Folge 91: Ja, ich will !


Drehbuch: Mark B. Perry



OPENING TITLES
OPENING SEQUENCE
Ein Zusammenschnitt verschiedener Szenen zeigt die Hippies und ihre Lebensarten zu Beginn der 70er Jahre.

ERZÄHLER: 1972 begann das Jahrzehnt der Ich-Bezogenheit. Und überall waren die Menschen dabei, das zu tun, was ihnen gerade einfiel: Total auszuflippen und sich selbst zu entdecken. Die Welt veränderte sich ...

INT. VORMITTAG. KLEINBUS
MICHAEL sitzt am Steuer seines grellen, bunt bemalten Kleinbusses, dessen Motor ohrenbet„ubend laut ist und alle paar Sekunden kracht, als ob er gleich auseinanderfallen wrde. KAREN sitzt neben ihm, w„hrend NORMA, JACK und KEVIN sich auf die Rckbank gequetscht haben. WAYNE hat sich den besten Platz reserviert: Die Matratze im hinteren Teil des Kleinbusses. Er ist deshalb nicht so zu sehen.

ERZÄHLER: ... und meine Familie steckte mittendrin.

KAREN: [schreit, um den Lärm vom Auto zu übertönen] Wie findet ihr ihn ?

NORMA: [beugt sich zu KAREN vor] Sehr schön, Schatz !

KAREN: Ja, nicht ? Wir haben ihn supergünstig bekommen. Michael will ihn anmalen und wieder in Ordnung bringen. Stimmt's, Michael ?

MICHAEL: Äh ... ja. Ja, genau.

WAYNE: [taucht hinter NORMA und JACK auf] Leute, macht damit, was ihr wollt - ihr dürft nur nicht die schöne Matratze rausschmeißen ! [verschwindet wieder]

ERZÄHLER: Offengesagt machte die Familie Arnold eine radikale Wandlung durch.

MICHAEL: Sitzt ihr alle bequem ?

ERZÄHLER: Wir befanden uns in einer Zeit der Umgewöhnung. Alles war ... in Bewegung. Aber letztendlich hatten wir nach zwölf Monaten voller Streit wieder alle zusammengefunden.

[Der Kleinbus bremst quietschend und kommt vor einer weiáen Kirche zum Stehen. Glocken läuten.]

INT. VORMITTAG. KIRCHE
KAREN und MICHAEL stehen, einander umarmend, vor einem PFARRER. NORMA und JACK stehen ein kleines biáches abseits, während KEVIN und WAYNE neben einander auf einer der vorderen Bänke. Ansonsten ist niemand in der Kirche. Leise Orgelmusik ertönt im Hintergrund.

ERZÄHLER: Dafür gab es natürlich einen Grund.

PFARRER: Ah ! Die liebliche Braut und der Bräutigam in spe.

ERZÄHLER: Meine Schwester wollte heiraten ! Endlich !

PFARRER: Es ist immer ein Vergnügen, Mann und Ehefrau für's Leben zusammenzuführen.

KAREN: Sie meinen "Mann und Frau" !?

PFARRER: Ja, natürlich !

ERZÄHLER: Aber das würde garantiert nicht leicht werden.

[WAYNE gähnt.]

ERZÄHLER: In unserer Familie war nie irgendetwas leicht.

PFARRER: Also - welche Art von Zeremonie haben wir denn im Sinn ?

KAREN: [zögerlich] Wissen Sie, wir haben das zwar noch nicht ausdrücklich besprochen ...

NORMA: Wir dachten an etwas Einfaches, aber Traditionelles.

MICHAEL: [flüstert zu KAREN] Dachten wir daran ??

NORMA: Sie wissen schon - etwas mit Blumen und Orgelmusik und schönen Liedern ... Nicht zu formell, aber doch ... elegant !

ERZÄHLER: Natürlich befand sich die Sache noch im Planungsstadium.

KAREN: Mom ?

NORMA: Mmh ?

KAREN: Michael und ich wollten eigentlich eine Feier, die vielleicht nicht ganz so ...

NORMA: Ist schon gut, Schatz ! Es wird so, wir ihr es möchtet.

KAREN: Gut. [leiser] Gut - gut.

NORMA: [zum PFARRER] Wir können ... auf die schönen Lieder verzichten.

ERZÄHLER: Mmhh ...

