Folge 96: Immer auf Hochzeiten
Teleplay: Jon Harmon Feldman

Story: Michael Curtis & Gregory S. Malins



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OPENING SEQUENCE
Orgelmusik auf einer Hochzeit. Der Brautvater, ARTHUR Jenson führt seine Tochter, CANDY zum Altar, wo der REFEREND auf sie wartet.

ERZÄHLER: Ich glaube, Hochzeiten bedeuten für jeden etwas anderes. Für manche sind sie einfach eine Gelegenheit, sich zu amüsieren, für andere hat die Hochzeit eine tiefere Bedeutung, für manche ist sie eine Zeit des Nachdenkens [einer der Gäste schläft und schnarcht laut], für andere eine Zeit des Bedauerns [ein Ehemann blickt seine Frau ärgerlich an] - eine Gelegenheit, sich vor Augen zu führen, wie weit man im Leben gekommen ist.

NORMA: Es ist ja so wunderschön !

ERZÄHLER: Im Vergleich zu denen, die gerade anfangen.

[ARTHUR hat seine Tochter bis zum Altar gebracht und küßt sie noch einmal. Er tritt zurück und der Bräutigam stellt sich neben sie.]

REFEREND: Wir sind heute hier, um Zeuge zu sein, wenn Candy und Peter den heiligen Bund der Ehe schließen. Wer ist der Vater der Braut ?

ARTHUR: Ich, Referend.

ERZÄHLER: Die Braut war die Tochter von Arthur Jenson, dem Chef meines Vaters. Zu Dads Glück mochte Jenson ihn genug, um ihn mitsamt seiner engsten Familie einzuladen. Zu meinem Unglück gehörte ich zu dieser engsten Familie !

REFEREND: Willst du den hier anwesenden Peter Rotelli zu deinem Manne nehmen, ihn lieben und ehren in guten wie in schlechten Zeiten, bis das der Tod euch scheidet, ...

[WAYNE spielt mit einer Münze und läßt sie ausversehen fallen. Das Scheppern ist im ganzen Saal zu hören.]

JACK: [flüstert] Seid still !

REFEREND: ... dann antworte mit ja !

CANDY: Ja !

REFEREND: Dann erkläre ich euch zu Mann ... und Frau.

[CANDY und PETER küssen sich, die Gäste klatschen und die Orgelmusik beginnt wieder.]

ERZÄHLER: Und damit wurde aus Miss Candy Jenson Mrs. Peter Rotelli. Und meine Mutter verlor völlig die Beherrschung ! [NORMA schnieft in ihr Taschentuch]

INT. VORMITTAG. AUTO
NORMA ist immernoch ganz verheult. Zwischen ihr und JACK steht ein riesiges Geschenkpaket.

JACK: [ärgerlich] Norma, alles okay ? Das waren jetzt 20 Minuten !

NORMA: [weinend] Mich bringen Hochzeiten nunmal zum Weinen ! [schnaubt aus]

ERZÄHLER: Hochzeiten, Bar-Mitzvahs und scharfe Chilischoten !

NORMA: Es war eine wunderschöne Feier ! Die beiden passen so phantastisch zusammen !

ERZÄHLER: Man kann sagen, daß wir alle ziemlich beeindruckt waren !

JACK: Hätt ich das doch bloß schon alles hinter mir !

KEVIN: Find ich auch.

WAYNE: So ein Blödsinn ! Weißt du nicht, daß man auf Hochzeiten am allerbesten Frauen abschleppen kann ?!

KEVIN: Als ob gerade du das wüßtest !

WAYNE: [sarkastisch] Aha ! In der Reihenfolge: Auf Hochzeiten, äh, Beerdigungen, äh, Flughafenwartehallen, in ...

ERZÄHLER: Trotz Waynes gesammelter Erfahrungen wollte ich die Frauen an diesem Tag einmal vergessen !

WAYNE: ... auf **** ...

ERZÄHLER: Na ja, zumindest eine Frau !

INT. NACHT. AUSSICHTSPUNKT
WINNIE sitzt neben KEVIN in seinem Auto und sieht ihn böse an.

