Folge 85: Die Viererbande
Drehbuch: Sy Rosen & Mark B. Perry



OPENING TITLES
ERZÄHLER: Gewisse Abende im Leben, die von Mächten beherrscht werden, die sich unserer Kontrolle entziehen - Magie, Romantik, Schicksal -, Abende, an denen die Liebe einen überrascht und nichts mehr so ist, wie es vorher war. Ich hatte das große Glück, so einen Abend zu erleben ... und die Erinnerung daran wird mir immer bleiben.

INT. TAG. SCHULKORRIDOR
["Wild Thing" von den Troggs beginnt.]

ERZÄHLER: Eins der wichtigsten internationalen Ereignisse des Jahres 1972 fand im Flur meiner Schule statt: Es handelte sich um die Ankunft von ... [die Kamera zeigt nur die Beine eines heißen Mädchen, das den Gang entlang läuft] ... Inga Finnstrom, der ersten schwedischen Austauschschülerin an der McKinley Highschool.

INT. TAG. SCHULBIBLIOTHEK
[KEVIN, PAUL und RICKY sitzen zusammen an einem Tisch und bewundern INGA.]

PAUL: Stellt euch mal vor, wir haben Marvin Grotsky nach Venezuela und dafür sie gekriegt !

KEVIN: Einfach unfaßbar !

ERZÄHLER: Das war der beste Tauschhandeln in der Geschichte der Vereinigten Staaten.

RICKY: Mann, wenn ich nicht schon verabredet wäre, dann, dann würd' ich sie zum Frühlingsball einladen. [KEVIN und PAUL sehen einander zweifelnd an] Hey, das war nur so 'ne Idee !

KEVIN: Wer ist eigentlich deine Begleiterin ?

RICKY: [peinlich berührt lachend] Ramona Storkman.

PAUL: [sichtlich unbeeindruckt] Wirklich ?

KEVIN: [wenig überzeugend] Ist ja ... toll, Ricky !

ERZÄHLER: Aber selbst Ramona Storkman war besser als nichts.

PAUL: Hast du denn auch schon jemanden ?

KEVIN: Äh, nein. Nein, noch nicht. Ich bin noch ... am Überlegen.

PAUL: [folgt KEVINs Blick zu INGA] Sie ? Klar, träum weiter !

KEVIN: Hey, hingucken darf ich ja wohl noch !

ERZÄHLER: Aber mal ehrlich: Wem wollte ich etwas vormachen ? Ein Mädchen wie sie ? Und ein Würstchen wie ich ? Da hätte mindestens ein Wunder hergemußt, um zusammenzubringen. Das heißt: Bis das Schicksal zuschlug. [Das "Winnie-Thema" wird gespielt] Das Schicksal in Form von ... Winnie Cooper. [Die Musik endet.]

INT. TAG. GEOMETRIEUNTERRICHT
LEHRER: Dreiecke klassifiziert man unter anderem nach der Länge ihrer Seiten. Ein ungleichseitiges Dreieck hat drei verschieden Lange Seiten ...

ERZÄHLER: Winnie war meine Ex-Nachbarin, Ex-Freundin, Ex-... na ja, eben meine Ex. [Es klingelt - alle gehen.] Und wie alle Exe kümmerten wir uns um einander.

KEVIN: Winnie ? ...

ERZÄHLER: ... und benutzten einander, um uns Vorteile zu verschaffen.

KEVIN: Ich, äh, ich hab dich heute in der Bibliothek gesehen.

WINNIE: [erfreut] Ach ja ?

KEVIN: [zögernd] Ja. Du warst mit, ähm ... mit diesem neuen Mädchen da ... wie heißt sie nochmal ? [tut, als hätte er ihren Namen vergessen]

WINNIE: [enttäuscht; durchschaut ihn] Inga.

KEVIN: Au, genau die. Inga. [Pause] Woher kennst du sie überhaupt ?

WINNIE: Du bist doch nicht etwa scharf auf Inga ?