PFARRER: Ausgezeichnet ! Also wann fangen wir mit unserem Seminar über den Sinn der heiligen Eheschließung an ?

[Einen Moment herrscht Schweigen, dann kann sich WAYNE nicht mehr halten und prustet los. Im Hintergrund ertönt Orgelmusik, die nichts gutes verheißt.]

EXT. VORMITTAG. KIRCHE
Die Vordertür der Kirche auf von innen aus aufgestoßen und die Familie Arnold, KAREN vorneweg, geht hinaus und die Treppe hinunter.

KAREN: [aufgebracht] Seminar über Eheschließung ?! Sind wir hier eigentlich in der Steinzeit !?

ERZÄHLER: Es war der klassische Eltern-Kinder-Konflikt:

NORMA: Paß auf, Schatz: Wenn du möchtest, können wir in eine andere Kirche ...

KAREN: Mom, du verstehst das nicht ! Ich will meine Hochzeit nicht in irgendeiner muffigen Kirche feiern !

NORMA: Na gut. Was hältst du von einer netten Freikirche ?

ERZÄHLER: Das dumme war, daß die Eltern offenbar gewannen.

KAREN: [zu sich selbst] Das darf alles nicht wahr sein !

NORMA: Aber Schatz ...

KAREN: Mom !

[Die Kamera bleibt stehen, so daß MICHAEL, JACK und KEVIN ins Bild kommen. Sie bleiben stehen.]

MICHAEL: Mr. Arnold ... Glauben Sie, Sie können ...

JACK: [abwehrend] Ah ah ah ! Wende dich nicht an mich ! Ich darf die Sache nur bezahlen. [geht weiter]

MICHAEL: Das läuft ja alles großartig - findest du nicht auch ?

KEVIN: Ich weiß, was du meinst. [kurze Pause] Soll ich mit ihnen reden ?

MICHAEL: Nein, nicht doch. - Was soll der Quatsch ? Wieso können wir nicht einfach heiraten und in Ruhe weiterleben ?

KEVIN: Tja ...

ERZÄHLER: Aber selbst ich wußte genug über Hochzeit, um zu wissen, daß es dabei nicht ums Heiraten ging ...

INT. TAG. KAUFHAUS
WAYNE, KEVIN und JACK stehen nebeneinander vor einem groáen Spiegel. Sie alle tragen schwarze Anzge und sind dabei, ihre Kragen zu richten.

ERZÄHLER: Es ging eher darum, ...

KEVIN: Ich fühl mich total bescheuert !

ERZÄHLER: ... sich vollkommen lächerlich zu machen.

WAYNE: Du siehst auch total bescheuert aus.

ERZÄHLER: Und zwar öffentlich.

JACK: [mit zusammengebissenen Zähnen] Tut es einfach - für eure Schwester !

KEVIN: Aber wir ...

JACK: Es wird sie glücklich machen ...

INT. TAG. WOHNZIMMER
JACK sitzt am Eßtisch und liest Zeitung. KEVIN, der neben ihm sitzt, sieht zu, wie NORMA an dem Hochzeitskleid, daß KAREN trägt, arbeitet.

ERZÄHLER: Das Problem war nur: Je mehr wir Karen glücklich machten, desto unglücklicher sah sie aus.

NORMA: So ... Fertig ! Es ist wunderschön, oder ?

KAREN: [unzufrieden] Es ist toll, Mom. [unglücklich] Und es ist deins.

NORMA: Wie findest du es, Jack ?

JACK: [blickt auf; zufrieden] Ähm, na ja ...

WAYNE: [kommt herein] Wende dich nicht an ihn, Mom ! Er darf die Sache nur bezahlen ! [geht wieder in die Küche]

ERZÄHLER: Da hatten wir's: Zwischen Dads Brieftasche und Moms guten Absichten ...

NORMA: [zu KAREN] Jetzt probier mal den Schleier ! [gibt ihn ihr]

ERZÄHLER: ... klaffte ein gewaltiger Spalt.

[MICHAEL kommt aus der Küche.]

NORMA: Michael ! Du darfst die Braut nicht in ihrem Hochzeitskleid sehen ! Das geht nicht !

[MICHAEL dreht sich um und will in die Küche zurückgehen.]

KAREN: Mom ... Er hat mich schon nackt gesehen.

