Folge 71: Die Stunde Null
Drehbuch: Denise Moss & Sy Dukane



OPENING TITLES
OPENING SEQUENCE
Eine Collage der verschiedensten Ereignisse und Menschen zeigt, was 1971 alles geschah.

ERZÄHLER: 1971 - eine verrückte Zeit. Die Leute waren in Bewegung, sie suchten Antworten, betraten Neuland. Es schien, als sei jeder auf der Suche nach einer neuen Identität.

EXT. VORMITTAG. SCHULE
KEVIN ist nur einer von hunderten Schülern, die aus den Schulbussen steigen und dem Eingang der Schule entgegenströmen. KEVIN nimmt sich einen Augenblick Zeit, um kurz stehenzubleiben und einen stolzen Blick auf seine neue Schule zu werfen.

ERZÄHLER: Auch ich betrat Neuland. In jenem September kam ich auf die William McKinley Senior Highschool. Ich freute mich auf ein neues Abenteuer und ich hoffte inständig, daß es zum Mittagessen etwas anderes geben würde als [abfällig] Götterspeise.

INT. VORMITTAG. SCHULKORRIDOR
KEVIN nimmt sich auch hier, auf dem Gang, wieder inmitten von hunderten Schülern, etwas Zeit, um sich erst einmal umzusehen.

ERZÄHLER: Alles war anders. Aus Miniröcken waren Microröcke geworden. Aus Hippies Freaks. Und einige von uns waren dabei, politisches Bewußtsein zu entwickeln - irgendwie. [Es klingelt.] Aber das waren nicht die einzigen Veränderungen. Mein bester Freund, Paul Pfeiffer, ging jetzt auf eine Privatschule, so daß ich ...

[KEVIN ist bei seinem neuen Schließfach angekommen und will es gerade öffnen, als er wenige Meter weiter ein wunderhübsches Mädchen aus einer der oberen Klassen an ihrem Schließfach entdeckt, das ihn anlächelt. Ihm stockt der Atem, dann erholt er sich und lächelt zurück.]

ERZÄHLER: [erfreut] ... völlig allein dastand ... Ja - das versprach, gar nicht mal schlecht zu werden.

[Zwischen KEVIN und dem Mädchen taucht plötzlich ein wildfremder, Kaugummi kauender Junge auf und versperrt KEVIN die Sicht. KEVIN schafft es aber trotzdem, über des Jungen Schultern zu dem Mädchen zu blicken, das auch weiterhin lächeln zu ihm hinüberlächelt.]

JUNGE: [überrascht] Kevin Arnold ? Stuart Carpazian ! Kennst du mich noch ? Wir beide hatten in der vierten bei Mrs. Reeler Unterricht.

KEVIN: Oh. Hi Stuart. [blickt immernoch über STUARTs Schultern]

STUART: Es ist echt toll, dich zu sehen. Du hast dich bestimmt gefragt, was aus mir geworden ist. Als ich in der fünften war, hat mein Vater einen Job in Touson gekriegt. Da haben wir dann gewohnt, aber ich bin jetzt zurück. Kaugummi ? [hält ihm ein Päckchen hin]

KEVIN: Nein, danke.

STUART: Wie geht's deiner Mom ? Weißt du noch, sie war die Begleiterin bei unserem Schulausflug in den Zoo. Da haben die Elefanten es vor allen Leuten so richtig getrieben und ... [redet weiter]

ERZÄHLER: [genervt] Junge ! War dieser Typ blind ? Sah er nicht, was hier ablief ?

[Das Mädchen blickt KEVIN immernoch verführerisch lächelnd an, schließt ihr Schließfach ab und kommt dann langsam in KEVINs Richtung.]

STUART: Weißt du noch, als du damals die asiatische Grippe hattest ?

ERZÄHLER: Sie kam zu mir !

STUART: Es war gleich nach dem Mittagessen - wir hatten Fischstäbchen und Erbsen - und du hast voll über deinen ganzen Tisch gekotzt.

