Folge 77: Herzlichen Glückwunsch, Dad
Drehbuch: Gina Goldmann



OPENING TITLES
OPENING SEQUENCE
Aufnahmen von JACKs früheren Geburtstagen, als er noch nicht einmal 40 Jahre alt und die Kinder noch klein waren. KEVIN ging wahrscheinlich noch nicht einmal zur Schule, aber er freut sich mit den anderen. Sie albern herum, spielen, packen Geschenke aus, essen Torte - und lassen JACK für einen Tag König sein, gekrönt mit einer großer, bunten Papierkrone.

ERZÄHLER: Mein Vater war schon immer wild auf Geburtstage. Er liebte das alljährliche Ritual, die Aufmerksamkeit, die Torte - na ja, die Torte liebten wir alle. Aber vor allem liebte Dad unsere Geschenke. Egal, was wir ihm schenkten, es war immer seine große Stunde, in der die Sonne nur für ihn schien - seine Chance, einen Tag lang König zu sein.

INT. TAG. KÜCHE
Die ganze Familie außer KAREN, die bei ihrem Freund MICHAEL wohnt, sitzt am Abendbrottisch.

ERZÄHLER: Unglücklicherweise sah der König kurz vor seinem Geburtstag 1971 nicht sehr ...

[WAYNE rülpst und erntet dafür böse Blicke von JACK.]

ERZÄHLER: ... königlich aus.

WAYNE: Entschuldigt.

ERZÄHLER: Vielleicht lag es daran, daß er in einer Woche 43 werden würde. Vielleicht lag es an den täglichen Ärgernissen. Vielleicht lag es aber auch an etwas anderem.

NORMA: [gut gelaunt] Jack, ich hab heute mit Karen geredet.

JACK: [grimmig] Darüber möchte ich nicht sprechen.

NORMA: Na ja, sie hat sich bloß erkundigt, wie es uns geht.

JACK: Es geht uns gut.

NORMA: Und sie hat mir noch gesagt, daß sie uns ...

JACK: Darüber möcht ich nicht sprechen !

ERZÄHLER: Offen gesagt war Dad in den vergangenen sechs Monaten, seit er herausgefunden hatte, daß meine Schwester ohne den Segen der Kirche mit jemandem zusammenlebte, etwas einsilbig geworden.

[JACK brummt grimmig.]

ERZÄHLER: Natürlich taten wir unser bestes, um den Häuptling aufzumuntern.

KEVIN: Ach Dad, wer ist wohl diesmal in der Football-Endrunde ?

[Auch KEVIN bekommt nicht mehr als einen grimmigen Blick. Eine kurze, aber unangenehme Pause entsteht.]

WAYNE: Ich kapier das nicht. Ich meine, was soll der Aufstand ? Halb so wild. Sie haust da in dieser Bude - mit einem Kerl.

[JACK brummt noch einmal, diesmal aber erheblich länger und wütender.]

NORMA: Ähm, Jack, äh ... Am besten, ihr unterhaltet euch in Ruhe.

ERZÄHLER: Aber egal, wie sehr wir uns anstrengten - der Riß in unserer Familie war einfach nicht zu kippen.

JACK: [genervt und wütend] Darüber möchte ich nicht sprechen !

EXT. TAG. KARENS HAUS
Großaufnahme von KARENs Gesicht.

KAREN: [genervt] Darüber möchte ich nicht sprechen. Okay ?

ERZÄHLER: Na ja. Wie der Vater, so - die Tochter.

NORMA: Schatz, er ist dein Vater ...

KAREN: Mom, bist du wirklich den ganzen Weg hergefahren, um mir das zu sagen ?

NORMA: Nein. Ich wollte euch ein paar Einkäufe bringen.

[KEVIN und MICHAEL mehr als ein Dutzend Papiertüten aus dem Auto der Arnolds holen. Obwohl sie sich bemühen, bekommen sie nicht einmal alle Tüten auf einmal hochgestemmt.]

ERZÄHLER: Alle zwei Wochen erfand meine Mutter irgendeinen Vorwand, um sich hinter feindliche Linien zu schleichen und zu versuchen, die Verbindung wiederherzustellen.

KAREN: Wir können hier in unserer Gegend auch einkaufen. [geht ins Haus]

ERZÄHLER: Mit ... wechselhaftem Erfolg.

MICHAEL: [zu KEVIN] Kannst du's so tragen ?

KEVIN: Ja, wird schon gehen.

