Folge 80: Parken will gelernt sein
Drehbuch: Craig Hoffman



OPENING TITLES
OPENING SEQUENCE
Die Eröffnungssequenz zeigt Zeremonien, die von verschiedenen Kulturen rund um den Globus durchgeführt werden.

ERZÄHLER: Jede Kultur hat ihren eigenen Übergangsritus, ein Zeremoniell, das den Sprung von der Kindheit ins Mannesalter besiegelt: Komplizierte Rituale, seltsame Tänze, lebensgefährliche Mutproben. Diese Tradition ist so alt wie die Zivilisation, oder - so aktuell wie Unkraut. Ein steht fest: In der Vorstadt macht ein Junge seine ersten Schritte in Richtung Männlichkeit hinter dem Rasenmäher.

EXT. TAG. HAUS DER ARNOLDS
KEVIN mäht im Vorgarten den Rasen. JACK steht am Auto, das in der Einfahrt steht.

JACK: Kevin !

[KEVIN schaltet den Rasenmäher ab. Inzwischen kommt auf ein rotes Cabrio die Straße entlang.]

JACK: Guck doch mal richtig hin - da bleibt doch die Hälfte stehen !

KEVIN: Entschuldige, Dad.

[Das Cabrio, mit einem Jugendlichen am Steuer, hält direkt vor dem Haus gegenüber. Der Fahrer hupt einmal.]

ERZÄHLER: Ich war 16. Mich beschäftige inzwischen etwas sehr viel wichtigeres als Rasenpflege: Der Führerschein - das Unterscheidungsmerkmal zwischen Jungen ...

[Das Mädchen, das anscheinend im Haus gegenüber wohnt, steigt in den Wagen. Sie umarmt den Fahrer und die beiden fahren weg.]

KEVIN: [neidisch] Glückspilz !

ERZÄHLER: ... und Männern ! Ein bedeutendes Unterscheidungsmerkmal.

JACK: Kev ! Kev ! Was soll denn das da werden ?

KEVIN: Ich wollte nur ...

JACK: Du mähst ja ein Loch in den Rasen !

KEVIN: Ja, Dad !

JACK: Und wenn du fertig bist, räum den Rasenmäher weg, klar ?

KEVIN: [genervt] Okay, mach ich !

ERZÄHLER: Aber die Wahrheit war, daß es im Frühjahr der zehnten Klasse Zeit war, den Rasenmäher einzumotten, das Unkraut zu vergessen, von zwei Zylindern -

EXT. TAG. STRASSE
Ein Auto mit dem Schild "Student Driver" (Fahrschüler) auf dem Dach, bremst scharf ab.

ERZÄHLER: ... auf echte Pferdestärken umzusteigen.

[Das Auto fährt mit quietschenden Reifen los, nur um nach weniger als einem Meter wieder scharf abzubremsen, so daß die Zuschauer auf dem Rücksitz, KEVIN, Harold GRUTNER und ein Junge names SLOVOSKI, mit den Köpfen gegen die Lehnen der Vorsitze geschleudert werden. Dort sitzen ALICE Pedermeir - am Steuer - und ein junger Fahrlehrer, Coach MEECHAM.]

MEECHAM: [geduldig] Schön, Miss Pedermeir, also auf ein Neues !

ALICE: Okay.

MEECHAM: Nur dieses Mal leicht auf die Bremse treten, okay ?

ALICE: Welches Pedal war das ?

ERZÄHLER: Die Fahrstunde: Die letzte Trennungslinie zwischen denen, die es konnten, und denen, die es vielleicht lieber lassen sollten.

[ALICE gibt wieder Gas, allerdings ohne den Fuß von der Bremse zu nehmen.]

ERZÄHLER: Am Ende der zweiten Woche des Fahrunterrichts wurde eins sonnenklar ...

GRUTNER: [holt etwas unter seinem Sitz hervor] Hey, ein schöner alter Kaugummi !