KEVIN: Nicht doch ! Nein, ich, äh, sah euch nur ... dasitzen ... und, äh, das habe ich ... interessant gefunden. Das ist alles.

WINNIE: Okay. [will gehen]

ERZÄHLER: Nur noch eine winzige Kleinigkeit ...

KEVIN: Und ... vielleicht könntest du uns zusammenbringen.

WINNIE: [gekränkt] Ich soll was ?

KEVIN: Mmh, weißt du, ich dachte nur, möglicherweise könntest du bei ihr ein gutes Wort für mich einlegen. Ihr erzählen, was für ein netter Kerl ich doch bin und so.

WINNIE: Kevin, ist sie tatsächlich dein Typ ?

KEVIN: Was soll das nun wieder bedeuten ? Was ist mein Typ ?

WINNIE: Keine Ahnung. Ich hab nur gedacht, du gehst mit 'nem Mädchen, das nicht ganz so ... [zögert]

KEVIN: Ja ?

WINNIE: [vorsichtig] ... schwedisch ist.

KEVIN: [sarkastisch] Oh, ja. Du hast recht. Das ist eine dumme Idee, also - vergiß es.

WINNIE: Wie du willst.. [geht]

KEVIN: Gut.

ERZÄHLER: Es hatte keinen Sinn, noch länger darauf rumzureiten. Wenn es nicht sein sollte, dann sollte es eben nicht sein. Basta !

INT. TAG. SCHULKORRIDOR
[WINNIE rutscht zwischen KEVIN und sein Schließfach.]

WINNIE: [lächelnd] Ich hab mit Inga geredet !

KEVIN: [überrascht, erfreut] Ach was ?! Wirklich ? Was hat sie gesagt ?

WINNIE: Das sie dich kennenlernen möchte.

ERZÄHLER: Yippi !

KEVIN: [etwas überrascht] Ist das dein Ernst ?

ERZÄHLER: Und mit einem Schlag war ich im Geschäft.

KEVIN: Und denkst du, sie ... sie geht mit mir auf den Frühlingsball ?

WINNIE: Ich weiß nicht genau, aber ... eine Verabredung hat sie noch nicht, das ist sicher.

KEVIN: Danke, Winnie. Ich wußte, daß ich auf dich zählen kann.

ERZÄHLER: Was für ein Mädchen ! Was für eine Ex ! Immer für mich da, selbstlos bis zum letzten !

WINNIE: Kevin ? Da ist ... bloß noch eins ...

KEVIN: Hä ?

WINNIE: [begieriges Lächeln] Matt Stevens.

KEVIN: Wer ?

WINNIE: Du weißt schon, der Neue ! Es geht in deinen Geschichtskurs.

KEVIN: [angewidert] Du bist scharf auf Matt Stevens ?!

WINNIE: [plötzlich desinteressiert] Nein. Ich will mich nur mal verabreden.

ERZÄHLER: Das war natürlich eine ganz vernünftige Bitte. Trotzdem ...

KEVIN: Winnie, der Kerl ist glaub ich nichts für dich.

WINNIE: Warum nicht ?

KEVIN: Na ja, na ja ... Er wußte nicht mal, wann der Krieg von 1812 losging !

WINNIE: Kevin, komm schon ! Ich tu dir ja wohl auch einen Gefallen.

ERZÄHLER: Wenn man es so sah, hatte ich natürlich keine andere Wahl.

INT. TAG. CAFETERIA
MATT: Kevin, ich bin dir sehr dankbar.

KEVIN: [unaufrichtig] Ja ja, kein Problem. [lächelt]

MATT: Hab ich irgendwas zwischen meinen Zähnen ? [zeigt seine Zähne und denkt wohl, daß KEVIN sie nun inspiziert.]

KEVIN: Deine Zähne sind in Ordnung.

ERZÄHLER: Ich hatte keine Ahnung, warum Winnie diesen Trottel kennenlernen wollte.

MATT: Die Zähne gehören mit zu den drei wichtigsten Erkennungsmerkmalen, wußtest du das ?

KEVIN: Das hab ich schon gehört.