WINNIE: Du weißt genau, was du gemacht hast, Kevin !

KEVIN: Ah, was denn ?

ERZÄHLER: Ganz ehrlich: Wenn man mich heute fragen würde, was ich gemacht hatte - ich wüßte es nicht mehr !

KEVIN: Was war es ? Sag schon ! [keine Antwort] Sag mir wenigstens die Richtung !

WINNIE: Wenn du etwas sensibler wärst, dann du würdest du das ganz allein erkennen !

KEVIN: Aber Winnie, ich ...

WINNIE: Und erzähl mir bloß nicht, du liebst mich ! Das zieht diesmal nicht.

ERZÄHLER: Damit war der Fall erledigt. Angeklagt, verurteilt und gehängt.

INT. VORMITTAG. AUTO
Zurück im Auto.

ERZÄHLER: Und nun hörte ich mir auch noch das hier an !

WAYNE: ... an Taxiständen, Hundebadestellen ...

ERZÄHLER: Was Frauen und Hochzeiten anging, nahm ich eine ziemlich klare Position ein:

KEVIN: [zu sich selbst] Ich hasse das alles !

[NORMA schnaubt schon wieder in ihr Taschentuch. JACK blickt sie ärgerlich an.]

INT. NACHMITTAG. FEIER
JACK, NORMA, WAYNE und KEVIN stehen nebeneinander und werden vom Brautvater begrüßt. Neben ihm steht CANDY.

ARTHUR: Die Arnolds ! [klopft JACK auf den Arm und lacht gekünstelt]

ERZÄHLER: Art Jenson ! Wenn es um meine Familie ging, hatte er das Herz auf dem rechten Fleck !

ARTHUR: Norma ! Oh Norma, wie gut Sie aussehen ! [umarmt sie. Sie fühlt sich sichtlich unwohl]

ERZÄHLER: Und wenn es um meine Mutter ging, waren seine Hände überall !

ARTHUR: Ach, Norma, Norma, Norma ! Wann werden Sie Jack verlassen und mit mir durchbrennen, hä ? [lacht wieder; NORMA lacht aus Freundlichkeit mit] Jackie, Junge ! Schön, daß ihr da seid !

NORMA: Wo ist Beverly ?

ARTHUR: Sie sitzt im Bad und weint sich die Augen aus dem Kopf, so sehr freut sie sich ! Ich hab drei Monatsgehälter hierfür ausgegeben und meine Frau sieht es nicht !

NORMA: Kevin und Wayne.

ARTHUR: [zu KEVIN] Hallo !

KEVIN: Hallo. [schüttelt ihm die Hand]

ARTHUR: Und Wayne. [erschüttert] Wayne, Wayne, Wayne, Wayne ... Vielleicht ist das der falsche Zeitpunkt, es dir zu sagen, aber ... Wir müssen bei Norcom Personal abbauen und deshalb müssen wir dir kündigen. [WAYNE blickt ihn überrascht und fassungslos an] Das ist nur ein Scherz !! [lacht und boxt WAYNE in den Magen, daß er sich krümmt] Candy, du hast Wayne doch bei der Arbeit kennengelernt, oder ?

CANDY: [lächelt unsicher] Ehrlich gesagt glaub ich nicht, daß wir uns schon begegnet sind.

WAYNE: Weißt du nicht mehr, wir sind letzten August sogar miteinander ausgegangen !

CANDY: Äh, n... nicht das ich wüßte.

JACK: [zu ARTHUR] Danke für die Einladung !

ARTHUR: Ach, ich danke euch, daß ihr gekommen seid !

ERZÄHLER: Und damit gingen die Feierlichkeiten los. Offiziell.

JACK: [beginnt, die anderen Gäste zu begrüßen, die in einer Reihe stehen] ... Sehr erfreut !

[KEVIN geht ebenfalls die Reihe durch und begrüßt alle, ohne eigentlich zu beachten, wer vor ihm steht.]

ERZÄHLER: Nicht, daß mir solche Anlässe fremd wären ! Ich wußte, wie sowas läuft, kannte das aufgesetzte Lächeln, den Smalltalk ...