SLOVOSKI: Ja ? Und was für ein Geschmack ?

ERZÄHLER: Wenn es darum ging, ein Kraftfahrzeug zu bewegen, brauchten die anderen noch eine Menge Hilfe.

MEECHAM: Das reicht völlig für heute, Miss Pedermeier.

ALICE: Ich dachte, wir wollten noch auf die Autobahn ! Ich will auf die Autobahn !

ERZÄHLER: Glücklicherweise hatte der Lehrer in diesem Auto voller Nieten noch ein As im Ärmel:

MEECHAM: Arnold ! Bist du bereit ?

KEVIN: Und ob !

[Etwas später sitzt KEVIN am Steuer und ALICE mit den anderen beiden Jungen auf dem Rücksitz. KEVIN fährt sehr ruhig und gleichmäßig, blinkt rechtzeitig, guckt über die Schulter, bevor er die Spur wechselt usw.]

ERZÄHLER: Einen Mann, der zum Autofahren geboren war.

MEECHAM: Das sah doch sehr schön aus !

KEVIN: Na ja - ich tu mein Bestes.

ERZÄHLER: Und ehrlich gesagt war mein Bestes wesentlich besser als das der anderen.

MEECHAM: Euch entgeht hoffentlich nicht, wie sich Arnold vor seinen Spurwechseln über die linke Schulter umdreht. Das ist [klopft auf seine linke Schulter] diese Schulter, Slovoski. [lacht] Und seht euch die Haltung seiner Hände an ! Genau so wird's gemacht ! Die Fahrprüfer achten nämlich auf sowas.

KEVIN: Danke, Coach.

ERZÄHLER: Ich wollte ja nicht angeben, aber was soll's. Bei mir stimmte alles: Die Reflexe, der Instinkt, das Timing - das ganze Repertoire. Na ja - fast das ganze Repertoire.

[KEVIN hält auf dem Übungsplatz an.]

MEECHAM: Na schön. Einige Minuten haben wir noch, also kommen wir doch gleich zum nächsten Kapitel: dem Einparken. Das kommt auf jeden Fall in der Fahrprüfung dran. [eindringlicher] Ich wiederhole: Das kommt in eurer Prüfung dran !

ERZÄHLER: [schadenfroh] He he ! Diese armen Teufel konnten einem fast leid tun !

MEECHAM: Arnold, zeigen wir ihnen doch mal, wie man das macht. Also los.

KEVIN: Gut.

ERZÄHLER: Natürlich war es nicht mehr als recht und billig, daß ich als erster drankam.

MEECHAM: Deine linke Hand nach oben, den rechten Arm über die Lehne ...

[KEVIN macht, was ihm gesagt wird.]

ERZÄHLER: Immer hin war ich das Naturtalent !

MEECHAM: Und nun fahr rein !

[Langsam setzt sich das Auto rückwärts in Bewegung. Die Parklücke, in die es hinein soll, ist vorne und hinten durch rote Plastikkegel markiert.]

ERZÄHLER: Ja, da war sie: die letzte Herausforderung.

MEECHAM: [zufrieden] So geht das !

ERZÄHLER: Das letzte, was mich noch von der Straße trennte. Wenn ich das geschafft hatte, würde ich am Ziel sein.

[Dummerweise fährt KEVIN über das Ziel hinaus und nietet vier der hinteren Kegel um, bevor er anhält. Kurze Zeit herrscht Schweigen, teilweise entsetztes, teilweise überraschtes Schweigen.]

ERZÄHLER: Und da geschah es:

KEVIN: Was ist passiert ?

ALICE: [fröhlich] Du hast ein Hütchen umgefahren ! Er hat ein Hütchen umgefahren ! [lacht]

KEVIN: Tatsächlich ?

GRUTNER: Du hast es umgesägt ! [lacht] Wow !