MICHAEL: Deine Mom weiß, daß wir nur zu zweit sind, oder ?

KEVIN: Eigentlich schon.

ERZÄHLER: Das war Michael, Karens Freund - oder Mitbewohner - oder ... bessere Hälfte. Was auch immer.

MICHAEL: Also, äh, was macht dein Dad ?

KEVIN: Na ja, er ist ... genauso drauf wie immer.

MICHAEL: Nur noch finsterer.

KEVIN: Allerdings.

ERZÄHLER: Die Sache war die: Obwohl ich diesen Kerl hätte hassen sollen, tat ich es nicht. Aber das war nicht das Problem.

[MICHAEL klemmt KEVIN noch eine Zucchini unter das Kinn, schlägt mit einem Fuß die Tür zum Rücksitz zu und beginnt, seine Tüten in Richtung Haus zu schleppen. KEVIN folgt ihm.]

INT. TAG. KARENS KÜCHE
Die Tüten stehen auf dem Küchentisch und KEVIN ist dabei, Lebensmittel in den Kühlschrank zu räumen. KAREN, MICHAEL und NORMA stehen um den Tisch herum.

KAREN: Wir leben miteinander, wir schlafen miteinander und wir teilen auch sonst alles.

ERZÄHLER: Das war das Problem.

NORMA: Ja, das wissen wir, Schatz.

KAREN: Nein, nein. Vielleicht weißt du das, aber Dad scheint es nicht zu wissen.

NORMA: Du mußt ihm einfach etwas Zeit geben !

KAREN: Jetzt mal ehrlich: Er ist ein starrköpfiger, bornierter Dickschädel ! Nicht, Kevin ?

KEVIN: [erschrocken] Äh ...

NORMA: [verärgert, aber ruhig] Hör auf, so über deinen Vater zu reden, Karen !

MICHAEL: Also, äh ... Wer ist wohl diesmal in der Football-Endrunde ?

[Er bekommt darauf keine Antwort.]

ERZÄHLER: Das Leben lief hier offenbar in denselben Bahnen wie bei uns.

MICHAEL: Nicht so wichtig.

NORMA: Karen, du benimmst dich nicht fair. Also - komm und rede mit ihm !

KAREN: Das würd ich gern tun ...

NORMA: Dann wäre ja alles klar !

KAREN: [zieht MICHAEL zu sich heran] Aber nicht ohne Michael !

[NORMA seufzt hilflos.]

ERZÄHLER: Womit wir wieder am Anfang waren.

MICHAEL: Weißt du, vielleicht würde es euch nicht schaden, wenn ihr ... wenn ihr euch zusammen ... hinsetzt. Ich meine, er ist dein Vater, oder ? Und ... er bezahlt auch die vielen Lebensmittel, oder ? [seufzt] Ich glaube, im Auto liegt noch 'ne Tüte. Oder ?

KEVIN: [hilfsbereit] So ist es !

[MICHAEL geht.]

ERZÄHLER: Und das war's dann.

NORMA: Schatz ...

KAREN: Es gibt sonst wirklich nichts zu besprechen, Mom.

ERZÄHLER: Wir hatten die Wahl zwischen dem Regen und der Traufe. Aber es gab noch eine dritte Möglichkeit:

INT. TAG. LADEN
Ein kleiner Laden, in dem KEVIN und WAYNE nach einem passenden Geburtstagsgeschenk für JACK suchen.

ERZÄHLER: Einkaufen.

[WAYNE hat eine gelbe Geburtstagskarte mit einem buckligen, am Stock gehenden Greis gefunden.]

WAYNE: [liest] Herzlichen Glückwunsch, Dad. Du wirst nicht älter - das wär kaum mehr möglich ! [lacht]

KEVIN: Das willst du ihm doch nicht etwa schenken !

WAYNE: Wieso nicht ? Mom sagt, wir können ihm schenken, was wir wollen.

ERZÄHLER: Im Falle meines Bruders hieß das: Alles unter einem Dollar ! Ich dagegen hatte den ganzen Sommer gearbeitet - und das war das erste Mal in meinem Leben, daß ich es mir leisten konnte, mehr für den Geburtstag meines Vaters auszugeben. Dummerweise hatte ich nicht die geringste Ahnung, was ich kaufen sollte.

[Nachdem KEVIN eine Weile durch die Gänge geirrt ist und in allen Regalen nach etwas Passendem gesucht hat, ist er schließlich an der Kasse angekommen.]

VERKÄUFERIN: Kann ich etwas für dich tun ?