[Aus dem verführerischen Lächeln wird blanker Ekel. Sie wendet sich ab und geht an KEVIN vorbei, ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen.]

KEVIN: Stuart !

STUART: Gut. Ich gehe dann jetzt in den Unterricht. War nett, mit dir zu quatschen. Bis später. [geht]

[KEVIN schließt sein Schließfach ab.]

ERZÄHLER: Na ja. Eins hatte eine so große Schule schon für sich: ...

INT. VORMITTAG. KLASSENRAUM
KEVIN sucht sich einen Platz in der zweiten Reihe. Einige Schüler sind schon da, anderen kommen gerade herein. Jeder sucht sich einen Platz und wartet gespannt.

ERZÄHLER: Mit etwas Glück würde Stuart Carpazian in der Masse untergehen.

[Tut er aber nicht. Im Gegenteil: Er sucht sich den einzigen neuen freien Platz in der Klasse aus - ausgerechnet eine Bank neben KEVIN.]

STUART: Hey, nun sieh dir das an ! Ist das nicht wirklich ein Glück ? Weißt du, woran ich gerade denken mußte ? An das eine Mal beim Basketball, wo du dir an dieser komischen Stange ein Loch in den Kopf gehauen hast ...

KEVIN: Stuart, unser Unterricht fängt gleich an. Wir unterhalten uns später.

STUART: Oh ja. Sicher, sicher.

[Es klingelt.]

ERZÄHLER: Ich wollte ja nun wirklich nicht gemein sein, aber das war nicht der richtige Zeitpunkt, um alte Erinnerungen wieder aufleben zu lassen. Das hier war [stolz] die Highschool.

[Alle sitzen still, starr und gespannt an ihren Ein-Mann-Tischen und warten auf den Lehrer, Mr. Arlo BUTTNER, der an seinem Tisch sitzt, in aller Seelenruhe seine Stullen und seinen Kaffee auspackt und keine Anzeichen macht, die Stille zu brechen.]

ERZÄHLER: Die Oberliga.

[Einige Schüler setzen sich noch gerader hin. Keine Reaktion des Lehrers.]

ERZÄHLER: Erziehung auf der Überholspur. [Pause] Vorausgesetzt, die Sache kam erstmal ins Rollen.

[Schließlich steht Mr. BOTTNER doch auf, rückt noch einmal irgendetwas auf seinem Tisch zurecht und wendet sich dann - endlich - an die Klasse.]

BOTTNER: Buenos días ! Meine Name ist Mr. Bottner, unser Kurs heißt "Amerikanische Politik".

ERZÄHLER: Na bitte. Endlich.

BOTTNER: Also: Das sind unsere Regeln.

[KEVIN nimmt einen Block und einen Stift hervor.]

ERZÄHLER: Römisch Eins: Die Regeln.

BOTTNER: Número uno, Bottners Regeln: Nach 8 Uhr 25 sind die Türen hier verriegelt. Niemand geht rein und niemand geht raus. Número dos: Aufgrund einer Ohrverletzung, die ich während des Krieges in **** erlitten hab, werden uns davor hüten, plötzliche Geräusche im Frequenzbereich von 2000 Hertz zu machen. Das heißt: Unterlaßt es - das mein ich ernst - unterlaßt es, Notizblätter mit einem Ruck von euren Spiralblöcken abzureißen ! Comprende ?

ERZÄHLER: [langgezogen] Mmh.

BOTTNER: So. [nimmt ein Blatt Papier vom Lehrertisch] Kann mir jemand den Namen des Dokuments nennen, das unser Land eigentlich begründet. Irgendjemand ? Niemand ? [blickt auf das Blatt] Gruntner !

[Gemeint ist HAROLD Gruntner.]

HAROLD: Ähm ... äh ...

BOTTNER: Gut gemacht. Callio !

CALLIO: Äh, da bin ich nicht sicher ...

BOTTNER: [lacht kurz, aber sarkastisch] Perfekt. Carperson !

STUART: Ich heiße Carpazian, Sir.

BOTTNER: [nach einer Pause] Was hast du gesagt ?