ERZÄHLER: Das hätte natürlich jedem passieren können, aber aus irgendeinem Grund machte es mich fertig.

KEVIN: [zum Coach] Ich fang nochmal an, ja ?

[In diesem Moment klingelt es zum Stundenende.]

MEECHAM: Entschuldige - die Zeit ist um. Du kannst in der nächsten Stunde üben. Wir sehen uns alle am Donnerstag !

ERZÄHLER: Und das war's. Ich hatte mich ein bißchen verschätzt - nichts weiter. Daran brauchte man keinen Gedanken zu verschwenden.

INT. MITTAG. CAFETERIA
KEVIN sitzt mit seinem Tablett an einem der Tische. Ihm gegenüber sitzen PAUL und CHUCK.

PAUL: Schön, du hast ein Hütchen umgefahren. Und weiter ?

ERZÄHLER: Na gut - einen Gedanken. Aber mehr auch nicht !

CHUCK: Ja, du hast ein Hütchen plattgefahren, keinen Schnauzer oder Dackel !

PAUL: Das ist ja eklig !

CHUCK: Du hast vermutlich recht. Ehrlich, es ist unnütz, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, Kevin ! Du bist wirklich ein guter Fahrer ! Ich hab dich gesehen.

KEVIN: Danke.

PAUL: Aber er hat dich nicht einparken sehen !

CHUCK: Nicht schlecht !

[Beide lachen.]

KEVIN: [gekränkt] Was meinst du damit ?

PAUL: Gar nichts ! Das war nur ein Witz.

CHUCK: Mann, das ist doch kein Grund, gleich zu explodieren !

PAUL: Was soll's - beim Parken ist es ganz normal, die ersten paar Male zu versauen, oder ?

CHUCK: Vollkommen normal !

ERZÄHLER: Das Problem war, daß es hier nicht um irgendjemanden ging. Es ging um mich !

KEVIN: Hey, ich sagte nicht "mehrere Male" - es war nur einmal, also laß die Sprüche !

PAUL: Bitte.

KEVIN: Davon abgesehen - es ist wohl noch keiner durchgefallen, nur weil er nicht perfekt einparken konnte !

PAUL: Stimmt.

KEVIN: Also.

ERZÄHLER: Und damit basta. Gegen diese Logik kam nichts an.

EXT. TAG. ÜBUNGSPLATZ KEVIN sitzt wieder am Steuer. Das Auto steht vor dem Parkplatz und alle Kegel sind richtig aufgestellt.

ERZÄHLER: Theoretisch zumindest.

MEECHAM: Okay, nächster Versuch, Arnold ! Nimm die linke Hand nach oben, den rechten Arm über die Lehne. Bist du bereit ?

[Der ERZÄHLER schnauft abfällig.]

KEVIN: Alles klar.

ERZÄHLER: Natürlich war ich bereit !

[KEVIN blickt nach hinten, sieht allerdings nur SLOVOSKI, der groß und stämmig gebaut ist und ihm damit die Sicht versperrt.]

KEVIN: [ärgerlich] Slovoski, nimm den Kopf zur Seite !

[SLOVOSKI beugt sich vor.]

ERZÄHLER: Ich war bloß ein bißchen ... angespannt ! Das war alles. Immerhin stand mein Ruf auf dem Spiel !

[KEVIN fährt langsam rückwärts.]

ERZÄHLER: Trotzdem - mit der richtigen Konzentration ...

MEECHAM: [zufrieden] So geht das !

ERZÄHLER: ... und meinen gottgebenen, natürlichen Instinkten ...

MEECHAM: So geht das.

[KEVIN hält an. Er hat nicht ein einziges Hütchen umgefahren.]

ERZÄHLER: Ja ! Was für ein Comeback ! Mein Schiff hatte alle Klippen umsegelt !

[Coach MEECHAM öffnet seine Tür und blickt argwöhnisch nach draußen - ihn trennt noch ungefähr ein Meter von der Bordsteinkante.]