KEVIN: Žhm, ja ! Ich brauche ein Geschenk für meinen Dad !

VERKÄUFERIN: [fröhlich] Da habe ich das Richtige !

ERZÄHLER: Klasse ! Ein bißchen professionelle Beratung.

VERKÄUFERIN: Socken !

[Sie hält KEVIN einen Plastikfuß vor die Nase, der vollständig von einer gelben Socke bedeckt ist.]

ERZÄHLER: [abfällig] Socken !

VERKÄUFERIN: Die sind aus reinem Polyester ...

KEVIN: Oh, nicht doch ... Wissen Sie, ich wollte diesmal etwas ... besseres.

VERKÄUFERIN: Verstehe. Das bekommen wir schon hin. Am besten wär's, du erzählst mir ein bißchen von ihm.

KEVIN: Na ja - er ist mein Dad und, äh ...

ERZÄHLER: Mal nachdenken ...

KEVIN: Er ist irgendwie ... Er ist so 'ne Art ...

ERZÄHLER: Wie sollte man einen Mann wie ihn in Worte fassen ?

INT. TAG. KÜCHE
JACK liegt auf dem Fußboden, mit dem Kopf unter dem Waschbecken. Während er dort irgendetwas repariert, steht KEVIN neben ihm. Es metallenes Klirren ertönt.

JACK: Verdammt !

ERZÄHLER: Das ... wäre ein Ansatz.

KEVIN: Dad ?

JACK: [verärgert] Was ?

KEVIN: Was wünschst du dir zum Geburtstag ?

ERZÄHLER: Ich dachte, ich hole mir eine Insiderinformation.

JACK: [streckt die Hand aus] Schraubenzieher !

ERZÄHLER: Oder auch nicht.

[KEVIN gibt ihm einen Schraubenzieher.]

KEVIN: Ich meine ... hättest du etwas unheimlich gern, aber niemand kauft es dir ? Weißt du etwas, das ...

JACK: Nein !

KEVIN: Oh.

[JACK kommt unter dem Waschbecken hervor und setzt sich davor auf den Boden. In der Hand hält er einen Teil des Abflußrohres.]

JACK: Klasse. Das ist echt Klasse ! Die Bude fällt mir unter meinen Händen auseinander.

ERZÄHLER: Ich hatte den Mann noch nie so am Boden gesehen.

[JACK beginnt trübselig, mit dem Schraubenzieher in dem Stück Abflußrohr herumzukratzen.]

ERZÄHLER: Irgendjemand mußte etwas unternehmen - und zwar schnell.

[NORMA kommt in die Küche.]

NORMA: Jack ?

JACK: Ja ?

ERZÄHLER: Und dann unternahm meine Mutter etwas.

NORMA: Ich hab nachgedacht - wegen der Geburtstagsparty.

JACK: [bestimmt] Ich möchte keine Party.

NORMA: Oh, also schön. Dann wird es eben keine Party, es wird so eine Art ... Familientreffen.

ERZÄHLER: Aber wenn Mom dachte, sie könne ihn damit einfangen, dann hatte sie auf den falschen Köder gesetzt.

JACK: Vergiß es, Norma !

KEVIN: Ja, hör auf, Mom, das hat doch keinen ...

NORMA: Ich weiß, Karen würde gern kommen !

JACK: [horcht auf] Ach, wirklich ?

NORMA: Ich hab heut früh mit ihr gesprochen.

JACK: Und sie hat dir gesagt, sie würde gern kommen ?

NORMA: [bestätigend] Mmh.

ERZÄHLER: Das war seit Wochen die erste zarte Andeutung eines Lächelns auf seinem Gesicht.

NORMA: Sie hat mit Michael gesprochen und, äh, die zwei wollen am Samstag hierher fahren und ...

JACK: [wütend] Was ?! Vielen Dank - nur über meine Leiche ! [wirft das Rohrstück in eine Ecke]

NORMA: Aber Schatz, das ...

JACK: Nein ! Ich hab keine Lust, darüber zu reden.

[JACK will durch das Wohnzimmer flüchten, aber NORMA folgt ihm - KEVIN ebenfalls. WAYNE sitzt auf dem Sofa, sieht fern und ißt Popcorn.]

NORMA: Jetzt hör mal gut zu, Jack: ...

[JACK bleibt stehen, dreht sich aber nicht um.]

NORMA: Sie ist unsere Tochter ! Wie kannst du dich da nur so verhalten ?

JACK: Und was ist mit ihr ? Sie wohnt doch zusammen mit diesem ...