STUART: Äh, es ist nicht so wichtig.

BOTTNER: Die Antwort auf die Frage lautet: Die Verfassung. [schreibt an die Tafel, und betont dabei jede Silbe des folgenden Wortes] Die Constitution. [unterstreicht es und legt die Kreide weg] Apropos Verfassung: Zu diesem Stichwort fällt mir meine Begegnung mit dem 39. Vizepräsidenten der USA ein, **** [Name]. Ich war einer von nur 900 Lehrern, die für ein Essen im Weißen Haus ausgewählt wurden - im echten Weißen Haus.

ERZÄHLER: Da hatten wir's. Es war offensichtlich, daß der Mann, der uns alles über Freiheit beibringen sollte, nichts weiter als ein Schmalspurdikator war. Uns wurde eins klar: In den nächsten fünf Monaten würden wir praktisch Geiseln sein, während dieser Kerl rumstolzierte, protzte und seine kleinen Machtspielchen spielte - und immer wieder vom krönenden Höhepunkt seines Lebens erzählte, der Begegnung mit ****.

[Währenddessen hat BOTTNER die ganze Zeit weitererzählt und ist dabei bei STUART Carpazians Tisch angekommen und hat sich auf dessen Ecke gesetzt, so daß er direkt vor KEVIN sitzt.]

BOTTNER: Und dann, während des Desserts, das übrigens aus einer üppigen Portion Kirschen mit Eis bestand, ist der Vizepräsident persönlich an meinen Tisch rübergekommen, hat mir die Hand geschüttelt - und wißt ihr, was er gesagt hat ? Na ?

ERZÄHLER: Natürlich wußten wir es nicht. Aber trotzdem schien er eine Art Antwort zu erwarten.

KEVIN: [vorsichtig] Hab ich das wirklich alles aufgegessen ?

[Die Klasse belohnt den Witz zwar mit Gelächter, dafür ist Mr. BOTTNERs Blick um so grimmiger.]

BOTTNER: [leise] Ah ja.

ERZÄHLER: Vielleicht hätte ich es da schon wissen müssen: Ich war ein toter Mann.

[Etwas später. Es klingelt. Die Schüler stehen auf und verlassen den Raum. Nur KEVIN bleibt etwas länger sitzen.]

BOTTNER: Das war's, Amigos !

KEVIN: Immerhin hatte ich mir bis zum Ende der Stunde einen Plan zurechtgelegt. Ich dachte, ich redete mit dem Kerl, [KEVIN geht zum Lehrertisch] erkläre es ihm, rutsche ein bißchen auf Knien rum.

KEVIN: Mr. Bottner ? Was Ihre Geschichte über Vizepräsident **** angeht - ich wollte sie ihnen nicht versauen.

BOTTNER: [kurzes Lächeln; freundlich] Und ?

KEVIN: Und ... wir sehen uns morgen.

BOTTNER: Tun wir, ja ?

ERZÄHLER: Und das war's schon. Ein Kinderspiel, richtig ? -- Falsch !

INT. VORMITTAG. SCHULKORRIDOR
KEVIN kommt eine Treppe hinunter in einen der Gänge.

ERZÄHLER: Gut. Ich hatte meine erste Lektion gelernt. In der Highschool mußte man mit Authoritätspersonen vorsichtig umgehen.

[Nach wenigen Schritten wird KEVIN von WAYNE und einem dümmlich aussehenden Jungen aufgehalten.

WAYNE: Hey Walt, hier kennt wohl einer noch nicht das große Trottelhandbuch.

KEVIN: Geh mir aus dem Weg, Wayne !

WAYNE: Entschuldige Kev - ich kann nicht. Sieh nur, wo du stehst ! Auf dem Schulwappen, unserem heiligen Emblem !

KEVIN: [genervt] Ja und ?

WAYNE: [empört] "Ja und ?" ?! Da dürfen nur Leute aus der Oberstufe langgehen, klar ?

WALT: Ja, da dürfen nur Leute aus der Oberstufe langgehen, klar ?