ERZÄHLER: Trotzdem - eine Abmachung war eine Abmachung. Egal wie idiotisch sie war.

[WINNIE und INGA betreten zusammen die Cafeteria.]

KEVIN: Okay, da sind sie.

MATT: Whow ! Sie ist ja super !

KEVIN: Ja. Sie ist Schwedin.

MATT: Nein, ich meine die Brünette.

KEVIN: Oh, ja. Natürlich.

WINNIE: Hallo Jungs !

MATT: Hallo.

KEVIN: Winnie, das ist Matt.

WINNIE: Und das ist Inga.

ERZÄHLER: Ja, ohne Zweifel. Das war Inga.

[Alle lächeln.]

KEVIN: Hi.

INGA: [mit unüberhörbarem Akzent] Hi.

MATT: Hi.

WINNIE: Hi.

ERZÄHLER: Nachdem wir diese Höflichkeiten hinter uns hatten, war es Zeit für das Ereignis des Tages. Zeit für die "Rendezvous"-Show.

WINNIE: Sag mal, Matt, ähm, wie gefällt dir die McKinley bisher ?

MATT: Weißt du, das hier ist so eine Schule ... die du nie vergißt. Niemals.

ERZÄHLER: Das war unser Junggeselle Nummer eins.

WINNIE: Genau das denke ich auch, Matt.

ERZÄHLER: Hmmm...

KEVIN: Also, Inga, erzähl - gefällt's dir in Amerika ?

INGA: Oh, jo. Sehr sogar.

KEVIN: Ja. Mir auch.

MATT: Hey Winnie, was sind deine drei liebsten Freizeitaktivitäten ?

ERZÄHLER: Unfaßbar !

WINNIE: Na ja, ich lese gern viel, ich spiel gerne Tennis ... und ich liebe es zu tanzen.

MATT: Ich liebe es auch, diese Dinge zu tun - und wie.

INGA: Jo, stimmt. Ich auch !

WINNIE: Was für ein Zufall, nicht ?

KEVIN: Verblüffend.

ERZÄHLER: Gut, es war höchste Zeit, das harmlose Geplauder zu beenden und richtig zur Sache zu kommen. [KEVIN will etwas sagen, aber MATT kommt ihm zuvor.]

MATT: Hey, Winnie, gehst du mit mir zum Frühlingsball ?

WINNIE: Natürlich ! Liebend gern !

MATT: [überglücklich] Klasse !

WINNIE: [glücklich] Klasse !

[Es klingelt; alle Schüler stehen auf, um zu gehen.]

MATT: Wir unterhalten uns nachher. Der Unterricht wartet.

WINNIE: Ich muß auch los. Komm mit, Inga !

KEVIN: [gekränkt] Winnie, warte !

WINNIE: Oh, ja. Entschuldige, Kev.

ERZÄHLER: Hatten wir nicht eine Kleinigkeit vergessen ?

KEVIN: Inga ... möchtest du mit mir auf den Ball ?

INGA: Jo, natürlich.

ERZÄHLER: [versucht, INGAs Akzent zu immitieren] Ja ! Und mit diesen zwei Worten war der Handel perfekt. Winnie und ich waren unterwegs zum Frühlingsball ...

MATT: [hat eine brilliante Idee] Hey Leute, gehen wir doch zu viert !

ERZÄHLER: [enttäuscht] ... zusammen.

KEVIN und WINNIE: [sehen sich unsicher an] Zu viert !?

INT. DAY. WINNIE'S LOCKER.
WINNIE: [gekränkt] Was heißt, du willst nicht zu viert zum Ball ?

KEVIN: Na ja, ich finde, das ist keine gute Idee. Das ist alles.

WINNIE: Ich hab auch keine besondere Lust dazu.

KEVIN: Na prima. Dann lassen wir's.

WINNIE: Bitte !

KEVIN: Bitte.

WINNIE: Nur leider hat Matt kein Auto.

ERZÄHLER: Warum überrascht mich das ? Der Kerl konnte wahrscheinlich nicht mal das Stopschild lesen.