ERZÄHLER: Mmh ...

JACK: ... diesem ...

ERZÄHLER: Schurken ? Kindesräuber ?

NORMA: Sie möchte gern zu deinem Geburtstag kommen, Jack !

JACK: [schreit] Nicht mit diesem Kerl ! Nicht in meinem Haus !

ERZÄHLER: Und das war's. Dads allerletztes Wort. Ende der Diskussion. Es gab nichts mehr zu sagen, außer ...

WAYNE: Gut - dann gehen wir eben woanders hin.

JACK: Hä ?

ERZÄHLER: Das war vielleicht der am meisten inspirierte Augenblick in Waynes langer, miserabler Jugend.

[WAYNE macht, so wie er Popcorn in sich hineinschiebend vor dem Fernseher sitzt, keinen sonderlich inspirierten Eindruck.]

KEVIN: Ja ! Gehen wir in ... ein Restaurant !

JACK: [nachdenklich] Ein Restaurant ...

[So, wie er das sagt, hält er es zumindest für eine gute Idee.]

ERZÄHLER: Und mit einem Mal hatten wir Dad festgenagelt !

NORMA: Was sagst du dazu, Schatz ?

ERZÄHLER: Ein gezielter Schlag hatte die Mauer aus Sturheit und Prinzipien zum Einstürzen gebracht. Was konnte der alte Kerl schon sagen, außer ...

JACK: Und wer sucht das Restaurant aus ?

NORMA und KEVIN: [gleichzeitig] Du natürlich.

JACK: [erfreut] Oh !

EXT. ABEND. RESTAURANT
JACKs Auto hält vor dem Eingang des Restaurants. Ein roter Teppich führt genau vom Auto zum Eingang, an dem ein Page steht. Ein zweiter Page hält NORMA die Tür auf, alle anderen steigen allein aus.

ERZÄHLER: Zu guter letzt waren alle Arrangements getroffen worden.

PAGE: Vielen Dank, Sir. [JACK hat ihm den Autoschlüssel gegeben.]

ERZÄHLER: Die Bühne war frei für die große Arnold-Samstagabend-Friedenskonferenz von 1971. Die **** Lounge - unsere eigene entmilitarisierte Zone.

JACK: [gut gelaunt] Hübscher Laden !

ERZÄHLER: Was mich anging - ich hatte ein Überraschungsgeschenk für meinen Vater: Ich wollte meine Ersparnisse des Sommers für das Essen für die ganze Familie draufgehen lassen. Vorausgesetzt, sie wurden nicht vorher gestohlen.

[KEVIN hat seine Brieftasche hervorgeholt, was WAYNE natürlich nicht entgangen ist. Er versucht sein Glück und greift nach dem Inhalt.]

KEVIN: Hey, laß das !

[WAYNE grinst.]

NORMA: Also - gehen wir rein ?

ERZÄHLER: Ja. Nun warteten wir nur noch auf die Ankunft geliebter Menschen und ihrer Freunde.

[Und die kommen auch schon vorgefahren - auf einem Motorrad.]

ERZÄHLER: Oder die der Heart's Angels - je nachdem, wer zuerst eintreffen würde.

[KAREN und MICHAEL steigen von dem Motorrad ab und nehmen die Helme ab. Beide haben sich herausgeputzt. KAREN sieht zwar immernoch etwas hippig aus, dafür erleben wir MICHAEL zum ersten Mal rasiert.]

MICHAEL: Hi ! Früher ging's leider nicht.

JACK: [leise zu NORMA] Konnten die nicht im Auto herkommen ?

NORMA: [leise zurück] Die beiden haben kein Auto !

KAREN: Hi Dad !

[JACKs Antwort besteht einmal mehr nur aus einem Brummen.]

MICHAEL: Tag, Mr. Arnold.

[MICHAEL streckt die Hand aus, aber JACK legt demonstrativ die Hände ineinander. Schließlich ergreift NORMA MICHAELs Hand.]

NORMA: Hallo Michael.

ERZÄHLER: Es war ein wichtiger Augenblick von geradezu historischer Größe. Schließlich überschritten wir damit den Rubikon.

Anmerkung: Der Rubikon war im Altertum der Grenzfluß zwischen Italien und dem Zisalpinischen Gallien. Mit seiner Überschreitung eröffnete Caesar 49 v.Chr. den Bürgerkrieg gegen seinen ehemaligen Freund Pompeius. Daher hat sich die Redewendung "den Rubikon überschreiten" eingebürgert, die soviel bedeutet wie "den entscheidenden Schritt tun".