ERZÄHLER: Hauptsache, es störte einen nicht, zum Bordstein zu schwimmen ...

ALICE: [glücklich] Er hat versagt ! [lacht]

HAROLD: Und wie ! [lacht]

MEECHAM: [belustigt] Gut, Arnold. Wir parken dann das nächsten Mal den Rest des Autos ein !

[Alle lachen, selbst der Coach.]

ERZÄHLER: Mmh ...

EXT. TAG. GARAGE
KEVIN fährt den Rasenmäher in die Garage und stellt ihn in eine Ecke.

ERZÄHLER: An dem Wochenende gab mir der alte Rasenmäher aus irgendeinem Grund ein ... gutes Gefühl - ein Gefühl der Vertrautheit, im Gegensatz zum Autofahren !

JACK: Kevin ?

KEVIN: Schon gut, schon gut ! Ich hab ihn weggestellt !

JACK: Nein ! Wir müssen ein paar neue Türen holen.

KEVIN: Oh.

JACK: Hier ! Du fährst ! [wirft KEVIN die Autoschlüssel zu]

KEVIN: Oh !

JACK: Du willst doch sicher noch ein bißchen üben. Denk dran - bald hast du deine Prüfung !

KEVIN: Schon, aber ...

ERZÄHLER: An jedem anderen Tag hätte ich liebend gern mit Dads Straßenkreuzer die Gegend unsicher gemacht, aber ...

KEVIN: Also ich weiß nicht. Ich bleib vielleicht doch hier.

JACK: Wieso ? Ist irgendwas ?

KEVIN: [schnell] Oh nein ! Nein. Es ist nur ...

ERZÄHLER: Ich hätte es ihm sagen sollen. Ich hätte es tun sollen, aber ich tat es nicht.

KEVIN: Nicht so wichtig.

JACK: Dann können wir ja gehen. Komm !

EXT. TAG. STRASSE
KEVIN sitzt auf dem Fahrersitz, JACK neben ihm. Gerade kommt er an eine Kreuzung und wartet.

ERZÄHLER: Ich weiß nicht ... Vielleicht brauchte ich bloß ein bißchen Zeit, um über alles nachzudenken.

JACK: Nicht übel. Großartig.

KEVIN: Danke.

ERZÄHLER: Vielleicht mußte ich auch bloß vom großen Häuptling aufgebaut werden. Wie auch immer. Als wir in der Stadt ankamen, war ich wieder obenauf - zu allem bereit.

[Nur einige Schritte weiter fährt ein Auto aus einer Parklücke.]

JACK: Am besten, du parkst da vorne ein !

ERZÄHLER: Schluck !

JACK: Nu mach schon ! Fahr da rein !

KEVIN: Äh ... klar. Das mach ich, Dad.

[KEVIN fährt langsam um die Ecke.]

ERZÄHLER: Das war natürlich der falsche Zeitpunkt, um in Panik zu geraten, das wußte ich. Das war doch ganz einfach ! Ich brauchte nur zwei Tonnen Stahl in eine vier mal drei Meter große Parklücke hineinzuquetschen.

[KEVIN hält das Auto vor der Parklücke an, fährt aber nicht hinein, sondern bleibt stehen.]

ERZÄHLER: Es war nichts dabei. Ich mußte mir das alles nur noch einmal durch den Kopf gehen lassen, ruhig und vernünftig. Und da machte ich meinen verhängnisvollen Fehler: Ich ließ es mir eine Sekunde zu lange durch den Kopf gehen.

JACK: [ungeduldig] Kev !

KEVIN: Hä ?

JACK: Worauf wartest du noch ?

KEVIN: Äh ...

[Hinter ihnen hupt ein anderer Fahrer ungeduldig.]

KEVIN: Auf nichts !

ERZÄHLER: Aber als ich dort völlig gelähmt saß, wußte ich eins: Nur ein Wunder konnte mich jetzt noch retten.