KEVIN: Und ... und was ist, wenn Inga und ich ein bißchen ... na ja, etwas allein sein wollen ... um uns zu unterhalten.

WINNIE: [etwas entrüstet] Kevin, Matt und ich möchten uns vielleicht auch ohne euch ... unterhalten. Hast du daran mal gedacht ?

ERZÄHLER: Moment mal ! War ihr klar, über was für eine Art von Unterhaltung wir uns unterhielten ?

[Sie gehen den Gang entlang.]

KEVIN: Winnie, du triffst dich zum ersten Mal mit dem Kerl !

WINNIE: Ja, genau wie du mit Inga.

KEVIN: Aber das ist was anderes !

WINNIE: Was anderes ?! Kevin, wir werden dir schon nicht in die Quere kommen, keine Angst !

KEVIN: Aber darum geht es doch überhaupt nicht !

ERZÄHLER: Von wegen ! Wir kamen uns schon jetzt dauernd in die Quere !

WINNIE: Es hilft nichts, also benehmen wir uns wenigstens wie Erwachsene !

KEVIN: Bitte !

WINNIE: Bitte !

[Gehen in verschiedene Richtungen weiter.]

INT. NACHT. KEVINS AUTO
[KEVIN fährt, INGA sitzt neben ihm, WINNIE und MATT auf dem Rücksitz. Im Radio spielt leise "Sugar, Sugar" von den Archies.]

ERZÄHLER: Also benahmen wir uns wie Erwachsene: Wir gingen zu viert hin. Ich, Miss Schweden - und die beiden auf dem Rücksitz. Es war ja nicht so, daß ich das jemandem übel nahm.

KEVIN: Also Inga, wie gefällt dir die Schule bis jetzt.

INGA: Oh, ich gehe gern zu Geschichte und zu Englisch.

KEVIN: [grinst] Ich gehe gern in die Kantine ! [keine Reaktion] Das sollte ein Witz sein. [WINNIE lacht verletzend]

ERZÄHLER: War irgendwas ?

MATT: Winnie, wer sind deine drei Lieblingsfilmstars ?

WINNIE: Ähm ... mal überlegen ...

[KEVIN kichert]

WINNIE: Ach, vergiß es !

[Sie blickt auf KEVINs Bilm im Rückspiegel.]

ERZÄHLER: Heh heh.

INGA: Oh, ich liebe amerikanische Musik. Besonders die Beatles.

Anmerkung: Ich hoffe, es ist überflüssig, es zu erwähnen, aber die Beatles stammen aus Großbritannien.

KEVIN: Wirklich ? Die lieb ich auch. Hey, weißt du noch, als sie die Magical Mystery Tour damals rausbrachten ? Die meisten haben es nicht verstanden - nicht zu fassen !

Anmerkung: "Magical Mystery Tour" war ursprünglich der erste Fernsehfilm, den die Beatles in eigener Regie drehten. Der Soundtrack dazu ist heute auf der gleichnamigen Doppel-LP erhältlich. Die Dreharbeiten fanden hauptsächlich ohne Drehbuch und Konzept vom 11. bis 16. September 1967 in Devon und Cornwell (GB) statt. Am zweiten Weihnachtsfeiertag hatte der Film in England Bildschirmpremiere. Die Kritiken waren zum erstenmal fast durchgehend schlecht, man kann sie auch, im Vergleich zu den Lobshymnen bei früheren Anlässen, als vernichtend bezeichnen.

[Er sieht WINNIE im Rückspiegel kichern.]

KEVIN: [lächelnd] Was ?

WINNIE: [im Spiegel] Ach nichts.

KEVIN: Sag schon, irgendwas findest du doch witzig !

WINNIE: [grinst] Ja, allerdings. Du hast den Sinn damals auch nicht verstanden.

KEVIN: Erzähl doch keinen Blödsinn.

WINNIE: Du wußtest ja nicht einmal, wer "the walrus" war !