ERZÄHLER: Also, irgendwelchen anderen Leuten hätte ich das vielleicht abgenommen - aber diesen Witzfiguren ...

KEVIN: So'n Schwachsinn ! Was soll das denn für 'ne Regel sein ?

WAYNE: Kev ... Kev ! Das da ist das Emblem unserer Schule, das beschützt wird. Diese schöne Tradition wird von einem Abschlußjahrgang an den nächsten weitergereicht.

KEVIN: Geh mir aus dem Weg, Blödbacke !

[WAYNE packt ihn, hebt ihn am Hemdkragen hoch und knallt ihn gegen eins der Schließfächer.]

WAYNE: Ich werd dir mal was erklären: Vielleicht warst du an der Junior Highschool der allergrößte - aber hier bist du ein Nichts, hast du gehört ? Eine echte Null ! Der letzte Abschaum unter dem Abschaum, der letzte schleimige Mist, den Mom immer unter dem Kühlschrank vorholt. An der Schule haben wir das Sagen, und wenn wir dich nochmal über das Schulwahrzeichen latschen sehen, verpassen wir den Buusch, die unvergeßliche Spülung.

WALT: Den Buusch !

ERZÄHLER: Ich wußte zwar nicht, was das war, aber der Ausdruck sprach für sich. Man konnte es sich vorstellen.

KEVIN: Danke für die Aufklärung.

WAYNE: [läßt ihn runter; freundlich] Du bist mein Bruder - ich sorge für dich.

[Es klingelt. WAYNE lacht sich halb kugelig, dann verschwindet er mit WALT in die Richtung, aus der KEVIN gekommen ist.]

INT. MITTAG. CAFETERIA
KEVIN kommt mit einem Tablett von der Essenausgabe und balanciert es durch die überfüllte Cafeteria.

ERZÄHLER: Endlich mal etwas Vertrautes: Das Mittagessen. Der Trick war, verzweifelt nach einem Tischnachbarn zu suchen, ohne daß jemand merkte, daß man verzweifelt war. Und da sah ich sie.

[WINNIE. Sie sitzt allein an einem Tisch und sieht KEVIN an. Er geht zu ihr hinüber.]

ERZÄHLER: Winnie. Eine Oase in einer Wüste von Fremden. Sie sah so allein aus, daß ich dachte, ich gehe zu ihr und tue alles, um sie zu trösten.

[KEVIN steht WINNIE gegenüber und will sich setzen, als einige Gestalten mit einheitlicher Bekleidung, nämlich mit der typischen Schuljacke, im Bild auftauchen - das heißt, ein Teil von ihnen. Sie sind so groß, daß KEVIN nach oben gucken muß, um ihre Köpfe zu sehen, die die Kamera gar nicht mehr einfängt. Auf jeden Fall setzen sich diese Typen zu WINNIE und lassen keinen Platz frei.]

JUNGE: Hallo Winnie ! Können wir uns zu dir setzen ?

ERZÄHLER: Ich und die Hälfte unseres Footballteams.

WINNIE: [zu KEVIN, der nicht weiß, was er tun soll] Komm, quetsch dich noch dazwischen !

KEVIN: Äh, nein danke. Weißt du, ich dachte, ich ... lauf noch etwas durch die Gegend und ... hol mir Appetit ... okay ?

ERZÄHLER: Ich war doch nicht auf Almosen angewiesen. Ich kam auch allein klar. Es gab jede Menge Leuten, bei denen ich sitzen konnte.

[KEVIN setzt sich zu anderen Jungen seiner Klassenstufe.]

ERZÄHLER: Nette Leute. Ehrliche Leute. Leute wie ...

STUART: [ihm gegenüber; schluckt runter] Hey Kev ! Ziemlich nette Cafeteria, häh ?

ERZÄHLER: [ernüchtert] ... Stuart.

STUART: Weißt du noch, als du den Bleistift in der Nase hattest ? Das war echt lustig. [steckt sich einen Strohhalm in die Nase]

ERZÄHLER: Ich hatte immernoch Stuart.

STUART: Schon vergessen ?