WAYNE: [zu MICHAEL] So, du schläfst also mit meiner Schwester, ja ?

[Wie gewöhnlich bekommt er dafür nur giftige Blicke, speziell von JACK, aber auch von allen anderen.]

ERZÄHLER: Und uns blieb nichts anderes übrig als ... um unser Leben zu schwimmen.

INT. ABEND. RESTAURANT
NORMA und KEVIN stehen am Schalter des Portiers, der in einem großen Buch sucht. Die anderen stehen etwas entfernt und warten.

PORTIER: Guten Abend. Was kann ich für sie tun ?

NORMA: Wir haben reserviert. Arnold. Ein Tisch für sechs Leute.

PORTIER: Sehen wir nach. [sucht wieder in seinem Buch]

ERZÄHLER: Abendessen im Restaurant "Zur letzten Hoffnung". Die Sache war nicht besonders gut angelaufen. Aber immerhin redeten noch alle miteinander.

PORTIER: Ich bedauere. Vielleicht läuft die Reservierung ja auf einen andere Namen.

NORMA: Das glaub ich kaum. Ich habe selbst angerufen.

PORTIER: Hier steht leider nichts. Und wie sie sehen sind wir voll ausgebucht.

[Ein Ehepaar kommt herein und wird ohne Zögern durchgelassen.]

PORTIER: Ah, Dr. Hugg !

[Ihm wird keine Beachtung geschenkt.]

ERZÄHLER: Mmh. Mit war ziemlich klar, daß dieser Trottel Mom für dumm verkaufen wollte. Und das Geburtstagskind wurde langsam kribbelig.

JACK: [räuspert sich laut] Gibt's ein Problem, Norma ?

NORMA: Oh nein, Schatz. Alles bestens.

ERZÄHLER: Also gut. Da ich dieses Fiasko bezahlen würde ...

KEVIN: [leise] Hören Sie ...

ERZÄHLER: Lakei !

KEVIN: Heute hat mein Vater Geburtstag. Dieses Essen ist also ... sehr wichtig. Vielleicht läßt sich ja doch ein Tisch auftreiben.

[KEVIN hält dem PORTIER eine Ein-Dollar-Note hin, so daß JACK es nicht sehen kann. Der PORTIER nimmt sie sich hochnäsig.]

PORTIER: Ich seh zu, was ich tun kann.

[Etwas später. Der PORTIER geleitet die sechs Gäste durch das Restaurant.]

ERZÄHLER: Das bestätigte wieder das alte Sprichwort: Geld regiert die Welt. Ja. Man brauchte nur ein paar Pesos in die richtigen Taschen kullern zu lassen.

[Sie kommen an einem hübschen, großen Sechs-Mann-Tisch vorbei.]

NORMA: Das ist ja wunderschön !

PORTIER: Oh ja, Ma'am, aber der Tisch, der für Sie gedeckt ist, ist hier drüben.

[Er führt sie an den Nachbartisch, einem kleinen Vier-Personen-Tisch, an den zwei weitere Stühle - übrigens alles Baststühle - gestellt wurden, während an allen anderen Tischen Stühle stehen, die fast so bequem wie Sessel sein dürften.]

ERZÄHLER: Andererseits ... kommt man vielleicht heute mit ein paar Pesos auch nicht mehr so weit wie früher.

PORTIER: [hochnäsig] Lassen Sie es sich gut gehen !

[Langes Schweigen. JACK und alle anderen scheinen nicht sonderlich glücklich mit diesem Tisch zu sein.]

MICHAEL: [vorsichtig] Das ist doch ... nett.

KAREN: Ja.

JACK: [enttäuscht, verärgert] Ja.

WAYNE: Und wo sitzen wir ?

NORMA: Ähm, na ja ... mal überlegen. Am besten Junge - Mädchen - Junge - Mädchen, oder ?

[Kurz darauf. Alle sitzen. Die Kamera zeigt Großaufnahmen von allen und geht einmal langsam die Runde durch.]

ERZÄHLER: Na also ! Ein guter Gedanke ! Was für ein Plan ! Junge [das ist JACK], Mädchen [KAREN], Junge [WAYNE], Mädchen [NORMA], Junge [KEVIN] ... Junge [MICHAEL] ... Oh Junge Junge !

[Bei dieser Sitzordnung sitzt JACK genau zwischen KAREN und MICHAEL.]