LINDA: Hi ! [lächelt KEVIN an]

ERZÄHLER: ... die unglaublichen Frauen !

LINDA: Linda Karr.

KEVIN: Hi ! Kevin. Kevin Arnold.

LINDA: Hi, Kevin Kevin Arnold !

KEVIN: Hallo. Ziemlich was los hier, hä ? Und die Trauung war auch klasse.

ERZÄHLER: Na ja, ein bißchen Freundlichkeit konnte ja nicht schaden, oder ?

LINDA: [deutet neben sich] Das ist Tante Muriel !

TANTE MURIEL: Ist das ein süßer junger Mann ! Niedlich ! Ich wollte gerade sagen, ich schüttele niemandem mehr die Hand, selbst wenn ich dafür bezahlt werde, aber bei dir ist das natürlich etwas anderes ! [lacht]

KEVIN: [unwohl, sarkastisch] Danke.

ERZÄHLER: [ernüchtert] Aha. Alles in allem war klar, daß das ein Superabend werden würde ! Es gab nette Leute, es gab Tanz und Musik, [KEVIN blickt zu einer Fünfziger-Jahre-Band, die auf der Bühne langsame Songs spielt] - oder sowas ähnliches -, es gab ein Büffet, es gab Blumen und reichlich zu Trinken. Leute, die kaum mehr gehen konnten, standen auf und tanzten [KEVIN blickt zu einem alten Ehepaar auf der Tanzfläche], kleine Kinder rutschten über den Boden wie Icehockey-Pucks [zwei Jungen schlittern auf dem Parkett entlang; ironisch] - und freundliche Menschen aus allen Schichten setzten sich und aßen zusammen.

[Später. KEVIN und WAYNE sitzen nebeneinander am Tisch mit drei anderen Gästen (alle Anfang 20).]

MORGAN: Da wir nun schon diesen Tisch miteinander teilen, sollten wir uns doch ruhig vorstellen.

ERZÄHLER: Ich konnt' es kaum abwarten !

MORGAN: [arrogant und überheblich] Ich fange an ! Mein Name ist Morgan, ich höre oft Schallplatten und sehe gern alte Filme - außerdem bin ich Jurastudent.

CYNTHIA: [neben MORGAN] Ich bin Cynthia. Ich studiere Medizin. [lacht] Und was ist mit dir ? [Sie meint WAYNE, der mit einer Messer an seinen Zähnen rumspielt]

WAYNE: Ich bin Wayne. Gib mal das Ketchup her !

ERZÄHLER: Ja, es ging nichts über den patentierten Arnoldschen Eisbrecher !

ANDREA: [neben KEVIN] Ich habe nur einen Eierstock.

KEVIN: Was ??

ANDREA: [gereizt] Ich kann darüber ganz offen sprechen, weil mich das nämlich überhaupt nicht stört.

KEVIN: Das ist schön.

CANDY: [kommt dazu; fröhlich] Hi ! Ich hoffe, daß ihr euch gut amüsiert !

MORGAN: Wir amüsieren uns großartig ! Du siehst großartig aus !

CANDY: Gefällt es dir denn auch, Kevin ?

KEVIN: Ja ! Es ist ... es ist ... großartig.

CANDY: Na prima. Äh, nicht vergessen, es gibt da vorne am ...

WAYNE: Hi !

CANDY: [unwohl] ... äh, da vorne, am Büffett, gibt's noch Essen. [beeilt sich wegzukommen]

WAYNE: Sie hat mich sicherlich ... übersehen.

ERZÄHLER: [ironisch] Ja.

ANDREA: Macht es jemandem was aus, wenn ich diesen Strauß behalte ? Er wird nach der Feier ohnehin weggeschmissen !

ERZÄHLER: Soviel zum Abendessen.

[Später. KEVIN steht am Büffet und spielt mit dem Schnabel eines Glasschwans.]

ERZÄHLER: Ich hatte beschlossen, nicht weiter aufzufallen, im Hintergrund zu bleiben ... [KEVIN wirft den Schwan um. Einige umstehende Gäste sehen ihn ärgerlich an] ... na ja, in der Menge unterzutauchen. Aber während ich mit der Dekoration kämpfte, ...

