Folge 62: Einkauf mit Hindernissen
Drehbuch: David Chambers



OPENING TITLES
Alte Videoaufnahmen zeigen KEVIN und seinen JACK, die ständig zusammen sind und wie KEVIN ihm immer alles nachmacht - zum Beispiel das Rasenmähen mit einem Kinderrasenmäher, oder wie JACK KEVIN rasiert.

ERZÄHLER: Das größte im Leben eines kleinen Jungen ist sein Vater - das große Vorbild. Man tut, was er sagt - man tut, was er tut. Er eröffnet einem die geheimnisvolle Welt der Männer. Er ist ein Vertrauter, ein Kumpel. Bis dann der Tag kommt ...

INT. MORGEN. BAD
KEVIN steht im Bad vor dem Spiegel, mit einem Handtuch über den Schultern, als JACK die Tür öffnet. Als er KEVIN erblickt, hält er inne.

JACK: Oh.

KEVIN: Äh...

JACK: Du bist hier, ja ?

ERZÄHLER: ... an dem sich aus irgendeinem Grund alles ändert.

[JACK zögert kurz und geht schließlich.]

INT. TAG. WOHNZIMMER
KEVIN und JACK sitzen auf der Wohnzimmercouch - jeder an einem Ende - und sehen fern. NORMA sitzt auf einem Sessel ihnen gegenüber.

ERZÄHLER: Aus dem Kumpel wird der Typ am anderen Ende der Couch. Man hört auf, sich miteinander zu unterhalten - es sei denn, durch einen Dolmetscher.

NORMA: Kevin, ist dein Test heute gut gegangen ?

KEVIN: Ja, Mom.

NORMA: [zu JACK] Hast du gehört, Schatz ? Kevins Französischtest lief gut.

JACK: Na also.

NORMA: Jack, erzähl doch Kevin mal etwas über Cincinnati !

[JACK und KEVIN werfen sich einen vielsagenden Blick zu, der zeigt, daß sie das nur sehr unfreiwillig tun.]

JACK: Kalt.

KEVIN: Aha.

JACK: Groß.

KEVIN: Aha.

NORMA: [gibt auf] Ich würde sagen, die Pfanne ist inzwischen lange genug eingeweicht. [steht auf und geht]

ERZÄHLER: Aber selbst eine geschickte Vermittlerin kann die breiter werdende Kluft nicht immer überbrücken. Denn eins steht fest: Für einen Vierzehnjährigen ist das schlimmste am Zusammensein mit seinem Vater - mit seinem Vater zusammen zu sein.

KEVIN: Ich geh jetzt lernen.

JACK: Ich werde arbeiten.

[Sie stehen beide gleichzeitig auf - und stehen sich gegenüber.]

ERZÄHLER: Und deshalb will man unter keinen Umständen jemals mit dem anderen alleine sein.

[Nach einem kurzen Zögern dreht sich KEVIN um und geht um die Couch herum. JACK geht ebenfalls.]

INT. TAG. KÜCHE
KEVIN und WAYNE sitzen nebeneinander am Tisch, JACK sitzt mit der Tageszeitung auf seinem Stammplatz. NORMA steht neben dem Waschbecken und studiert den Anzeigenteil der Zeitung.

NORMA: Ach du meine Güte ! Seht euch das an ! Das ist ja kaum zu glauben.

KEVIN: Was ist das ?

NORMA: Eine Anzeige. Da ist ein Schlußverkauf an Anzügen bei Randolph's in ****.

ERZÄHLER: Wenn man vierzehn ist, lauern in fast jeder Situation jede Menge potentielle Gefahren.

NORMA: [erfreut] Das sind echte Schleuderpreise ! Der gesamte Bestand muß raus ! Jack, wie findest du das ?

JACK: [schaut hinter seiner Zeitung hervor] Wie finde ich was ?

NORMA: Das mit diesen Anzügen !

ERZÄHLER: Glücklicherweise war das Dads Problem ...

JACK: Wenn ich alles soviel hätte wie Anzüge ...