[Betretenes Schweigen. MICHAEL kehrt um und setzt sich zwischen JACK und KEVIN, wobei er sich in JACKs Gesellschaft anscheinend etwas unwohl fühlt, besonders weil dieser auf KARENs Kommentar nur mit einem verärgerten Brummen reagiert und dann weiter Zeitung liest.]

KEVIN: [lenkt ab] Erzähl mal - was macht denn die Arbeit an eurem Haus ?

MICHAEL: Oh, na ja, ich bin mit den Tischlerarbeiten so gut wie fertig - also wird der Eigentümer es verkaufen.

JACK: Du meinst, ihr müßt da raus ? Was wirst du dann arbeiten ?

MICHAEL: Ach na ja ... Ich hab mich ... schon etwas umgesehen - um was neues zu finden. Ehrlich gesagt haben wir ... Es ist so: Wir wollen nämlich ...

KAREN: [unterbricht ihn] Michael !

MICHAEL: Äh ...

ERZÄHLER: Es war klar, daß irgendetwas im Busch war - etwas Bedeutendes.

NORMA: Wieso habt ihr uns nichts davon erzählt ?

ERZÄHLER: Und wie immer nahm Mom die Sache in die Hand.

MICHAEL: [zögernd] Wir ...

NORMA: Wenn ihr nicht gleich eine Wohnung kriegt, dann zieht doch erstmal hier ein !

ERZÄHLER: Oh oh !

NORMA: Jack ? Frag doch mal nach bei offenen Stellen bei Norcom !

MICHAEL: [schockiert] Was ?!

JACK: Äh ...

ERZÄHLER: Und dann platzte das Pulverfaß.

KAREN: [schreit] Mutter, hör auf !! [wirft den Schleier auf den Boden] Ich kann das nicht - tut mir leid ! Ich kann dieses Kleid nicht tragen - und eure Art von Hochzeit will ich auch nicht ! Wir müssen das auf unsere Art machen. Versteht ihr das nicht ?

[Schweigen.]

ERZÄHLER: Endlich war die Wahrheit raus.

NORMA: [klingt traurig] Das ... das möchtet ihr also nicht ? [lange Pause]

ERZÄHLER: Und damit war die große voreheliche Krise der Familie Arnold ...

EXT. TAG. EINFAHRT
MICHAEL sitzt bereits in seinem Kleinbus und startet den Motor, während er auf KAREN wartet, die sich an der Haustür von NORMA und JACK verabschiedet. KEVIN steht neben dem Kleinbus, der auf der Straße direkt vor der Einfahrt steht und schaut zu MICHAEL hinein.

ERZÄHLER: ... endgültig ausgestanden.

KEVIN: Jetzt seid ihr bestimmt erleichtert, was ?

MICHAEL: [verständnislos] Hä ?

KEVIN: Ich meine, nun könnt ihr eure eigenen Pläne machen, zu Hause heiraten und so ...

ERZÄHLER: Ich hatte das Gefühl, daß die Kommunikation endlich wiederhergestellt war.

JACK: [zu KAREN] Ach, das kriegen wir schon hin. Keine Angst !

MICHAEL: [ruft] Karen ! Kann's losgehen ?

KAREN: [ruft zurück] Ich bin gleich da !

ERZÄHLER: Der einzige, der davon nicht so ganz überzeugt war, war der Bräutigam in spe.

KEVIN: Michael ? Ist alles in Ordnung ?

MICHAEL: Kannst du was für dich behalten ?

KEVIN: Ähm ... klar !

MICHAEL: Ich krieg 'nen Job.

KEVIN: Ach was ?! Ist doch klasse !

ERZÄHLER: Und das war es wirklich ! Das dachte ich zumindest.

MICHAEL: Die Sache hat bloß einen Haken: [zögert] Es ist in Alaska.

[Schweigen.]

KEVIN: Alaska ?!

MICHAEL: [bejahend] Aha.

KAREN: [kommt dazu] Okay, Michael. Ich bin fertig. [steigt ein] Mach's gut, Kevin.

KEVIN: Ja.

KAREN: [schlieát die Tür; zu MICHAEL] Fahren wir ?

[Der Kleinbus fährt langsam los.]

ERZÄHLER: Und in diesem Augenblick wurde mir etwas klar, was ich schon die ganze Zeit hätte wissen sollen:

KAREN: [ruft] Paßt auf euch auf !

ERZÄHLER: Wir gewannen nicht einen Schwager, ...

KAREN: [ruft] Wiedersehen !