ERZÄHLER: Was zu einer eindeutigen Schlußfolgerung führte:

MICHAEL: [unwohl] Wir sind heute zuviele Jungs ...

ERZÄHLER: Ja - genau das war's.

[Die BEDIENUNG, eine ältere Frau, kommt an den Tisch.]

BEDIENUNG: Na, wie geht es uns heute abend ?

ERZÄHLER: Wenn die wüßte ...

BEDIENUNG: Kann ich Ihnen schon was zu trinken bringen ?

WAYNE: Äh, ja. Ich nehme einen doppelten Scotch mit Zitrone auf Eis.

[Die BEDIENUNG sieht ihn ebenso schockiert an wie seine Familie.]

WAYNE: [zeigt auf JACK; vorsichtig] Für ihn, mein ich. Logisch.

[JACK brummt zufrieden.]

NORMA: Dürfte ich bitte mal die Speisekarte sehen ?

BEDIENUNG: Als Spezialgericht des Tages hätte ich heute unser Filet Mignon anzubieten.

JACK: [zufrieden] Ah, Filet Mignon.

ERZÄHLER: Jawohl, das war genau das richtige. Damit würden wir ihn weich kriegen, mit einem schönen Stück ...

KAREN: Tote Kuh.

[Diesmal liegen die schockierten Blicke auf ihr.]

MICHAEL: [leise] Äh, Karen ...

KAREN: Was ist denn ? Filet Mignon ist doch nichts anderes. Kuhfleisch. [zur BEDIENUNG] Wieviele wehrlose Tiere haben für unser Essen ihr Leben lassen müssen ?

BEDIENUNG: Ich habe keine Ahnung, Schätzchen. Ich arbeite hier nur. Ich nehm dann gleich Ihre Bestellungen auf. [geht]

KAREN: Wer hat den Laden überhaupt ausgesucht ?

WAYNE: Unser Dad.

[JACK scheint inzwischen wirklich sauer zu werden.]

ERZÄHLER: Damit standen wir etwa fünf Sekunden vor der Superexplosion.

MICHAEL: Ach, Mr. Arnold, wie läuft es denn bei ... Norplant ? ... Norcorp ... Northsync ... Nor...

[Jetzt ist MICHAEL dran, einen bösen Blick abzubekommen. Wenigstens KAREN kommt ihm zu Hilfe und formt mit ihrem Lippen die letzte Silbe - was JACK allerdings nicht entgeht.]

MICHAEL: ..com ! Norcom ! Da arbeiten Sie doch, stimmt's ? Wie läuft's denn da ?

JACK: Arbeit ist Arbeit.

ERZÄHLER: Nun war ich wieder dran.

KEVIN: Ich, ähm, verschwinde mal kurz. Ich muß mal.

MICHAEL: [eilig] Ja, ich werd mitkommen.

INT. ABEND. TOILETTE
KEVIN und MICHAEL sind allein. Sie stehen vor einem riesigen Spiegel.

MICHAEL: [wütend auf sich selbst] Norcom ! Ich wußte, es heißt Norcom. Was ist bloß los mit mir ?

KEVIN: Hör auf ! So schlimm ist es auch wieder nicht. Wirklich.

MICHAEL: Natürlich ! Ich hab einen Vollidioten aus mir gemacht !

KEVIN: Na ja - manchmal hat mein Dad diese Wirkung auf Leute. Vielleicht sollte ich eine Weile hier drin bleiben - was meinst du ?

ERZÄHLER: Dieser Kerl brauchte ganz offensichtlich Hilfe.

KEVIN: Das wird schon wieder ! Das ist 'ne komische Situation weil ... du ... weil du ...

ERZÄHLER: ... mit seiner Tochter ins Bett gehst ?

KEVIN: ... der Neue bist !

MICHAEL: Weil ich mit seiner Tochter ins Bett gehe, meinst du ?

KEVIN: [zögert] Na ja. Auch das, ja.

MICHAEL: Wenn ich nur wüßte, wie ich mit dem Kerl reden soll. Wofür interessiert er sich ? Ich meine, abgesehen von Mord.

ERZÄHLER: Also kramte ich in meinem Hirn nach der schwer faßbaren universellen Sprache der es gelingt, zwischen zwei Männern eine Freundschaft zu schmieden.

KEVIN: Was ist mit Golf ?

INT. ABEND. RESTAURANT
Die ganze Familie Arnold samt "dem Neuen" steht am Büfett.

JACK: Golf ?!