ERZÄHLER: ... - nicht unsers.

NORMA: Nicht doch. Ich meinte, für Kevin.

KEVIN: Was ?! Warum ich ?

NORMA: Du wirst doch größer, Schatz. Du brauchst mal wieder 'nen Anzug. [stolz] Du siehst darin so männlich aus. [überrascht und freudig] Das beste ist, zu jedem Anzug gehören zwei Paar Hosen !

ERZÄHLER: Das waren starke Argumente. Sie erforderten ein starkes Gegenargument.

KEVIN: Mom, ich will aber keinen Anzug, okay ?

NORMA: Sie haben bis fünf Uhr auf - und es ist nur 'ne Stunde entfernt.

KEVIN: [eindringlicher] Mom !

NORMA: Was denkst du, Jack ?

JACK: [genervt] Wenn der Junge keinen Anzug hat, braucht er einen Anzug.

WAYNE: [zu KEVIN] Viel Spaß, Eierkopf. [lacht und steht auf, um zu gehen]

ERZÄHLER: Na klasse. Der ganze Sonntag war im Eimer. Was könnte noch schlimmer sein.

[KEVIN steht ebenfalls auf und geht. Er kommt gerade an NORMA vorbei, als ...]

NORMA: Aslo wann fahrt ihr beide denn los ?

[KEVIN bleibt wie angewurzelt stehen, JACK blickt über seine Zeitung zu NORMA.]

JACK: Häh ?

NORMA: Um den Anzug zu kaufen.

KEVIN: Warum er ?

JACK: Warum ich ?

ERZÄHLER: Warum wir ?

NORMA: Warum nicht ? Es gibt nun mal Dinge, die ein Junge mit seinem Vater erledigt.

JACK: [zwingt sich ein Lachen heraus] Norma ...

KEVIN: [zwingt sich ein Lachen heraus] Mom ...

ERZÄHLER: Es war klar, daß aus dieser Idee nichts werden würde. Weder an diesem noch an irgendeinem anderen Sonntag.

EXT. VORMITTAG. EINFAHRT
JACK und KEVIN sitzen nebeneinander im Auto, NORMA steht mit der Anzeige am Fahrerfenster.

NORMA: [fürsorglich] Jack, ich hoffe, daß du es auch findest.

JACK: [genervt und beleidigt] Natürlich finde ich es.

NORMA: Du fährst auf der 15 bis zur Ausfahrt 22B. Und dann ...

JACK: [unterbricht sie; gereizt] Norma, ich finde es ganz sicher !

NORMA: Also dann - wünsch ich euch beiden viel Spaß ! [geht]

KEVIN: [mit zusammengekniffenen Zähnen] Dad, uns kann keiner dazu zwingen.

JACK: Das denkst aber auch nur du.

NORMA: [von weitem] Macht's gut, ihr zwei !

ERZÄHLER: Ja, das würde ein Mordsspaß werden. Ich und der große Häuptling, wie wir gemeinsam unsere Freizeit geniessen.

[JACK brummt noch einmal, startet dann das Auto, fährt rückwärts aus der Einfahrt und beschleunigt dann, daß die Reifen quietschen.]

INT. VORMITTAG. LANDSTRASSE
KEVIN und JACK sitzen schweigend im Auto und fahren die Landstraße entlang.

ERZÄHLER: Trotzdem - hier auf der Straße bot sich uns vielleicht die Chance, wieder Kontakt miteinander aufzunehmen.

JACK: Erzähl, wie geht's der Schule ?

KEVIN: Gut.

JACK: Paul ?

KEVIN: Gut.

ERZÄHLER: Ein bißchen zu philosophieren und sich in die großen Fragen des Lebens zu verbeißen ...

KEVIN: Wie läuft dein Job ?

JACK: Grauenvoll.

KEVIN: Aha.

ERZÄHLER: Der springende Punkt war der: Es kam nur darauf an, einen gemeinsamen Nenner zu finden, etwas, wofür wir beide eine brennende Leidenschaft teilten. Etwas wie ...