[Noch einmal ertönt eine Hupe, dann fährt ein kleiner, roter Wagen ohne Probleme vorwärts in die Parklücke.]

ERZÄHLER: Oder ein Käfer Cabrio, Baujahr 1970.

JACK: [verärgert] Was denkt der sich eigentlich dabei ? Sieht der deinen Blinker nicht ? Solche Idioten sollte man nicht auf die Straße lassen !

KEVIN: Wem sagst du das ?!

JACK: Na ja - dann such weiter !

KEVIN: Gut, Dad. [fährt langsam weiter]

ERZÄHLER: Aber obwohl ich diesmal gerade noch davongekommen war, war mir die Wahrheit bewußter denn je: Anstatt mein Leben auf der Überholspur zu verbringen, war ich dazu verdammt, bis an mein Ende um den Block zu kreisen.

EXT. TAG. HAUS DER ARNOLDS
KEVIN mäht einmal mehr den Rasen vor dem Haus, und wieder kommt das rote Cabio angefahren.

ERZÄHLER: Erwachsenwerden in der Vorstadt: Das Ritual, die Zeremonie - die Herrlichkeit.

[Das Cabrio hupt, parkt rückwärts vor dem Haus gegenüber ein und hupt noch einmal.]

ERZÄHLER: Zumindest für den, der einparken konnte. Ein paar Tage vor meiner Fahrprüfung ...

JACK: Hey Kevin ! Räum den Rasenmäher hinterher weg !

KEVIN: [genervt, leise] Ja ! Ja ! Ja !

ERZÄHLER: ... sah es langsam so aus, als sei der einzige fahrbare Untersatz, den ich je lenken durfte, ein Rasenmäher mit Vertikutiereinrichtung.

EXT. TAG. ÜBUNGSPLATZ
Luftaufnahme des Fahrschulautos, das langsam, aber perfekt, rückwärts einparkt.

MEECHAM: Schön langsam reinfahren ! [kurze Pause] Perfekt !

ERZÄHLER: Das furchtbare war: Je mehr ich mich anstrengte, desto schlimmer wurde es.

MEECHAM: Gut, Grutner !

ERZÄHLER: Man könnte sagen, es fing an, an meinem Selbstbewußtsein zu nagen.

MEECHAM: Als letzter ist Arnold dran ! Oder willst du lieber Schafe hüten ?

[Wieder lachen alle über KEVIN, der sich sich selbst als kleines Mädchen mit Kleidchen, weißer Haube und Schäferstöckchen vorstellt, während er zwischen ALICE und SLOVOSKI auf dem Rücksitz sitzt.]

INT. TAG. SCHULKORRIDOR
KEVIN läuft allein einen Gang entlang.

ERZÄHLER: Wenn ich da jemals wieder rauskommen wollte, mußte ich mich in meinem Territorium behaupten, meine Männlichkeit unter Beweis stellen. Die Frage war nur, wie.

[Gerade ist KEVIN an einem Mädchen vorbeigelaufen, das an einem Schließfach steht.]

JESSICA: Hallo Kevin !

ERZÄHLER: Hallo !!

KEVIN: [geht zu ihr] Jessica ! Hallo !

ERZÄHLER: Jessica Thomas - genau die richtige Frau, um einen Mann wieder auf Touren zu bringen.

JESSICA: Ich wollte nur fragen, ob du mir deine Bionotizen von gestern leihst.

ERZÄHLER: Und ich hatte etwas, was sie wollte !

KEVIN: Klar ! [kurze Pause] Was tust du ... diesen Freitag ?

JESSICA: Ich weiß nicht. Kommt drauf an.

ERZÄHLER: Wir könnten tanzen gehen ... Hast du Lust ?

JESSICA: Auf sowas steh ich nicht so sehr.

KEVIN: Oder wir könnten es auch lassen.