ERZÄHLER: ... wir verloren meine Schwester.

INT. MORGEN. AUTO
JACK sitzt am Steuer, NORMA auf dem Beifahrersitz. KEVIN und WAYNE sitzen hinten. Keiner von den vieren ist übermäßig gut gekleidet - fein, aber nicht in Schwarz.

ERZÄHLER: Am nächsten Morgen machten wir uns auf den Weg zur ersten Hochzeit in der kurzen Geschichte meiner Familie.

NORMA: Weißt du, Jack - vielleicht ist es besser, daß Karen die Hochzeit so feiert, wie sie es möchte.

JACK: Ja ja, sicher.

ERZÄHLER: Meine Eltern ahnten ja noch nicht, daß ihnen ihre einzige Tochter bald entrissen würde, um im Land der Mitternachtssonne in einem Iglu zu leben.

NORMA: Hast du den Scheck ?

JACK: [tippt auf eine Tasche seines Hemdes] Hier drin.

WAYNE: [aufhorchend] Den Scheck ? Was für ein Scheck ?

JACK: Für Karen und Michael. Unser Hochzeitsgeschenk.

WAYNE: Wieviel ist es ?

JACK: Geht dich nichts an. Sie können damit ihr zukünftiges Haus anzahlen.

[WAYNE seufzt kurz, als ihm klar wird, was das für seinen eigenen Wohlstand bedeutet, und läßt sich wieder auf seinen Sitz fallen.]

ERZÄHLER: Egal, wie sehr ich mich da raushalten wollte: Ich wußte, daß ihnen jemand die Nachricht beibringen mußte.

KEVIN: [beugt sich vor] Mom, Dad ? Es ist so ...

NORMA: Ja ?

KEVIN: Wegen ... Karen und Michael ...

JACK: Was ist mit ihnen ?

KEVIN: [zögert kurz] Ein tolles Geschenk !

ERZÄHLER: Es war nur einfach nicht meine Sache, es ihnen zu sagen.

EXT. TAG. KAREN UND MICHAELS HAUS
NORMA, JACK, WAYNE und KEVIN stehen vor der Haustür. JACK klopft fünfmal kräftig.

ERZÄHLER: Und dann kamen wir an.

NORMA: Also - nun wird's ernst.

JACK: Na ja. Hoffen wir nur, daß das Ganze legal ist.

NORMA: [lacht] Keine Sorge, Schatz. Karen sagt, daß sie einen geweihten Geistlichen gefunden hat.

JACK: Ja.

[Die Tür wird geöffnet und heraus tritt ein ... MAHARISHI ... in indischem Gewand und weißem Turban ... NORMA und JACK blicken ihn überrascht und sprachlos an.]

MAHARISHI: Ah ! Willkommen, willkommen ! [mit seltsamen Akzent] Auf das Glück und die Freude, die gewesen sind und uns noch erwarten, ja !

INT. TAG. KAREN UND MICHAELS HAUS
JACK, NORMA, KEVIN und WAYNE stehen nebeneinander in einer Reihe. Der MAHARISHI steht mit geschlossenen Augen und ausgestreckten Armen vor JACK, der ihn zweifelnd anblickt.

MAHARISHI: Ah, jaaa ! Deine Aura ist durchzogen von väterlicher Liebe. Ich spüre starke Schwingungen !

ERZÄHLER: [zögernd] Offengesagt ... betraten wir Neuland.

[Der geweihte Geistliche stellt sich vor NORMA.]

MAHARISHI: Karens Mutter. Du bist wie die klingenden Saiten der Laute.

NORMA: [unsicher] Danke.

[KEVIN ist an der Reihe.]

MAHARISHI: Brüderliche Liebe ! Positive, sympathische Schwingungen - sehr gut !

KEVIN: [zögernd] Ja.

[Der MAHARISHI geht einen Schritt weiter und steht damit vor WAYNE. Er befühlt seine Aura - und reißt erschreckt und erzürnt die Augen auf. Ein Gong ertönt und der MAHARISHI verschwindet irgendetwas murmelnd im Nebenraum.]

[Etwas später. Immernoch im Haus, aber in einem anderen Raum. KAREN stellt ihrer Familie zwei Freunde vor, beide in Hippiekleidung. Der Mann, groß, mit Sonnenbrille, umarmt eine wesentlich kleinere Frau, die KARENs Familie mit strahlendem Blick begrüßt.]