ARTHUR: [auf der Tanzfläche, mit NORMA] Kommen Sie, Norma, tanzen Sie mit mir - ich bitte Sie !

NORMA: Vielleicht nachher ...

ERZÄHLER: ... kämpfte Mom gegen etwas anderes.

ARTHUR: Nur ein Tanz, ja ?

[NORMA kippt ARTHUR, vielleicht ausversehen, vielleicht absichtlich, ihren Champagner auf den Smoking.]

ERZÄHLER: Mit allen Mitteln !

ARTHUR: Ist schon okay, schon okay ! Macht überhaupt nichts.

LINDA: [steht plötzlich hinter KEVIN] Hi Kevin Kevin Arnold !

KEVIN: [dreht sich um] Oh. Hi ! Ich heiße nur Kevin, das genügt.

LINDA: Hast du auch so'n Riesenspaß ?

KEVIN: [lügt] Ja, es ist toll hier.

LINDA: Ich langweile mich zu Tode. Ich finde, Liebende sollten der Welt einen Gefallen tun und einfach durchbrennen.

KEVIN: Ja. [lächelt] Das wär 'n Fortschritt.

ERZÄHLER: Bitte lauf nicht weg ! Ich versprech dir, ich sage gleich etwas Interessantes !

LINDA: Oh, sag mal, wie alt bist du eigentlich ?

ERZÄHLER: Äh, mal sehen ...

KEVIN: 19.

ERZÄHLER: Ausgezeichnet !

KEVIN: Ich bin Erstsemestler an der State-Uni !

LINDA: So ! Ein Akademiker also !

KEVIN: Ja. Das bin ich.

LINDA: Weißt du ... was wirklich Spaß macht ? Das heißt, wenn du auf Spaß stehst. Stehst du auf Spaß, Kevin Kevin ?

KEVIN: Ja. Logisch. Ich liebe Spaß.

LINDA: Schön, ähm ... hast du etwas Gras ?

KEVIN: [entsetzt] Gras ?! Hier ?

ERZÄHLER: Klar ! In der Garderobe hatte ich 'n ganzes Kilo versteckt !

KEVIN: Tut mir leid. Ist mir gerade ausgegangen. [kurze Pause]

LINDA: Jammerschade. Das wär 'n Spaß gewesen ! Na ja. Wiedersehen. [geht]

ERZÄHLER: Das hätte ein Wendepunkt werden können. Gut, ich hatte Winnie - aber das hier war eine Hochzeit ! [KEVIN folgt LINDA] Und wenn Hochzeiten Romantik boten, einmalige Gelegenheiten, zarte Begegnungen mit dem Unerwarteten ...

KEVIN: Linda ?

ERZÄHLER: ... dann war ich hier genau richtig !

LINDA: Ja ? [kurze Pause]

KEVIN: Ich kann uns sicher Champagner besorgen.

LINDA: Wir treffen uns in einer halben Stunde im Pavillon, okay ?

KEVIN: Gut. Also im Pavillon.

ERZÄHLER: Wo auch immer das war. Und plötzlich war durch Lindas Worte alles anders geworden ! Die nervenden Gäste, Arthur Jenson, sie alle wurden zu unbedeutenden Statisten für das Hauptereignis des Tages ! Anders konnte man es nicht ausdrücken. Das waren auf jeden Fall gute Aussichten !

[Später.]

ERZÄHLER: Als aus dem Nachmittag Abend wurde, veränderte sich einiges. Die Musik wurde langsamer, der Champagner floß. [ironisch] Die Romantik überwältigte alle. Zumindest Arthur Jenson.

[ARTHUR Jenson tanzt immernoch mit NORMA.]

ARTHUR: Was Sie an haben sieht wirklich phantastisch aus.

NORMA: [geschmeichelt] Och, das ist doch nichts weiter.

ARTHUR: Nichts weiter ? Wenn das nichts weiter ist, dann würd ich gern was Besonderes sehen ! [zieht NORMA dichter an sich]

[KEVIN ist inzwischen zur Bar gegangen.]