JESSICA: Ich hab vielleicht schon Pläne ...

KEVIN: Dann sag sie ab !

ERZÄHLER: Na schön, das war riskant, aber ...

JESSICA: Okay. Das mach ich.

ERZÄHLER: Bingo.

JESSICA: Also, wir sehen uns Freitag ?

KEVIN: Freitag.

ERZÄHLER: Ja ! Ich hatte den Gipfel gesehen und ihn bezwungen !

JESSICA: Komm am besten gegen Acht. Den Wagen kannst du draußen parken.

ERZÄHLER: Parken ?!

KEVIN: Wagen !?

JESSICA: Du hupst dann, ja ? [schließt ihr Fach und geht]

ERZÄHLER: Oh nein ! Oh nein ! Oh nein !

[KEVIN stellt sich wieder sich selbst in dem Mädchenkostüm vor. Diesmal ist er sogar von drei oder vier Schafen umringt, die pausenlos blöken, aber keiner der vorbeikommenden Schüler beachtet ihn.]

INT. FAHRSCHULE. PRÜFSTELLE
KEVIN kommt an einen der Schalter gestürmt, an dem ein etwas älterer Angestellter mit einer riesigen Brille steht.

KEVIN: [bestimmt] Ich will meine Fahrprüfung ablegen ! Sofort !

ERZÄHLER: Es reichte mir ! Ich hatte keine Lust, den Rest meines Lebens als Schäferin zu verbringen !

[Der ANGESTELLTE blickt langsam zu ihm auf.]

ANGESTELLTER: [ruhig] Setzen Sie sich ! Sie sind noch nicht dran.

[Hinter KEVIN steht eine lange Schlange wartender Fahrschüler, von Jugendlichen bis hin zu Rentnern.]

ERZÄHLER: Und wenn die noch so unhöflich waren - es war mir egal ! Es war Zeit, den Stier bei den Hörnern zu packen, ganz gleich wer zusah !

[Und das ist niemand anderer als NORMA, die ihm von weitem zulächelt.]

INT. NACHMITTAG. WARTERAUM
Es ist noch relativ früh am Nachmittag. KEVIN hat sich einen Platz gesucht und ist von lauter Rentern umgeben.

PRÜFERIN: [kommt aus einem Raum; ruft auf] Vogel ! [verschwindet wieder]

ERZÄHLER: Das komische war: Nachdem ich da saß, wurde ich tatsächlich irgendwie ... ruhig.

PRÜFERIN: Donlevy !

ERZÄHLER: Ja, es bestand kein Zweifel: Ab jetzt war es nur noch eine Frage der Zeit.

[Eine Wanduhr läuft unaufhaltsam weiter, während KEVIN wartet und die PRÜFERIN ab und zu hinauskommt und jemanden aufruft: Eggert, Rierden ...]

ERZÄHLER: Aha. Man brauchte nichts anderes tun als zu warten.

[Die Uhr tickt weiter.]

PRÜFERIN: Chang !

ERZÄHLER: [ungeduldig] Jetzt war es jeden Moment soweit.

PRÜFERIN: Byrd !

ERZÄHLER: Und dann ... hatte mein Stündlein geschlagen !

[Es ist bereits spät am Nachmittag - eigentlich schon fast Abend -, als die PRÜFERIN "Arnold" aufruft und ein Gong ertönt.]

ERZÄHLER: Ehrlich, ich schwöre, daß ich zu allem bereit war !

[KEVIN sieht aber nicht so aus. Er steht vor seinem Platz und starrt die PRÜFERIN ängstlich an.]

ERZÄHLER: Ich war bis ins tiefste meines Inneren konzentriert, zuversichtlich - ich ...

FRAU: [vor ihm] Alles gute ! [drückt ihm die Daumen]

ERZÄHLER: ... Ich machte, daß ich weg kam !

[KEVIN flüchtet.]