ERZÄHLER: Drücken wir's mal so aus:

KAREN: Das sind meine Freunde Rainbow und Wind ! Das ist meine Familie.

ERZÄHLER: Wir waren wie Fremde in einem fremden Land.

NORMA: [zögernd; zu dem Mann] Ich bin sehr erfreut ... Wind.

RAINBOW: Nicht doch ! Ich bin Rainbow. [deutet auf die Frau neben ihm] Das ist Wind.

[Schweigen.]

WAYNE: Ach ja ? [deutet auf KEVIN] Und das ist Blödsack ! [lacht]

EXT. NACHMITTAG. GARTEN
JACK hilft beim Heraustragen von Tischen und Bänken, während NORMA von einigen Hochzeitsgästen mit Blumen geschmückt und zurechtgemacht wird. Währenddessen sieht sich WAYNE etwas um, besonders in der Nähe einer jungen Frau, die auf der Wiese an einem Baum sitzt und ihr Baby säugt. KEVIN beobachtet das Ganze.

ERZÄHLER: Und trotzdem geschah an diesem Nachmittag etwas Merkwürdiges: Wir wurden nach und nach in Karens Welt hineingezogen. Zum ersten Mal seit langer Zeit lächelten Mom und Dad - ich meine, ein echtes Lächeln. Vielleicht hatte das einen Grund. Vielleicht hatte das mit ... unserer Familie zu tun.

EXT. NACHMITTAG. KAREN UND MICHAELS HAUS
KEVIN findet KAREN auf der Treppe vor der Haustür sitzend.

KEVIN: Na ?

ERZÄHLER: Trotzdem ... So gegen vier ...

KAREN: Na ?

ERZÄHLER: ... hatte ich das Gefühl, daß es höchste Zeit war.

KEVIN: Das ist 'ne tolle Party ! [kurze Pause]

KAREN: Ja.

ERZÄHLER: Schön - der zwischenmenschliche Dialog mit meiner Schwester war nie meine Stärke gewesen ... Also dachte ich mir, da muß man mit Feingefühl rangehen.

KEVIN: Wann erzählst du ihnen davon ? [KAREN versteht nicht, was er meint.] Mom und Dad ! Von Alaska.

KAREN: Oh.

KEVIN: Was wollt ihr machen ? Ihnen so 'ne komische Postkarte mit 'nem Eisbären schicken ?

KAREN: Natürlich nicht ! Ich ... ich will auf den richtigen Moment warten. Abgesehen davon - du weißt, wie sie sind ...

ERZÄHLER: Genau das war das Problem: Leider wußte ich das wirklich.

EXT. ABEND. GARTEN
Die Tische und Bänke sind aufgebaut, die Gäste essen bereits. Obwohl sich alle ausgelassen unterhalten und lachen, hört man sogar die Grillen zirpen.

ERZÄHLER: An diesem Abend feierten wir die Hochzeit, die am nächsten Tag stattfinden würde. Gut, es war vielleicht nicht die Art von Fete, die meine Eltern sich vorgestellt hatten, aber auf ihre eigene schräge Art war sie ... prima !

[JACK, neben NORMA sitzend, hält mit seiner Gabel etwas von seinem Teller in die Luft, was er wohl selbst nicht identifizieren kann. Während er es zweifelnd beäugt, ist NORMA mit ihrem Essen wohl ziemlich zufrieden.]

NORMA: Ihr habt einfach toll gekocht, Michael !

MICHAEL: Oh, danke, Mrs. Arnold.

WAYNE: Ja ! Ein Superfraß !

NORMA: [zu KAREN] Diese Rezepte mußt du mir verraten, Schatz !

KAREN: [unwohl] Natürlich.

ERZÄHLER: Trotzdem wurde ich den Eindruck nicht los, daß die Braut irgendwie ... nervös aussah.

KAREN: Mom, paß mal auf: ...

JACK: [klopft dreimal an sein Glas und steht auf] Entschuldigt bitte, aber ich muß einfach etwas sagen ! Wißt ihr, das war ein phantastischer Tag ! Wir haben gesehen, wie ihr lebt, haben eure Freunde kennengelernt. Äh, ich glaube, bis jetzt hat uns die Zeit dafür gefehlt. Aber ich hoffe, daß sich das nun ändert. [kurze Pause] Ich weiß gar nicht, ... wann du erwachsen geworden bist, Karen, aber wir sind sehr stolz, daß du so geworden bist, wie du bist. Und Michael, Norma und ich, wir sind beide sehr glücklich, daß du ein Teil unserer Familie wirst.