ERZÄHLER: Was mich anging ...

KEVIN: Barkeeper !

ERZÄHLER: ... - ich war auf einer Mission.

KEVIN: Entschuldigung ! [keine Reaktion] Entschuldigen Sie bitte !

ERZÄHLER: Es gab nur ein kleines Problem.

KEVIN: [zu sich selbst] Was muß ich hier anstellen, um was zu Trinken zu kriegen ?

[Das Paar neben KEVIN verläßt die Bar - und plötzlich stehen sich er und JACK gegenüber.]

JACK: Hey Kev.

KEVIN: Dad ! Was tust du denn hier ?

JACK: Was meinst du ? [kommt näher]

KEVIN: Na ja, solltest du nicht auf der Tanzfläche sein und mit Mom tanzen oder sowas ?

JACK: [traurig] Geht nicht. Sie tanzt schon längst.

[In diesem Augenblick kommen NORMA und ARTHUR hinzu.]

ARTHUR: Ihre Frau ist 'ne richtige Ballerina ! Ehrlich, Jack ! Und ihr steht so traurig hier rum - spielen Ihre Hühneraugen etwa verrückt oder was ist mit Ihnen ? Bedienung ! Ich will dir was sagen, Jack: Einfach alles hier kostet ein Schweinegeld ! Blumen - Sie können sich ja nicht vorstellen, wie teuer ein paar Tulpen sind ! Wenn die Servietten in ****form gefaltet werden sollen, kostet das extra ! Vielleicht kündige ich bei Norcom und geh in die Gastronomie ! [lacht] Ach Jack, mir gefällt ihr Lebensstil - alles ist so schön einfach ! Nicht zu vergessen: Sie haben Norma ! Meine Güte - ich würde manchmal gerne mit Ihnen tauschen ! Vorausgesetzt natürlich, ich würde mein Gehalt weiterkriegen ! [lacht wieder; JACK blickt in gereizt an, aber er bemerkt es nicht]

ERZÄHLER: Aber wenn Dad von mir Hilfe erwartete, ...

KEVIN: Ich geh jetzt los. [eilt davon]

ERZÄHLER: ... dann mußte ich ihn leider enttäuschen.

ARTHUR: Möchten Sie etwas trinken ?

[Kurz darauf: WAYNE sitzt allein an einem Tisch und grinst KEVIN, der vor ihm über den Tisch gebeugt steht, an. Vor ihm steht eine Champagnerflasche !]

KEVIN: Bitte ! Gib mir schon was von dir ab, Wayne !

WAYNE: Hol dir deinen eigenen Champagner !

KEVIN: Ich würd es für dich auch tun !

WAYNE: Weißt du, das glaub ich dir sogar. Ich könnte dir die Flasche überlassen - und wenn es bloß nach mir ginge, würde ich sie dir sofort geben.

ERZÄHLER: Bingo !

WAYNE: Aber ... laut Gesetz zum Schutz der Jugend darfst du noch nicht trinken. Ich würde mich strafbar machen. Deshalb geb ich dir nichts ab. Denn das wollen wir doch nicht !

ERZÄHLER: Klasse ! Plötzlich war mein Bruder Justizminister geworden !

CANDY: [einige Tische weiter] Hallo ! Hallo.

WAYNE: [starrt sie an] Candy ! [steht auf] Candy, warte auf mich ! [kommt an KEVIN vorbei] Hier, halt mal. [drückt ihm die Champagnerflasche in die Hand und eilt weiter]

ERZÄHLER: Und schon hatte ich das Sprudelzeug !

[KEVIN beobachtet WAYNE, der inzwischen an CANDY herangekommen ist.]

WAYNE: Hi. Bekomm ich einen Tanz mit der Braut ?

CANDY: Nein, das kann ich nicht machen.

WAYNE: Äh, etwas später vielleicht ?

CANDY: Nein, ich ... glaube, später geht es auch nicht.

[CANDY dreht sich verunsichert um und eilt davon. WAYNE kommt zurück.]

KEVIN: Schön gemacht, Ekelsack !