INT. NACHMITTAG. ZUSCHAUERWARTERAUM
KEVIN stürzt zu NORMA, die geduldig Zeitung liest, in den Warteraum für die Zuschauer.

NORMA: Oh, fertig Schatz ?

KEVIN: Ja, komm schon !

NORMA: Lief es gut ?

KEVIN: Mmh, erste Sahne !

ERZÄHLER: Wie gesagt - erste Sahne.

INT. ABEND. WOHNZIMMER
KEVIN sitzt am Tisch. NORMA und JACK plazieren eine Torte mit einem grünen Aufguß in Form eines Autos vor ihn.

JACK: Junge, du hast es geschafft !

NORMA: Wir gratulieren, Schatz !

KEVIN: [bleibt sitzen; unwohl] Danke, Mom. Danke, Dad. Das ist wirklich ... toll.

ERZÄHLER: Aber es war furchtbar ! Ich war ein Versager und ein Lügner - meiner ganzen Familie gegenüber.

[WAYNE kommt dazu.]

WAYNE: Zeig ihn her, Blödsack !

KEVIN: Äh, was ?

WAYNE: Na deinen Führerschein ! Wo ist er ?

KEVIN: Äh ...

WAYNE: Du hast ihn doch nicht schon verloren, oder ?

KEVIN: Nicht doch ! Oh nein ! Er ist nur ... er ist in meiner andern Hose.

WAYNE: Mmh.

KEVIN: In meiner andern Brieftasche ! [kurze Pause] Was soll's - er ist ja nur vorläufig.

NORMA: Es ist doch nicht zu glauben ! Ich sehe noch, wie dein Vater dir das Fahrradfahren beibringt - und nun kannst du Auto fahren ! Das ihr so schnell erwachsen sein würdet, habe ich nicht erwartet.

ERZÄHLER: Ich konnte es nicht fassen: Meine Eltern wurden meinetwegen richtig rührselig und drückten auf die Tränendrüse ! Darauf konnte ich eigentlich nur noch eins sagen:

KEVIN: Entschuldigt, aber ich muß mal ! [will gehen]

JACK: Einen Augenblick !

KEVIN: [ängstlich] Ja, Dad ?

JACK: Hier, das ist von uns. Eine kleine Überraschung.

[Er überreicht KEVIN ein kleines Päckchen.]

JACK: Die wirst du brauchen. Jawohl, dein eigener Satz Autoschlüssel !

ERZÄHLER: Oh Mann oh Mann !

KEVIN: [unwohl] Danke ...

JACK: Ich bin stolz auf dich, Junge.

ERZÄHLER: Äh ... ja ...

INT. NACHT. KEVINS ZIMMER
KEVIN schläft sehr unruhig. Er hört immer wieder Stimmen.

ERZÄHLER: Ich konnte an diesem Abend nicht einschlafen. Ich mußte immer wieder an meine Zukunft denken. Ich würde erwachsen werden, auf's College gehen, eine Familie gründen und der einzige Profi-Footballspieler werden, der mit seinem Fahrrad zum Endspiel fahren muß.

JACK: [voice over] Ich bin stolz auf dich, Junge.

NORMA: [v/o] Das ist doch nicht zu glauben.

JACK: [v/o] Dein eigener Satz Autoschlüssel.

WAYNE: [v/o] Na dein Führerschein - wo ist er ?

MEECHAM: [v/o] Oder willst du lieber Schafe hüten ?

JACK: [v/o] Ich bin stolz auf dich, Junge. Ich bin stolz auf dich ...

[Ein lautes, alptraumhaftes Blöken von Schafen reißt KEVIN entgültig aus dem Schlaf. Er schreckt hoch.]

ERZÄHLER: Und da wußte ich, was ich tun mußte.

EXT. NACHT. HAUS DER ARNOLDS
KEVIN schleicht leise aus dem Haus und zum Auto.