INT. NACHMITTAG. LERNRAUM
KEVIN und viele andere Schüler sitzen im Lernraum.

Anmerkung: Alle amerikanischen Schulen haben einen Lernraum, der, wie der Name schon sagt, nur zum Lernen - und manchmal zum Nachsitzen - gedacht ist. Das eigentlich Interessante an diesen Lernräumen ist, daß erstens immer ein Lehrer dabei ist und zweitens der Aufenthalt dort oftmals durch den Stundenplan vorgeschrieben ist.

ERZÄHLER: Eine Französischstunde, einen Biokurs und drei prickelnde Pausen später, dachte ich, ich könnte den Tag nun abhaken.

[Die Tür öffnet sich und der beaufsichtigende Lehrer kommt herein - Mr. BOTTNER.]

ERZÄHLER: Doch dann ...

BOTTNER: Also schön, mes amigos. Das hier ist der Lernraum. Ihr tut hier drin nichts anderes, als lernen. Ihr unterhaltet euch nicht, ihr kritzelt nicht, ihr steckt bloß die Nase in eure Bücher. Comprende ? Also, das sind Bottners Regeln: Nümero uno ...

KEVIN: Oh Mann.

ERZÄHLER: Ups.

BOTTNER: Arnold. Hast du uns etwas zu sagen ?

KEVIN: Nein. Ich, ich äh ...

BOTTNER: Nun komm schon, teile deinen Gedanken mit der Klasse. Er ist bestimmt ziemlich amüsant. Du bist doch so ein witziger Kerl. [verhaltenes Gelächter von allen Seiten] Was ist, Arnold ? Hältst du dich nicht für witzig ?

KEVIN: Nein, eigentlich nicht.

BOTTNER: Klar bist du witzig, du bist ein großartiger Komiker. Ich bin sicher, die anderen hier würden liebend gern darauf warten. Wenn's sein muß, auch nach Schulschluß, so gern würden sie dir zuhören. [Murren] Ich weiß genau, das wird sich lohnen.

ERZÄHLER: Und als Bottner einen ganzen Raum voller Zehntklässler gegen mich aufhetzte, wurde mir eins klar: Mein Alptraum war Realität geworden. Es war mein erster Tag in der Highschool, und ich war tatsächlich ganz und gar allein.

INT. TAG. FAHRSCHULRAUM
Jeder Schüler sitzt an einem Extratisch, der, wie ein Auto, ein Lenkrad, Pedale und eine Frontscheibe - in diesem Fall eine kleine Leinwand - hat. KEVIN sitzt ganz vorne und fährt eine Landstrasse entlang, während hinter ihm - STUART sitzt.

ERZÄHLER: Nach dem ersten Tag in der McKinley Highschool war ich völlig fertig. Aber im Laufe der Woche wurde mir die wahre Bedeutung der Highschool immer klarer.

STUART: Mann, den kleinen Jungen vorhin hast du richtig plattgewalzt. Sowas kostet gute zehn Punkte.

KEVIN: [genervt] Ist ja gut, Stuart, das weiß ich auch.

ERZÄHLER: Wo sonst setzen sie einem in der Fahrschule einen zweiten Fahrlehrer auf den Rücksitz.

STUART: Ist die Highschool nicht wirklich klasse ? Nächste Woche wird eine Versammlung abgehalten ...

KEVIN: Stuart ! [dreht sich zu STUART um] Da kommt bald ein gefährlicher Kreuzungsbereich, also können wir aufhören zu reden ?

STUART: Natürlich, alles klar. Ich ...

KEVIN: Stuart !

STUART: Du solltest vielleicht diesem Laster ausweichen ...

[KEVIN dreht sich ruckartig um und reißt genauso ruckartig das Lenkrad zur Seite. Er kommt zwar von der Strasse ab, knallt aber immerhin nicht in den Laster vor ihm.]

ERZÄHLER: Aber der Straßenverkehr war nicht mein einziges Problem.

INT. TAG. KLASSENRAUM
BOTTNER geht durch die Reihen und gibt irgendwelche Arbeiten zurück.