ERZÄHLER: Das war, alles in allem, vielleicht die beste Rede, die mein Vater je gehalten hat.

JACK: Also, wir, ähm ... haben eine Kleinigkeit für euch, die euch den Anfang erleichtern soll.

[In diesem Moment wird die Hintertür des Hauses geöffnet und drei von KARENs Freunden tragen eine riesige Torte heraus, auf der vier Leuchtkerzen brennen.]

ERZÄHLER: Und da passierte es !

[Die Torte wird genau vor KEVINs Platz auf den Tisch gestellt, genau in der Mitte zwischen KAREN und MICHAEL und NORMA und JACK.]

ERZÄHLER: Es war natürlich überhaupt nicht böse gemeint ...

NORMA: Jack, ist sie nicht wunderbar ?

ERZÄHLER: Sie war wirklich wunderbar - ein richtiges Kunstwerk. Sie sprühte nur so vor Freude und Feierlichkeit.

[Lange Pause, während die Leuchtkerzen langsam erlöschen.]

ERZÄHLER: Ich glaube, wir sahen es alle etwa im selben Moment.

[Sie sehen eine mit Sahne auf die Torte geschriebene Inschrift: "Alaska or Bust !", was soviel heißt wie ...]

NORMA: [verwirrt] Nach Alaska oder nirgendwohin !? Schatz, was soll das bedeuten ?

KAREN: Äh ...

ERZÄHLER: Aber Karens Gesicht sagte alles.

NORMA: Also das versteh ich nicht.

ERZÄHLER: Aber ... es war ziemlich klar, daß sie es schon verstand.

[Schweigen.]

KAREN: Mom ... [lange Pause]

MICHAEL: Mr. Arnold ...

ERZÄHLER: Aber irgendwie ...

KAREN: Dad ?

ERZÄHLER: ... war das einfach zu wenig. Und zu spät.

INT. ABEND. KÜCHE
NORMA und JACK sind in KARENs Küche. KEVIN kommt dazu.

KEVIN: [räuspert sich] Ich, äh ...

ERZÄHLER: Mir fiel nichts ein, was man hätte sagen können. Außer vielleicht ...

WAYNE: [kommt herein] Gibt's hier drin noch irgendwo Eis ? Oh. [geht wieder]

KEVIN: Äh ... Kann ich euch vielleicht irgendwie helfen ? Ich meine, na ja ... hier in der Küche.

ERZÄHLER: Aber was für Hilfe konnte ich schon anbieten. Ich konnte das alles nicht kippen.

KAREN: [kommt herein, bleibt stehen] Hi ! [lange Pause; weinerlich] Ich wollte nicht, daß ihr so davon erfahrt.

JACK: Wann wolltest du es uns denn sagen ?

KAREN: Ich weiß auch nicht. Heute nacht, na ja, oder ... jetzt. Ich ... ich wollte euch damit nicht die Feier versauen.

NORMA: Karen ! Wir sind immerhin deine Eltern ! Findest du nicht, wir haben das Recht, das zu erfahren ?

KAREN: Aber das ändert doch auch nichts ! Michael und ich gehen unseren eigenen Weg. Ihr müßt uns loslassen !

ERZÄHLER: In gewisser Hinsicht war es das Flehen eines Kindes, das erwachsen geworden war - was seine Eltern einfach nicht begreifen wollten.

[Lange Pause.]

JACK: [sanft; zu NORMA] Weißt du noch, wie es bei uns war ? Ich bin mit dir auch tausend Meilen von zu Hause weggezogen. [lange Pause]

NORMA: [sanft] Hör zu, Schatz: Wenn ihr unbedingt gehen müßt, stehen wir euch auf keinen Fall im Weg. Aber egal, wohin du gehst, eins werden wir nie tun, niemals: Wir lassen dich nicht los.

MICHAEL: [kommt herein; suchend] Karen ? Ah, da bist du ja. Wir werden draußen erwartet.

EXT. MORGEN. GARTEN
KAREN und MICHAEL stehen einige Meter von einander entfernt auf einer Lichtung im Garten, umgeben von ihren Freunden. Der MAHARISHI steht in der Mitte, KARENs Familie steht etwas abseits.