Anmerkung: Simpel genug: Im Song "Glass Onion" gibt es den entscheidenden Hinweis:

I told you about the walrus and me--man
You know that we're as close as can be--man
Well here's another clue for you all
The walrus was Paul [McCartney]
KEVIN: Wenigstens kauf ich nicht jedes neue Album, das Donny Osmond rausbringt !

WINNIE: [verletzt] Ich hör doch nicht Donny Osmond !

KEVIN: Nun komm schon ! Du hast ein Riesenposter von ihm genau über dem Bett !

WINNIE: [zu MATT] Das ist 'ne Phase, die ich vorübergehend hatte. Das ist unheimlich lange her ...

KEVIN: Das war letztes Jahr !

ERZÄHLER: Ja, so war das. Auf einen kurzen Nenner gebracht: Wir saßen zu viert in der Hölle.

MATT: Wißt ihr, Donny Osmond ist auch einer, den man nie vergißt. Niemals.

ERZÄHLER: Und das beste daran war: Der Abend fing erst an !

EXT. NACHT. TANZSAAL
[Die vier nähern sich dem Haupteingang, KEVIN und INGA vorneweg.]

MATT: Ich hoffe, die Musik ist gut !

KEVIN: Ja, vielleicht wird die ganze Zeit Donny Osmond gespielt.

WINNIE: Oder die Beatles. Da kannst du ein bißchen erklären, worum es geht !

ERZÄHLER: Als wir schließlich da waren, standen wir kurz vor dem Kriegsausbruch.

[KEVIN nimmt WINNIE zur Seite.]

KEVIN: Winnie, was machst du eigentlich ?

WINNIE: Ich mache absolut gar nichts ! Was machst du denn ?

KEVIN: Ich mache auch gar nichts !

WINNIE: Wie schön ! Dann machen wir ja beide nichts !

[WINNIE betritt zuerst den Tanzsaal.]

ERZÄHLER: Und damit gingen wir hinein, zu einem gepflegten Abend voller Romantik und natürlich - nicht zu vergessen - Spaß.

INT. NACHT. TANZFLÄCHE
[Lauter Rock'n'Roll wird gespielt. Die Tanzfläche ist überfüllt.]

MATT: [staunend] Mann, ist ja richtig voll hier !

KEVIN: Ja. Richtig voll.

WINNIE: Ich finde es sogar etwas übervoll !

ERZÄHLER: Nach einer halben Stunde auf diesem Fest war klar, daß Winnie und ich eigentlich auf verschiedene Kontinente gehörten !

KEVIN: Also, äh, Inga, möchtest du einen Punch ?

INGA: Toll ! Natürlich.

MATT: Gute Idee ! Holen wir uns alle einen Punch !

ERZÄHLER: So leicht kamen wir nicht von einander weg.

KEVIN: Matt, wollen du und Winnie nicht tanzen oder sowas ?

MATT: [begeistert] Ja, natürlich ! [zurückhaltend] Ähm, Winnie ?

WINNIE: [gereizt] Ja, liebend gern. [Sie wirft KEVIN einen bösen Blick zu.]

KEVIN: Gut !

[WINNIE und MATT gehen auf die Tanzfläche:]

MATT: [im Gehen] Was sind deine fünf Lieblingslieder, hä ?

KEVIN: [lächelt triumphierend; zu INGA] Komm mit ! Wir gehen was trinken.

[INGA brummt zustimmend. Sie gehen zu einem der Tische, auf dem massenweise Getränke und Erfrischungen aufgebaut sind.]

ERZÄHLER: Und endlich sah es so aus, als hätten wir tatsächlich die Chance, allein zu sein, uns näher kennenzulernen. Nur ich, Inga ...

PAUL: Hey, Kev, wie läuft's denn ?

ERZÄHLER: ... und natürlich - Liberace.

KEVIN: Paul, das ist Inga. Inga, Paul.

[PAUL steht da und grinst dümmlich.]

INGA: Sehr erfreut, Paul.

PAUL: Vom Sehen kenn ich dich schon - aus der Schule. Wir haben glaub ich zwei Klassenräume nebeneinander. Ich hab Geschichte in 306 ...