BOTTNER: Bescheiden. Mäßig. Annehmbar. Mieser geht's nicht. Arnold - deins machst du zu Hause nochmal. Passabel. Ausreichend.

KEVIN: Einen Moment. Moment !

BOTTNER: Hast du dazu einen Kommentar ?

KEVIN: Ja. Was haben Sie an der Arbeit auszusetzen ?

BOTTNER: Ich bin erleichtert, daß du mir diese Frage stellst. - Ich kann deine Handschrift nicht lesen, deine Ränder sind falsch und das Datum ist nicht in der oberen Ecke, wo es hingehört. Bottners Regeln. So ist das nunmal.

KEVIN: Aber ich hab die ganze Nacht dafür gebraucht !

BOTTNER: Na das ist doch witzig. [lacht]

EXT. NACHMITTAG. GARAGE
KEVIN und PAUL spielen vor KEVINs Garage Basketball.

ERZÄHLER: Mein Ego war ziemlich geknickt, also konnte ich nur eins tun: Meinen besten Freund beim Basketball in Grund und Boden spielen.

PAUL: Drei Null für mich. Dein Ball. [wirft ihn KEVIN zu]

KEVIN: Zählen kann ich noch !

ERZÄHLER: Undankbarer Eierkopf !

PAUL: Was ist mit dir los ?

KEVIN: Gar nichts. Los, spiel !

ERZÄHLER: Ich würde diesem Blödmann im Leben nicht zeigen, daß ich Hilfe brauchte. Ich würde meine Gefühle für mich behalten.

KEVIN: Das Sweatshirt macht einen Volltrottel aus dir !

ERZÄHLER: Ja, es war besser, ihn einfach zu beleidigen.

[Sie spielen weiter, und wieder ist es PAUL, der den Punkt macht.]

PAUL: Vier Null für mich.

KEVIN: [sauer] Ich sage doch, ich kann zählen, okay ?

PAUL: Okay, okay.

[KEVIN schafft es, PAUL den Ball abzunehmen, allerdings nicht, ohne ihn zu foulen. PAUL fällt zu Boden, so daß KEVINs Treffer ungültig ist.]

PAUL: Ungültig ! Foul.

KEVIN: Warum denn Foul ?

PAUL: Du hast gedrängelt.

KEVIN: Das hast du dir nur eingebildet !

PAUL: Das ist ein Freiwurf.

KEVIN: Auf keinen Fall !

PAUL: Kev ! Regeln sind nunmal Regeln !

KEVIN: Oh Gott, Paul ! "Regeln sind nunmal Regeln" ? Weißt du, wie du dich anhörst ? Ich höre den ganzen Tag nichts anderes als Regeln. Nicht betreten, oder verspäte dich nicht, du machst deine Ränder zu breit, nicht reden, nicht denken, nicht atmen.

PAUL: Ich hab keine Ahnung, was du meinst.

KEVIN: Ich meine diese blöde neue Highschool ! [ruhiger] Die Junior Highschool war so toll, und nun - nun sind wir wie dieser schleimige Mist unter dem Kühlschrank, weißt du ?

ERZÄHLER: Na gut - das ist mir irgendwie rausgerutscht. Aber ich fand, ich hatte durchaus das Recht, ein bißchen Mitgefühl zu erwarten, ein Zeichen der Solidarität.

PAUL: Also ich find's nicht schlecht in meiner Privatschule.

KEVIN: Wirklich ?

PAUL: Wirklich. [wirft und trifft] Fünf Null.

INT. NACHMITTAG. WOHNZIMMER
KEVIN und DAD sitzen an entgegengesetzten Enden der Couch und sehen fern.

ERZÄHLER: Soviel zum Thema Mitgefühl. Ich haute mich auf die Couch.

[DAD begrüßt KEVIN mit einem Blick und einem Brummen. KEVIN grüßt zurück - genauso.]

ERZÄHLER: Das war das beste Gespräch, das ich seit Tagen geführt hatte !

INT. NACHMITTAG. SCHULKORRIDOR
KEVIN kommt wieder die Treppe hinunter in den Gang.