ERZÄHLER: Natürlich ! Dad liebte Golf !

MICHAEL: [zustimmend] Aha.

JACK: Meine Drives sind saumäßig, mein Patten ist hundsmiserabel und letzte Woche hab ich beim Querfeldeinturnier zwölf Dollar verloren. Ich hasse Golf !

[MICHAEL und KEVIN werfen sich einen allessagenden Blick zu. JACK geht weiter und KEVIN ist dran, aber WAYNE drängelt sich vor.]

WAYNE: Darf ich mal ?

[Obwohl WAYNEs Teller schon überfüllt ist, packt er sich immer mehr drauf. Ein bißches fällt zur Seite.]

KEVIN: Nimm soviel du essen kannst, Blödsack, nicht soviel du tragen kannst !

[Kurz darauf, zurück am Tisch.]

ERZÄHLER: Zurückgekehrt aus den entlegenen Winkeln des Salatbüfetts hatten wir uns wieder zusammengefunden, sonnten uns in der Wärme familiärer Zusammengehörigkeit und plauderten ohne Unterlaß.

[Das ist vielleicht etwas übertrieben - keiner sagt auch nur ein Wort.]

NORMA: Ich hab eine Idee: Wir geben euerm Vater jetzt all unsere Geschenke !

JACK: Norma, das ist doch ...

NORMA: Sei nicht albern, Jack ! Heute ist dein Geburtstag ! Und da gibt's nunmal Geschenke ! [stellt sich neben JACK und reicht ihm das erste Geschenk]

ERZÄHLER: Na ja - es war immerhin einen Versuch wert.

[JACK beginnt, das erste Geschenk auszupacken - was nicht weiter schwer ist, da das Geschenk, eine bunte, grelle Krawatte, nur von Geschenkpapier umgeben ist. JACK hält die Krawatte vor sich in die Höhe und begutachtet sie.]

WAYNE: Ich bin nicht dazu gekommen, sie einzupacken, aber ... sie ist doch cool, nicht ?

JACK: [nicht gerade überschwenglich] Danke !

ERZÄHLER: Glücklicherweise beeinflußte Waynes Modegeschmack die Stimmung an diesem Abend nicht nachhaltig.

[NORMA reicht JACK ein zweites Geschenk.]

NORMA: Los, weiter. Pack aus !

[Zum Vorschein kommt ein Photoalbum, aber als Jack die erste Seite aufschlägt, merkt er, daß es etwas mehr ist. Auf der ersten Seite befindet sich allerdings erstmal nur ein kleiner Eintrag:]

NORMA: 6. November 1928 - vor 43 Jahren auf den Tag genau.

JACK: [überrascht, hocherfreut] Wo hast du das her ?

NORMA: Ich hab deinen Vater nach alten Photos gefragt, und er hatte noch von deiner Mutter eine ganze Schachtel voll.

[JACK blättert weiter.]

JACK: Meine Geburtsurkunde ! Nun guckt euch diese winzigen Fußabdrücke an ! Ha, nicht mal so groß wie mein Daumen !

[In den beiden oberen Ecken der Geburtsurkunde sind zwei kleine, schwarze Fußabdrücke.]

JACK: Seht ihr ?

[Die anderen, auch KAREN und MICHAEL rücken näher. Zum ersten Mal seit langer Zeit lächeln wieder alle.]

ERZÄHLER: Und da passierte es: Zum ersten Mal an diesem Abend tat sich etwas zwischen uns - etwas Echtes.

[JACK blättert weiter. Leider zeigt die Kamera das Photo, das er gerade ansieht, nicht.]

NORMA: Das bist du bei deiner College-Abschlußfeier ! Und das war bei deiner Abreise nach Korea. Ist er nicht wunderbar in seiner Uniform ? [lacht]

[NORMA blättert weiter. Auf dieser Seite befindet sich nur ein einzelnes Photo: JACK, in einer Armeeuniform, umarmt die hochschwange NORMA, die ihr erstes Kind erwartet - KAREN.]

NORMA: Oh, seht mich an ! Ich hatte ja wirklich einen riesen Bauch ! Das war eine Woche, bevor Karen zur Welt kam. [zu JACK] Weißt du noch, was du bei meinem Anruf aus der Klinik sagtest ?

JACK: [nostalgisch] Ja. Das weiß ich noch. Ich sagte: Ich hoffe, es ist eine Tochter. [er sieht KAREN an, die ihn glücklich anlächelt]

ERZÄHLER: Und in diesem Moment hatten wir praktisch aus dem Nichts wieder zusammengefunden.