ERZÄHLER: Wie der junge Krieger, der in die Dunkelheit des Dschungels hinausgeschickt wird, um seine Männlichkeit zu beweisen, so würde ich lernen, wie man einparkt - und zwar auf die einzig mögliche Art und Weise: allein.

KEVIN: [leise; zu sich selbst] Jetzt oder nie !

[KEVIN beginnt, langsam rückwärts in Richtung Straße zu fahren.]

ERZÄHLER: Klar, ich machte mich des Autodiebstahls schuldig - aber hier ging es um etwas Wichtigeres ! Ich mußte die Chance wahrnehmen - und das sofort ! Mir stand nichts mehr im Wege ...

[Außer dem Rasenmäher, der unglücklicherweise noch nahe der Straße in der Einfahrt stand. KEVIN hält das Auto an, als die Hinterräder den Rasermäher ein Stück den Beton langschleifen.]

ERZÄHLER: ... dachte ich zumindest.

[KEVIN steigt aus, sieht nach, was er überfahren hat und bleibt neben dem Rasenmäher hocken.]

ERZÄHLER: In diesem Augenblick erreichte ich den absoluten Tiefstpunkt ! Ich konnte nicht fahren, ich konnte nicht einparken - ich hatte mir nicht einmal merken können, den Rasenmäher wegzuräumen.

[Die Haustür wird geöffnet und JACK kommt im Bademantel heraus.]

JACK: [ruft laut] Hey, wer ist da draußen ?

ERZÄHLER: Ich dachte, schlimmer könne es einem nicht mehr gehen. Aber dann ging es mir schlimmer. Eine Sekunde lang spielte ich tatsächlich mit dem Gedanken, um mein Leben zu rennen.

[JACK kommt näher und entdeckt KEVIN, der immernoch neben dem Rasenmäher hockt.]

JACK: Was soll denn das, hä ?

ERZÄHLER: Aber irgendwie wußte ich, daß ich nicht mehr weglaufen konnte. Es war Zeit, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen.

KEVIN: [steht auf] Ich kann nicht einparken. Das mit meinem Führerschein war gelogen - ich hab die Prüfung nicht gemacht. Ich konnte es einfach nicht. [kurze Pause] Hier. [gibt JACK die Schlüssel] Nimm sie. Ich will sie nicht haben.

ERZÄHLER: Und vielleicht lernte ich in dem Moment etwas, darüber, was es heißt, ein Mann zu sein.

[Pause.]

JACK: [ruhig] Du willst sie schon. [kurze Pause] Komm, fahren wir los.

KEVIN: [erstaunt] Wohin ?

JACK: Du kannst dich doch nicht ewig drücken.

EXT. NACHT. STRASSE
Irgendwo haben JACK und KEVIN einen provisorischen Übungsparkplatz aufgebaut, begrenzt durch vier kleine Mülltonnen. KEVIN übt das Einparken, und die Kamera zeigt aus der Luftperspektive, daß er es gut hinkriegt.

ERZÄHLER: Ich habe es gelernt - von einem, der es konnte.

[JACK steht draußen und beobachtet, wie KEVIN einparkt.]

JACK: [ruft] Noch ein kleines Stück ! So ist gut. Okay ! Jetzt rechts einschlagen ! Ja, gut so ! Und gerade lenken ! Gut ! [applaudiert] Gut !

ERZÄHLER: In dieser Nacht brachte mir mein Vater eine Menge bei: Wie man einparkt, warum man den Rasenmäher wegstellt, und - in gewisser Weise - was zum Erwachsenwerden gehört. Am folgenden Montag nahm er sich den Nachmittag frei, wir gingen zusammen zur Prüfstelle und ich machte meinen Führerschein. Dad war so stolz ! Dann - nahm er ihn mir wieder weg und verpaßte mir einen Monat Hausarrest.

CLOSING TITLES
Dieses Transcript wurde von Daniel G.



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09/10/01 19:50