ERZÄHLER: Freitag nachmittag. Eine Woche hatte ich geschafft, 600 lagen noch vor mir.

WINNIE: [von weitem] Kevin ! Warte auf mich !

KEVIN: Oh. Hallo Winnie.

WINNIE: Wo hast du bloß gesteckt ?

KEVIN: Hier und da.

WINNIE: Tut mir leid wegen der Sache in der Cafeteria.

KEVIN: Schon okay. Kein Problem.

WINNIE: Geht's dir gut ?

KEVIN: Ja. Ich dachte bloß, das läuft hier irgendwie anders, weißt du ?

WINNIE: Warte einfach ab. Es wird besser. Glaub mir, das wird super ! Also ich geh da lang. [dorthin, woher KEVIN gerade kam] Ich seh dich nachher, ja ?

KEVIN: Ja. [WINNIE geht]

ERZÄHLER: Als ich ihre Stimme gehört und ihr Lächeln gesehen hatte, überkam mich einen Augenblick lang tatsächlich ein kleiner Anflug von ...

WAYNE: [taucht von irgendwoher auf] Oh oh, Kevi !

ERZÄHLER: ... nackter Angst.

[KEVIN steht genau auf dem Schulemblem ...]

INT. NACHMITTAG. TOILETTE
Die geschlossene Tür einer Kabine auf dem Jungenklo. Darunter gucken zwei Füße hervor - WAYNE und WART -, darüber auch zwei - das ist KEVIN.

WAYNE: Wir verpassen dir den Buusch !

[Die zwei oberen Füße, von vier Händen knapp 1 Meter 70 über der Kloschüssel gehalten, werden langsam, aber stetig heruntergelassen. Einige Münzen fallen hinter der Tür auf den Boden und rollen hervor. KEVINs Schrei verklingt und wird durch das Geräusch der Spülung ersetzt ...]

INT. NACHMITTAG. SCHULKORRIDOR
Die Tür der Jungentoilette öffnet sich und KEVIN kommt heraus - mit nassen Haaren, nassem T-Shirt und wirklich schlechter Laune.

ERZÄHLER: Es war nicht zu überhören: Man hatte mir den Buusch verpaßt.

[Irgendwoher taucht STUART auf und läuft - besser gesagt: rennt - neben KEVIN daher.]

STUART: Hey Kev, warte mal ! Ich wollte wissen, ob wir heute abend zum Football gehen. Anschließend gibt's noch einen Klopapier-Anschlag auf Sharon Mannings Haus.

KEVIN: [ruhig] Verschwinde, Stuart.

STUART: Die kennst du bestimmt noch. Du hast ihr doch mal einen Ball an den Kopf gehauen !

KEVIN: [laut] Du sollst gehen !

STUART: Hey, Kev, deine Haare sind total naß ! Ich muß dir als dein Freund sagen, daß ...

KEVIN: [bleibt stehen; wütend, laut] Hör zu, Stuart, versteh das endlich: Wir sind keine Freunde ! Nur weil du in der Vierten mal hinter mir gesessen hast, sind wir noch keine Freunde ! Wir waren nicht mal damals welche ! Also such dir gefälligst einen anderen, mit dem du rumhängen kannst - ich halte das nicht mehr aus ! Hast du kapiert ?

[Er läßt STUART stehen und geht.]

INT. NACHMITTAG. KLASSENRAUM
KEVIN sitzt wieder auf seiner Bank - neben STUART. BOTTNER ist noch nicht da.

ERZÄHLER: Soweit war es also gekommen. Ich hatte mich wie ein Idiot benommen, den falschen zusammengefaltet ! Und jetzt [es klingelt] konnte ich nur noch hoffen, daß mein Politiklehrer tot umgefallen war.

[Ist er aber nicht. Statt dessen kommt er, schnellen und wütenden Schrittes, ins Zimmer gestürmt und knallt seine Bücher auf den Lehrertisch.]