KEVIN: [genervt] Paul ...

PAUL: Ja ?

KEVIN: Verzieh dich.

PAUL: [zögert kurz; dann] Ups. Ich muß leider los.

ERZÄHLER: Paul hatte schließlich Verständnis. Dieses Mädchen gehörte mir, mit Leib und Seele - und Geist.

KEVIN: Erzähl, kommst du aus 'ner Großstadt ?

INGA: Jo, unheimlich groß.

KEVIN: Oh.

INGA: [lächelt] Ornskoldsvik.

KEVIN: Fühlst du dich nicht oft allein hier ?

INGA: Jo. Ich fühle mich schon oft allein, aber dann sag ich zu mir selbst: "Fühl dich bloß nicht allein !" und dann bin ich nicht mehr allein ! [kichert]

ERZÄHLER: Da wurde es mir schlagartig klar: Dieses Mädchen hatte soviel Geist wie eine Scheibe Knäckebrot !

KEVIN: Ja.

[MATT und WINNIE kommen zurück.]

MATT: Hey Leute !

KEVIN: Hallo. Wie läuft's denn ?

WINNIE: Bestens.

[KEVIN sieht sie an.]

ERZÄHLER: Mein einziger Trost war, daß sie noch geknickter aussah als ich.

MATT: Inga, möchtest du tanzen ?

INGA: Jo, natürlich !

MATT: Wenn es Kevin nichts ausmacht ?

KEVIN: Nein. Überhaupt nichts ...

MATT: Hey, ich überlaß dir einen Tanz mit Winnie !

KEVIN: Wunderbar !

WINNIE: [sarkastisch] Ich bin entzückt !

["You Are Everything" von den Stylistics beginnt.]

ERZÄHLER: Ach, was soll's ! Der Abend war sowieso im Eimer.

MATT: [zu INGA, als sie gehen] Was sind eigentlich deine vier Lieblingsfarben ?

ERZÄHLER: Trotzdem ergab das alles irgendwie einen Sinn.

[WINNIE fühlt sich anscheinend etwas beschämt wegen ihres Kommentars.]

KEVIN: [hart] Wollen wir nun tanzen oder nicht ?

ERZÄHLER: Ich hatte ihr den Abend versaut und sie hatte mir den Abend versaut. Jetzt konnten wir dieses Fiasko auch gemeinsam zu Ende bringen.

[Sie gehen auf die Tanzfläche.]

KEVIN: Ich versteh nicht, wo dein Problem liegt.

WINNIE: Ich hab kein Problem. Du hast ein Problem.

KEVIN: Ich ?! Du fängst doch wohl andauernd Streit an !

WINNIE: Kein Wunder ! Du klingst heute so affektiert ! Du solltest dich mal hören !

KEVIN: Und was ist mit dir ?

WINNIE: Was ?

KEVIN: Hat dich Matt schon nach deinen fünf Lieblingsmüslis gefragt ?

WINNIE: [seufzt] Sehr witzig.

ERZÄHLER: Ich war stinksauer. Ich kochte vor Wut, war außer mir. [Pause] Aber während wir tanzten, geschah etwas Merkwürdiges.

WINNIE: Matt ist ein netter Kerl.

KEVIN: Ja, gut. Inga ist ja auch nett. Sie ist nur etwas hohl im Hirn.

WINNIE: [lächelt] Matt ist völlig bescheuert !

KEVIN: Komm, so schlimm ist er gar nicht. [sie sehen sich in die Augen]

WINNIE: Inga auch nicht.

KEVIN: Ja. Sie hat schöne ... Haare. [Pause.]

WINNIE: Matt hat auch schöne Haare.

[Sie kommen sich näher.]

KEVIN: Sie haben beide schöne Haare.

ERZÄHLER: Wie gesagt ... [WINNIE legt ihren Kopf auf KEVINs Schulter.] ... etwas ... Merkwürdiges ...