MAHARISHI: Karen, Michael - ihr tretet eine Reise voller Glück an.

ERZÄHLER: Am nächsten Morgen war ich dabei, als meine Schwester heiratete und hieß einen neuen Bruder in unserer Familie willkommen.

NORMA: Eure Kinder sind nicht eure Kinder. Sie sind die Söhne und Töchter der verzehrenden Sehnsucht des Lebens nach sich selbst. Ihr dürft ihnen eure Liebe geben, aber nicht eure Gedanken. Ihre Seelen wohnen im Haus von morgen, denn das Leben läuft niemals rückwärts, noch verweilt es im Gestern.

ERZÄHLER: Ich sah, wie meine Mutter ihr erstgeborenes Kind in die Welt hinausschickte, fühlte ihren Schmerz und ihre Freude.

MAHARISHI: Und wer hat Karen das Leben geschenkt und gibt sie jetzt in diese Vereinigung weiter ?

JACK: Ihre Mutter und ich !

[KAREN und MICHAEL treffen sich in der Mitte der Lichtung. KARENs Familie umringt sie.]

ERZÄHLER: Ich sah, wie mein Vater seine einzige Tochter weggab, in die Obhut eines Menschen, den er kaum kannte. Und ich sagte selbst Lebwohl.

KEVIN: Auch wenn sie jetzt getrennt werden, werden sie immer bei einander sein. [gibt ihnen die Ringe.]

MICHAEL: Nun sind wir eins ...

KAREN: ... ein Schmerz, eine Freude, ...

MICHAEL: ... ein Zusammensein, ein Heute, ...

KAREN: ... ein Traum vom Morgen.

MICHAEL: Es ist mehr als Liebe.

KAREN: Es ist Leben, nur ein Leben, ...

MICHAEL: ... ein Wesen, ein einziges.

ERZÄHLER: Wenn man heute darauf zurückblickt, mag einem das alles etwas albern erscheinen, aber damals, in diesen flüchtigen Momenten, sah ich, daß etwas Großes, etwas Wichtiges passierte. Nicht nur für Michael und Karen, sondern für uns alle, ...

EXT. TAG. STRASSE
Alle Freunde und Verwandte stehen um den Kleinbus herum, in dem KAREN und MICHAEL wegfahren werden. Er ist bunt bemalt, mit der Aufschrift "Just Married!" auf dem Rückfenster und einigen Dose an der Anhängerkopplung. Die beiden werden herzlich verabschiedet, mit Zurufen, Blumen, Lachen.

ERZÄHLER: ... unsere kleine, zerbrechliche, beinah unbedeutende Kleinstadtfamilie.

ERZÄHLER: Schließlich waren das damals bewegte Zeiten. Die beiden waren Kinder von Pionieren, auf dem Weg in ihr eigenes Leben - egal, wohin dieser Weg sie führen würde.

[Der Kleinbus fährt los und verschwindet um eine Ecke.]

EXT. NACHT. GARTEN
KEVIN blickt durch ein Fenster nach draußen.

ERZÄHLER: Wenn Brüder und Schwestern zurückblicken, wünschen sie sich oft, sie hätten sich besser gekannt.

[Kurz darauf. KEVIN kommt nach draußen, wo JACK bereits im Vorgarten steht und nachdenklich und sehnsüchtig in eine Richtung in die Nacht hinausblickt. Er bemerkt KEVIN, als der sich zu ihm gesellt.]

JACK: Was tust du hier draußen ?

KEVIN: Keine Ahnung. Ist 'ne schöne Nacht.

JACK: Ja.

KEVIN: Wo liegt eigentlich Alaska von hier aus ?

JACK: [zeigt in die Richtung, in die er blickt] In der Richtung ... oder so ähnlich. Es hört sich an, als ob's da schön wäre.

KEVIN: Ja.

ERZÄHLER: Und die Eltern, in ihrer Liebe und ihrer Verzweiflung, klammern sich an die Vergangenheit und halten eine stille Nachtwache für die Zukunft.

[JACK legt den Arm um KEVIN und sie blicken gemeinsam, schweigend, nach Norden, während die Kamera langsam aufsteigt und in dieselbe Richtung blickt, über die Häuser und Laternen in die Dunkelheit der Ferne.]

CLOSING TITLES
Dieses Transcript wurde von Daniel G.



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09/10/01 19:50