BOTTNER: [stinksauer] Gut, ich sag euch eins: Ich durfte gerade fünf Blocks weit hierherlaufen, weil die blöde Karre von irgendeiner komischen Ersatzchorleiterin genau in meiner Lücke stand und sie blockiert hat, comprende ?

ERZÄHLER: Wenn man sich das allerdings genau überlegte, war der Tod noch viel zu gut für ihn.

BOTTNER: Daher schlage ich vor, sofort eure Blöcke rauszunehmen, die Stifte anzuspitzen und - sagen wir - 500 Wörter über den Stellenwert von Eigentumsrechten in der US-Verfassung zu schreiben ! Nur so zum Spaß. [leiser] Und das keiner redet ... Ganz besonders du, Arnold.

KEVIN: Bitte ?! Ich sag doch gar nichts !

BOTTNER: Ah ah ah ! Ich sagte doch: nicht reden. Tut mir leid: Du darfst nachsitzen. Eine ganze Woche, täglich !

[Die Klasse sieht ihn, teils angewidert, teils furchtsam an.]

BOTTNER: Ein bißchen Tempo, Amigos ! [setzt sich auf seinen Platz]

ERZÄHLER: Ich weiß nicht... Vielleicht lag es an dem ganzen Gerede über die Verfassung - auf jeden Fall traf ich in diesem Moment eine Entscheidung. Es war Zeit für meine ganz persönliche Unabhängigkeitserklärung.

[Langsam, Stück für Stück, reißt KEVIN ein Blatt von seinem Spiralblock ab. Dieses Geräusch hallt in BOTTNERs Ohren wider, und man sieht seinem Gesicht den Schmerz regelrecht an.]

BOTTNER: [steht auf] Wer war das ? Das warst du, Arnold ! Hab ich recht ?

[KEVIN hält das abgerissene Blatt hoch.]

ERZÄHLER: Aber als ich dort saß, mit dem Blatt Papier in der Hand, war mir alles egal. Wenn ich allein war - bitte. Dann würde ich es allein durchziehen.

[Ein weiteres Blatt wird, diesmal etwas schneller, von einem Block abgerissen: STUART hält seins triumphierend in die Höhe.]

ERZÄHLER: [erstaunt, aber froh] Aber plötzlich ... war da noch jemand !

[KEVIN sieht erstaunt und dankbar zu STUART hinüber, der seinen Blick erwidert. Ein weiteres Blatt wird abgerissen - HAROLD Gruntner -, dann noch eins und noch eins.]

ERZÄHLER: Vielleicht war es nutzlos - vielleicht aber auch nicht. Das ist doch völlig egal. In diesem einen Augenblick hatten wir eine gemeinsame Stimme gefunden, einen gemeinsamen Zusammenhalt.

[Mr. BOTTNER muß tatenlos zusehen, wie alle Schüler nacheinander Blätter von ihren Blöcken abreißen und sie in die Höhe halten.]

ERZÄHLER: Gegen den gemeinsamen Feind. Und in jener Sekunde ... kosteten wir unseren Triumph aus.

EXT. ABEND. VORGARTEN
Klopapierrollen fliegen durch die Luft, entrollen sich, bleiben auf Bäumen, der Wiese und einem Haus liegen. Die ganze Klasse nimmt an dem Klopapier-Anschlag teil, allerdings nicht auf Sharon Mannings Haus. Der Name das Opfers steht auf dem Schild vor dem halb verhüllten Briefkasten: "A. Bottner".

ERZÄHLER: In dieser ersten Woche an der Highschool, während unsere Klasse zusehends zu einer Einheit zusammenschmolz, begriff ich etwas über die Fremden, die ich gerade erst getroffen hatte, Fremde, die mir bald vertraut sein würden, Fremde, die wie ich waren. Wir empfanden alle die gleichen Gefühle, die gleichen Ängste, die gleiche Einsamkeit. Wir standen ganz am Anfang, und es gab nur eine Richtung, in die wir gehen konnten. Also gingen wir - gemeinsam.

CLOSING TITLES
Dieses Transcript wurde von Daniel G.



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09/10/01 19:50