ERZÄHLER: Das ... war vielleicht ein Fehler.

WAYNE: Gib das her ! [nimmt KEVIN die Flasche wieder ab]

KEVIN: Hey !

ERZÄHLER: Und weg war sie, meine letzte Chance auf Romantik, auf ein heimliches Liebesabenteuer - meine letzte Chance bei Linda.

[KEVIN erblickt LINDA, die alles beobachtet hat und ihn nun enttäuscht anblickt. Er macht sich auf den Weg zur Bar, wo JACK immernoch steht.]

JACK: Danke. Hier, bitte schön.

ERZÄHLER: Und dann, gerade als alles hoffnungslos aussah, geschah ein Wunder. Plötzlich stand der Erfüllung meines Schicksals nichts mehr im Wege.

TANTE MURIEL: Da bist du ja, mein Hübscher !

ERZÄHLER: Nichts außer dem Lichtdouble der Königinmutter.

TANTE MURIEL: Kriege ich jetzt meinen Tanz, ja ?

KEVIN: Äh ...

[Zu spät. Er wird auf die Tanzfläche gezogen. TANTE MURIEL führt, was ihr aber nicht viel ausmacht.]

TANTE MURIEL: Oh ! Deine Arme sind ja unglaublich stark ! Du kannst mich bestimmt hochheben wie eine Feder !

ERZÄHLER: Klar - eine von diesen seltenen 180-Pfund-Federn !

TANTE MURIEL: Willst du es versuchen ?

KEVIN: Oh nein. [korrigiert sich] Äh, nein, lieber nicht.

TANTE MURIEL: [kichert] Führe du doch mal ein Weilchen !

KEVIN: Ehrlich gesagt hör ich jetzt auf ! Ich danke Ihnen für diesen Tanz !

TANTE MURIEL: Gern geschehen, mein Jüngling.

[KEVIN eilt weiter in Richtung Bar.]

ERZÄHLER: Damit war ich einfürallemal unterwegs. Es trieb mich nach vorn. Ich war wild entschlossen, diesen Champagner zu bekommen, egal, was ich dafür tun mußte !

KEVIN: H...

[Der Barkeeper stellt ihm eine Flasche und ein Glas direkt vor die Nase. KEVIN ist sprachlos.]

ERZÄHLER: Wie sich zeigte, mußte ich nicht viel dafür tun. Nun konnte es losgehen !

EXT. ABEND. PAVILLON
KEVIN sitzt draußen, in der Dunkelheit, mit seiner Champagnerflasche auf der kleinen Treppe des Pavillons und wartet.

ERZÄHLER: Ich dachte einen Augenblick lang über diese göttliche Fügung nach, über mein unglaubliches Glück, über den bemerkenswerten Zufall, der mich hierher geführt hatte. Ich saß da mit einer Flasche kaltem Champagner und wartete, goß ein [er gießt ein], nippte [er nippt kurz], schlürfte [er kostet etwas mehr], kippte [trinkt sein Glas leer], söffelte [steht direkt vor der Kamera und trinkt aus der Flasche] - betrank mich [sitzt im Pavillon und trinkt die Flasche leer]. Eine Stunde später saß ich da und konnte nicht mehr geradeaus sehen. Ich war völlig hinüber und betrachtete meine erstaunliche Hand. [die er inzwischen doppelt sieht]

[Plötzlich sieht er WINNIEs Kopf auf seiner Handfläche. Er blinzelt kurz, aber er bleibt da.]

WINNIE: Kevin ! [traurig] Du weißt ganz genau, was du getan hast ! Wie konntest du nur !

ERZÄHLER: Oh oh !

[Schließlich taucht LINDA doch noch auf.]

LINDA: Kevin ?

KEVIN: [überrascht] Linda !

WINNIE: [vorwurfsvoll] Kevin !

[KEVIN ballt seine Hand zur Faust und WINNIEs Bild verschwindet.]

ERZÄHLER: Ich hatte nur eine Chance: Ich mußte versuchen, nüchtern zu wirken.