[Sie umarmen und streicheln sich, als "You Are Everything" beginnt:]

SONG: How can I forget
When each face that I see
Brings back memories
Of being with you

I just can't go on living life as I do
Comparing each girl to you
Knowing they just won't do
They're not you-oo-ooh

You are everything, and everything is you
Oh-Ohh, you are everything, and everything is you
Oh-Ohh, you are everything, and everything is you...

KEVIN: [widerwillig] Ich geh' lieber zurück.

WINNIE: [Pause] Stimmt. Ich auch.

[Sie trennen sich widerstrebend, übermannt von Emotionen, und sehen sich hinterher, während sie losgehen, um ihre Partner zu finden.]

ERZÄHLER: Ich war mir nicht ganz sicher, was auf dieser Tanzfläche gerade passiert war. [KEVIN steht mitten auf der Tanzfläche und blickt sie an - genau wie sie ihn.] Aber egal, was es war: Es war verrückt, verwirrend, gefährlich ! [WINNIE blickt sich noch einmal zu ihm um.] Und sehr, sehr schön.

PAUL: [plötzlich hinter ihm] Hi, Kev. Fahren wir noch zum Aussichtspunkt ?

KEVIN: [nicht ganz bei der Sache] Das weiß ich noch nicht.

PAUL: Ja, alles klar. Schon verstanden. Ich weiß auch noch nicht - mal sehen, was der Abend noch so bringt ...

ERZÄHLER: Ich wußte, daß Paul redete - sein Mund bewegte sich und es kamen Geräusche raus, aber meine Gedanken waren woanders.

SONG:
(Ohh!-oh-oh-oh, oh!) Oh-Ohh, you are everything...

[KEVIN und WINNIE nicken beide in Richtung Seiteneingang.]

...and everything is you

[Beide laufen langsam in Richtung der Tür, ohne sich aus den Augen zu lassen.]

ERZÄHLER: Wir spürten plötzlich eine Kraft, die sich unserer Kontrolle entzog - das Schicksal, unsere Bestimmung, Magie !

SONG:
(Oh-ohh!) Oh-Ohh, you are everything, and everything is you
(Everything...) Oh-Ohh, you are everything, and everything is you...

[Sie lassen sich auch weiterhin nicht aus den Augen und beeilen sich, hinaus zu kommen.]

ERZÄHLER: Was es auch immer war - Winnie und ich waren wie zwei Züge, die niemand mehr bremsen konnte, zwei Raketen mit Wärmesensor, die auf unerklärliche Weise von einander angezogen wurden.

[Sie kommen an. Sie sind allein. Niemand ist draußen und selbst "You are Everything" ist kaum noch zu hören.]

KEVIN: [schwer atmend] Hi !

WINNIE: Hi.

[Pause. Der Song endet.]

KEVIN: Wollen wir uns ... unterhalten ?

WINNIE: [nickend] Ja. Laß uns gehen.

EXT. NACHT. HIGHWAY
[KEVINs Auto rast den Highway entlang.]

INT. NIGHT. KEVINS AUTO
ERZÄHLER: Ich wußte, daß es Wahnsinn war. [Sie sehen sich unentwegt an.] Sie wußte, daß es Wahnsinn war. Und das Auto konnte uns einfach nicht schnell genug fahren.

EXT. NACHT. AUSSICHTSPUNKT
[KEVINs Auto bleibt quietschend stehen und er schaltet den Motor ab. Es ist still. Nur ein paar Grillen zirpen.]

INT. NACHT. KEVINS AUTO
KEVIN: [lächelnd] Wir sind da.

WINNIE: [lächelnd] Ja, wir sind da. Denkst du, sie vermissen uns schon ?

KEVIN: Kümmert uns das ? [Pause]

WINNIE: [strahlend, kopfschüttelnd] Ich fasse nicht, daß wir hier sind.

ERZÄHLER: Aber wir hatten keine andere Wahl. Es war so als hätten uns die Sterne, das Universum, das Schicksal aneinander gekettet.

KEVIN: [legt seinen Arm um sie] Winnie ?

