schon auf dich !

ERZÄHLER: Egal !

KEVIN: Ja ?

[Die Illusion endet, zusammen mit der Musik. KEVIN steht wieder vor der Tür und wartet. MISS FARMER öffnet wieder, allerdings trägt sie ihre normale Kleidung - die zugegeben trotzdem reichlich verführerisch ist.]

MISS FARMER: Kevin !

KEVIN: Oh, hi !

MISS FARMER: Ich freu mich, daß du hier bist ! Kommst du einen Augenblick rein ? [folgt ihr in die Küche] Ich hab gerade eine Limonade gemacht. Möchtest du welche ?

KEVIN: Nein danke. Ich bin hier, weil ich Ihnen was sagen wollte.

MISS FARMER: So ? Was denn ?

ERZÄHLER: In dem Moment fiel mir etwas an Miss Farmer auf, das ich vorher nie gesehen hatte. [KEVINs blickt wandert langsam zur anderen Seite der Küche] Sie hatte einen dicken Mann in ihrer Küche !

[Ein beleibter, älterer Herr mit einem Stift und einem Block in der Hand steht neben dem Tisch und beobachtet die beiden.]

MISS FARMER: Ah, Kevin, das ist Mr. Kaplan - der neue Besitzer meines Hauses.

KEVIN: Was ?!

MR. KAPLAN: Bitte, Lisa - Dave !

MISS FARMER: [bringt es kaum über die Lippen] Heute haben wir den Vertrag fertiggemacht.

ERZÄHLER: Ich konnte es nicht fassen ! Das hatte sie mir tatsächlich angetan ?!

KEVIN: Sie wollen umziehen ?

MISS FARMER: Nicht weit weg. Nur in ein Appartment in der Stadt. [seufzt] Ach, ich liebe dieses Haus ! Als ich damals hier eingezogen bin, dachte ich, ich heirate irgendwann, werde Mutter und ziehe in dem Haus meine Kinder groß. [MR. KAPLAN bedeutet KEVIN mit einem Seitenblick, daß er wohl nicht abgeneigt wäre, der Vater zu sein.] Aber ich weiß nicht, was in dieser Gegend los ist - der Postbote, mein Nachbar mit seinem Rasenmäher ... Diese Männer sehen eine alleinstehende Frau und schon versuchen sie, sie auszunutzen.

KEVIN: [blickt zu Boden] Oh.

MR. KAPLAN: [blickt zu Boden] Oh.

ERZÄHLER: Und ungefähr da dämmerte mir langsam aber sicher, was sich hier wirklich abspielte !

KEVIN: Wenn das so ist, soll ich das Haus vermutlich nicht mehr zuende streichen, oder ?

MISS FARMER: Aber Kevin, natürlich sollst du das ! Wir haben eine Abmachung, was das angeht, oder ?

ERZÄHLER: Ich konnte mir schon denken, was gleich kommen würde !

MISS FARMER: Und Abmachungen werden eingehalten.

ERZÄHLER: Da war er, [abfällig] der goldene Grundsatz, eine der großen Wahrheiten !

[KEVIN entscheidet, sich lieber an den neuen Besitzer, MR. KAPLAN, zu wenden und geht zu ihm hinüber.]

KEVIN: Mr. Kaplan, dieser Anstrich wird langsam ziemlich teuer. Um ihn fertigzumachen brauch ich noch etwas Geld.

MR. KAPLAN: Frag mich nicht, Kleiner ! [mit einem Seitenblick auf MISS FARMER] Ich habe gerade 55 Riesen für ein 40.000-Dollar-Haus ausgegeben !

ERZÄHLER: In einer Welt, in der jeder den anderen ausnutzt, sind Sex und Geld nunmal entscheidende Größen. Für uns alle.

INT. VORMITTAG. SOZIALKUNDEUNTERRICHT
KEVIN liegt mehr auf seinem Tisch als er daran sitzt, hört MISS FARMER gelangweilt zu und macht sich Notizen.

MISS FARMER: Die Jugendlichen in Afrika führen ein Leben, das sich von eurem bei weitem unterscheidet.

ERZÄHLER: Ich sah Miss Farmer auch weiterhin jeden Tag, aber irgendwie war es einfach nicht mehr dasselbe.

EXT. TAG. MR. KAPLANS HAUS
KEVIN steht auf der Leiter und streicht immernoch die Fassade. Laub fällt von den Bäumen.

ERZÄHLER: In gewisser Weise hat sie mir sogar einen Gefallen getan: Sie hat mir eine Lektion für's Leben erteilt, nämlich: Wenn schöne Frauen und Geld im Spiel sind, werden immer Leute auf der Strecke bleiben. Der Kerl, der auf einer Leiter steht, mitten im November ...

[MR. KAPLAN, der inzwischen eingezogen ist, kommt im Bademantel vor die Haustür, hebt die Zeitung auf und guckt zu KEVIN empor.]

MR. KAPLAN: Hey ! Da oben hast du 'ne Stelle übersehen !

ERZÄHLER: ... und der Kerl, der am Ende allein ist. Ich weiß nur, daß ich insgesamt sechs Wochen gebraucht habe, um das Haus fertigzustreichen. Es hat mich 240 Dollar von meinem eigenen, hartverdienten Geld gekostet. Und im darauffolgenden Frühling verkleidete Mr. Kaplan alles mit einer Aluminiumfassade.

CLOSING TITLES
Dieses Transcript wurde von Daniel G.



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09/10/01 19:50