KEVIN: Ich hab dir Champagner besorgt. [kippt die Flasche, aber es kommt kein Tropfen heraus. Er blickt vollkommen benommen in die Flasche]

LINDA: Na ja, das ist nicht so wild. Mir war sowieso nicht nach Champagner.

[Ein Typ in blauem Smoking stellt sich schadenfroh grinsend neben LINDA.]

KEVIN: Oh. Ja. Verstehe.

ERZÄHLER: In dem Moment wurden mir zwei Dinge klar: Erstens, ich hatte gerade gegen einen Typen in einem mieserablen Smoking verloren.

KEVIN: Ich werd wieder reingehen. [zieht sich am Geländer hoch]

ERZÄHLER: Und zweitens: Aufstehen war nicht so selbstverständlich, wie ich all die sechzehn Jahre geglaubt hatte.

LINDA: Kevin, ist mit dir wirklich alles okay ?

[KEVIN bleibt vor LINDA stehen, blickt sie aus kleinen Augen benommen an und schaukelt ein wenig hin und her.]

KEVIN: Ja. Ja. [lallt] Kein Problem.

ERZÄHLER: Selbst in meinem Suff war mir klar, was ich getan hatte ! Ich hatte mich wie ein Idiot benommen, meine Freundin betrogen, hatte mich zum Narren gemacht. Und jetzt ...

KEVIN: Linda ...

LINDA: Ja, Kevin ?

ERZÄHLER: ... war es Zeit, der Wahrheit ins Auge zu sehen, der Wahrheit über mich, meine Vergangenheit. Es war Zeit, wie ein Mann zu handeln. Aber vor allen Dingen war es Zeit, einiges rauszulassen !

KEVIN: Ich ...

LINDA: Ja, Kevin ?

[KEVIN beugt sich vor und erbricht sich über LINDAs Kleid. Der Typ neben ihr grinst süffisant.]

ERZÄHLER: Also tat ich das.

INT. ABEND. FEIER
KEVIN kommt, etwas zerzaust, etwas mitgenommen, zurück und stellt sich in die Nähe von JACK, NORMA und ARTHUR, der immernoch seinen Arm um NORMAs Schultern legt. PETER, der Bräutigam, klopft kurz an sein Glas, das neben dem Mikrophon steht.

PETER: Äh, entschuldigt bitte, entschuldigt bitte ! [es wird leiser] Entschuldigung. Bevor alle gehen, möcht ich gern noch ein paar Worte sagen.

ERZÄHLER: Als ich wieder aus der Toilette kam, hatte ich zu nichts mehr eine gute Meinung, weder zu Hochzeiten, noch zur Ehe, noch zur Natur des Menschen ! In dem Moment konnt' ich nicht umhin zu denken, daß all die verordnete Romantik bei einer Hochzeit nur Heuchelei war !

ARTHUR: [zu NORMA] Tanzen wir zwei noch einmal, hä ?

PETER: Für die, die nicht wissen, wer ich bin - ich hab hier heute geheiratet. [die Gäste lachen. Die Band spielt einen Trommelwirbel]

ARTHUR: [ruft] Ja, und ich bezahle die Rechnung ! [wieder Gelächter]

ERZÄHLER: Das war es, ein leeres Ritual, umhüllt von Lügen, Scheinheiligkeit und Habgier !

PETER: Nur wenige von euch kennen die Geschichte von Candy und mir. Ich werde sie jetzt auch nicht erzählen, ich will nur nicht, daß jemand heute nach Hause geht ohne zu wissen, was ich für sie empfinde. [kurze Pause] Ich bin, äh, sehr glücklich ... heute. Ich weiß nicht, was euch von dieser Hochzeit in Erinnerung bleiben wird, äh, aber ich will, daß ihr euch an etwas erinnert, ihr sollt hören wie, äh, zufrieden ... und ... glücklich, überwältigt ... ich bin, daß ich sagen kann: Candy ... ist meine Ehefrau ! [Applaus] Wir sind reichlich altmodisch gewesen - für 1972 jedenfalls -, wir haben nämlich gewartet. Schatz ?