WINNIE: [würde ihm die Welt zu Füßen legen] Ja, Kevin ? [dramatische Pause]

KEVIN: Ich hab mich in deinem Kleid verhakt.

WINNIE: [blinzelt] Was ?

KEVIN: Mein Manschettenknopf hängt an deiner Corsage.

WINNIE: Oh.

KEVIN: Ich versuche mal, mich zu befreien.

[Er beugt sich über sie und klemmt sie fast ein, als er versucht, sich zu befreien. Die Federn unter ihren Sitzen quietschen protestierend.]

WINNIE: Okay.

KEVIN: Nicht bewegen.

WINNIE: Ich beweg mich nicht.

KEVIN: Da fällt mir wieder diese Geschichte von den beiden Teenagern ein, bei denen sich ... während des Küssens, die Zahnspangen in einander verhakten ... [ihre Lippen berühren sich beinahe] ... und die dann ins Krankenhaus mußten.

WINNIE: Du glaubst doch nicht etwa, daß das wahr ist, oder ?

KEVIN: Doch, jetzt schon. [befreit sich endlich] So. Jetzt kann ich von dir weg. [Sie sehen einander an.]

WINNIE: [etwas betrübt] Gut.

KEVIN: Vielleicht bleibt ja auch einfach noch hier. [Pause]

WINNIE: Du bist so süß. Du warst immer schon süß.

KEVIN: Deshalb warst du vermutlich auch von Anfang an verrückt nach mir.

WINNIE: [lächelt ernst] Nein, war ich nicht. Du warst nach mir verrückt.

KEVIN: [Pause; dann offen] Du hast recht.

ERZÄHLER: Und da passierte es. In dem Augenblick brachen all die Gefühle, die Winnie und ich immer wieder unterdrückt hatten, unaufhaltsam an die Oberfläche. [KEVIN berührt WINNIEs Lippen.] Wir konnten unsere Leidenschaft nicht länger verbergen. [Pause] Also beugte ich mich zu ihr ... und küßte sie ... mitten auf's Auge.

[Lange Pause. WINNIE ist etwas überrascht. Aber dann ...]

ERZÄHLER: Und dann küßte sie mich ... auch auf's Auge. [Lange Pause]

KEVIN: Was ist passiert ?

WINNIE: Ich weiß nicht genau.

ERZÄHLER: Das wußte keiner von uns beiden. Vielleicht konnten wir schlecht zielen. Vielleicht lag es auch an etwas anderem.

WINNIE: Ich weiß noch, wie wir zwei uns damals das erste Mal sahen.

KEVIN: Ja ... Du hattest ... deinen kleinen Regenmantel an und ... diesen dämlichen ... gelben Südwester.

WINNIE: [lächelnd] Du warst völlig durchnäßt.

KEVIN: Wayne sagte, meine Eltern hätten mir ein Pferd gekauft. Da bin ich rausgerannt ... und ... er hat die Tür zugeknallt. [lächelt]

WINNIE: Du kamst zu uns, weil dir so kalt war.

KEVIN: Ja ... so war's. ... [Pause] Also ... wollen wir einen zweiten Versuch starten ? [Pause]

WINNIE: Ich hätte gern Zeit, um es mir zu überlegen.

KEVIN: Ja. Die brauch ich auch.

[Sie schmiegt sich an ihn und er drückt sie an sich. Percy Sledge's "When a Man Loves a Woman" beginnt.]

ERZÄHLER: Aber letztendlich ... blieb es dabei. Vielleicht ging uns das alles zu schnell. Vielleicht wollten wir an dem festhalten, was wir hatten. Vielleicht wußten wir aber auch beide, daß wir erst andere Dinge finden mußten, bevor wir einander fanden. Als wir dort saßen und die Lichter der Stadt sahen, in der wir zusammen aufgewachsen waren, wußten wir nur eins mit Sicherheit: Es war ein gutes Gefühl. Es war ein ... wunderbares Gefühl.

CLOSING TITLES
Dieses Transcript wurde von Daniel G.



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09/10/01 19:50