[JACK blättert weiter und alle sehen sich die alten Schwarz-Weiß-Bilder mit an.]

JACK: Oh, da ist ja unsere ganze Familie ! Das ist schon 'ne Ewigkeit her, was ?

ERZÄHLER: Es war die Familie, an die wir uns erinnerten, die Familie, die wir liebten, die Familie, die wir einmal gewesen waren.

KAREN: Hier. [reicht ihm ebenfalls ein Geschenk] Jetzt mach meins auf, Daddy !

[JACK packt es aus.]

JACK: [glücklich] Ein ****kasten ! Den kann ich gut gebrauchen.

KAREN: Na phantastisch ! [Pause] Das war Michaels Idee !

ERZÄHLER: Man könnte sagen, es war der Höhepunkt des Abends.

[JACK schließt den Kasten wieder.]

JACK: [enttäuscht] Danke. [räuspert sich]

KAREN: [enttäuscht] Überschlag dich deswegen nicht gleich vor Freude, Dad !

JACK: Ich sagte Dankeschön !

KAREN: [verzweifelt] Hast du das gerade gesehen, Mom ? Hast du das gesehen ?

NORMA: Karen !

MICHAEL: Hör auf, auf ihm rumzuhacken - er hat Geburtstag.

JACK: Hey, wenn ich Ihre Unterstützung brauche, sag ich Bescheid.

MICHAEL: Ich wollte nur die Situation ein wenig ...

JACK: Sie haben genug gemacht, verdammt !

KAREN: [niedergeschlagen, enttäuscht] Das reicht ! Ich verschwinde ! [steht auf]

NORMA: Karen !

KAREN: Ich weiß nicht, wieso - ich dachte, der heutige Abend würde anders laufen. Komm mit, Michael, wir gehen jetzt !

JACK: Nein, ihr geht nicht ! Wir werden gehen. Wo ist die Rechnung ? [steht auf]

ERZÄHLER: Es war furchtbar ...

KEVIN: Warte mal, Dad ! Nicht bezahlen - ich woll...

[JACK legt ein paar Scheine auf den Tisch und macht sich fertig, um zu gehen.]

NORMA

: Jack, bitte !

[KEVIN sitzt als einzigster noch, alle anderen sind bereits auf dem Weg zum Ausgang. Nur WAYNE kommt noch einmal schnell zurück und greift sich das letzte Brötchen, das noch auf KEVINs Teller liegt.]

INT. ABEND. WOHNZIMMER
KEVIN sitzt allein auf der Couch im Wohnzimmer und guckt sich Photoalben an. Von draußen sind Stimmen zu hören.

ERZÄHLER: An diesem Abend saß ich zu Hause und sah mir die alten Photos von meinem Vater an, sah die Dinge, die er getan hatte, sein Leben. Vielleicht suchte ich etwas, was die Sache besser machen würde, aber irgendwie wußte ich, daß es nicht an mir war, das alles ins Lot zu bringen.

[KEVIN hört vom Wohnzimmer aus, wie jemand an die Hintertür klopft. Er geht in Richtung Küche, bleibt aber davor stehen, als er sieht, daß JACK bereits öffnet. Es ist KAREN.]

KAREN: Hi. [lange Pause] Daddy, können wir uns unterhalten ?

JACK: [leise, traurig] Ja, das wäre schön. Kommst du rein ?

KAREN: [traurig] Nein, ich kann nicht.

JACK: [leise] Ich weiß.

KAREN: [kommt doch hinein, bleibt aber an der Tür stehen] Jedenfalls nicht lange.

JACK: [leise] Mmh. Ich weiß. [kurze Pause]

KAREN: Wo sollen wir anfangen ?

ERZÄHLER: Ich konnte nicht genau hören, was sie sagten, aber als ich die beiden dort sah, wußte ich endlich, was mein Vater zum Geburtstag brauchte. Keine witzige Krawatte, auch kein Essen für 47 Dollar, nicht einmal einen ****kasten - was er brauchte war ...

KAREN: [umarmt JACK] Alles Gute zum Geburtstag. [weint leise]

ERZÄHLER: ... war die Gewißheit, tief im Inneren, daß sie sich an das erinnerte, woran er sich erinnerte, und das Gefühl - wenn es auch nur einen kurzen Augenblick dauerte -, einen Tag lang König zu sein.

CLOSING TITLES
Dieses Transcript wurde von Daniel G.



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09/10/01 19:50