[CANDY kommt zu ihm hinauf und küßt ihn. Einige zufriedene und glückliche "Ah!"s gehen durch die Reihen und alle applaudieren. Die Band spielt weiter.]

ERZÄHLER: Es war eine Liebeserklärung der schönsten uns reinsten Art, eine Deklaration der Tugend, anmutig, einfach, echt ! Und nach einem Tag voller Untreue [KEVIN blickt zu NORMA und ARTHUR] - teilweise vorsätzlich geplant, teilweise etwas subtiler -, hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, daß jemand wirklich an etwas anderes glaubte: An die Liebe, an die Treue !

ARTHUR: [zu NORMA] Los geht's !

[NORMA blickt hilfesuchend zu JACK.]

ARTHUR: Fertig ?

JACK: Arthur ...

ARTHUR: Ja ?

ERZÄHLER: An seinen Partner !

JACK: Wenn Sie nicht Ihren Arm von meiner Frau nehmen, dann breche ich ihn !

[ARTHUR zögert kurz, merkt aber, daß JACK es absolut ernst meint, und gehorcht. NORMA blickt JACK dankbar und stolz an.]

ARTHUR: Jack, was ...

JACK: [zu NORMA] Komm mit, gehen wir tanzen !

ARTHUR: [ruft hinterher] Jack ...

ERZÄHLER: Ich habe mich gefreut, daß ich dabei sein durfte. [KEVIN grinst stolz]

ERZÄHLER: Bei einer Hochzeit empfindet wirklich jeder etwas anderes. Wir mögen über eine unerfüllte Liebe in unserem eigenen Leben weinen und beim Gedanken an die unvorhersehbaren Kompromisse, die wir eingehen mußten, zusammenfahren - aber eine Hochzeit bedeutet auch Hoffnung, Zuversicht und Vertrauen in die Zukunft. Immerhin bleiben einige von uns mit dem Partner, den sie sich ausgesucht haben, ein Leben lang zusammen. [blickt zu ARTHUR, der mit TANTE MURIEL tanzt] Einige von uns tanzen einfach mit einem unter vielen. [blickt zu NORMA und JACK, die endlich mit einander tanzen] Und manche, die glücklicher dran sind, erinnern sich noch immer, warum sie damals ihre Wahl getroffen haben. Und nach Jahren des Streits über angebrannten Toast und geplatzte Schecks sehen sie sich manchmal - für einen kurzen Moment - noch immer so an wie früher, bevor Kinder, Hypotheken und der Alltag sich gegen sie verschworen haben. [WAYNE und KEVIN sitzen neben einander an einem der Tische] Andere dagegen sind froh, daß sie diese Wahl noch vor sich herschieben können, weil sie wissen, daß die Zukunft - genau wie dieser Samstagnachmittag - noch viele verlockende Tänze für sie bereithält, langsame und schnelle.

[WAYNE und KEVIN beobachten das Brautpaar und ihre Angehörigen, die sich für das Hochzeitsphoto aufstellen.]

ARTHUR: Kommt, stellt euch zu uns ! Ihr müßt mal etwas zusammenrücken, sonst passen wir nicht rauf !

KEVIN: [zu WAYNE] Das war 'ne tolle Ansprache, nicht ? Du weißt schon, daß mit der Liebe und dem aufeinander Warten. [kurze Pause]

WAYNE: Er hat vielleicht gewartet aber ... sie nicht. [blickt KEVIN nicht an, sondern nur CANDY]

KEVIN: [versteht schließlich] Du ?! [WAYNE lächelt] Wo ?

WAYNE: [wie selbstverständlich] Auf 'ner Hochzeit !

[CANDY lächelt, guckt sich um - und erblickt WAYNE, der ihr zuprostet. Sie blickt ihn verwirrt, unwohl und wütend an - und wird genau in diesem Augenblick photographiert. Das Photo - in schwarz/weiß - zeigt die ganze Familie, alle lächeln in die Kamera, nur CANDY blickt verstohlen zur Seite - und niemand wird je wissen, was sie dort gesehen hat.]

CLOSING TITLES
Dieses Transcript wurde von Daniel G.



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09/10/01 19:50