[JACK beugt sich vor und schaltet das Radio an. Gerade läuft ...]

ERZÄHLER: [angewidert] ... leichte Unterhaltungsmusik.

KEVIN: [laut] Könnten wir das etwas leiser hören ?

JACK: [laut] Was ??

KEVIN: Nicht so wichtig.

ERZÄHLER: Das löste immerhin das Kommunikationsproblem.

[KEVIN sieht wieder aus dem Fenster - und erblickt das Schild, daß auf die Ausfahrt 22B hinweißt.]

ERZÄHLER: Aber nicht das Navigationsproblem !

KEVIN: Dad !

JACK: Was hast du denn ?

KEVIN: Ich glaub, wir haben die Ausfahrt verpaßt.

JACK: [sicher, abwertend] Nein.

KEVIN: Doch. Mom hat gesagt, wir sollen die Ausfahrt 22B nehmen.

JACK: Ich weiß gar nicht, was du willst: Da sind wir erst in acht Meilen. Ich hab auf den Tachostand geachtet.

KEVIN: Aber Mom hat gesagt, du sollst ...

JACK: Hey, deine Mutter hat nie mit einem Kettenfahrzeug halb Korea durchquert, okay ?

ERZÄHLER: Das mochte sein, aber wenn ich mich nicht irrte, waren wir nicht in Korea.

KEVIN: Dad, ich glaube wirklich, wir hätten da vorne ...

JACK: Vertrau mir. Es ist die nächste Ausfahrt.

[JACK beginnt, irgendeine Melodie zu pfeiffen, die gar nicht so zu der immernoch andauernden leichten Unterhaltungsmusik paßt.]

KEVIN: Wenn du das sagst ...

EXT. VORMITTAG. HÜGEL
Das Auto kommt an einem schlammigen Erdhügel um eine Kurve.]

ERZÄHLER: Also nahmen wir die nächste Ausfahrt.

[Das Auto kommt zum Stillstand.]

JACK: [überrascht] Was ist das ?

[KEVIN und JACK blicken nach vorn und entdecken eine Holzschranke, die quer auf der Straße steht und hinter der allerlei Unkraut und Bäume wachsen. Und sie entdecken ein kleines Schild: "Dead End" - Sackgasse.]

KEVIN: Sieht nach 'ner Sackgasse aus.

JACK: [verwirrt] Die gehört überhaupt nicht hierher !

ERZÄHLER: Das stimmte - theoretisch gesehen.

KEVIN: Weißt du ... vielleicht sollten wir ganz einfach wenden.

JACK: Ganz einfach wenden ??

KEVIN: Ja. Auf den Highway zurückfahren und Moms Rat befolgen.

JACK: Ich werd doch nicht wenden !

KEVIN: Weiterfahren können wir aber auch schlecht, oder ?

ERZÄHLER: Mmh. Das war eine festgefahrene Situation. Die unaufhaltsame Kraft [die Kamera zeigt das "Dead End"-Schild] prallte auf das unbewegliche Objekt [die Kamera zeigt JACK].

KEVIN: [ungeduldig] Dad ?

ERZÄHLER: Bis das unbewegliche Objekt ... schwankte.

JACK: Gib mir bitte mal die Karte !

ERZÄHLER: Natürlich ! Straßenkarten. Mein Vater hatte Karten von jeder Straße, jeder Stadt, jedem Land in der gesamten freien Welt.

[JACK steigt aus, während KEVIN das Handschuhfach öffnet, einen Stapel Landkarten herausholt und eine auswählt.]

KEVIN: Hier ist sie !

[Er steigt ebenfalls aus und gibt JACK die Karte.]

ERZÄHLER: Es war Zeit, das Gelände auszukundschaften. Gemeinsam.

JACK: Sehen wir uns die Sache genau an !

[Er breitet die Karte auf dem Dach des Wagens aus.]

ERZÄHLER: Es gab nur ein kleines Problem ...

KEVIN: [fragend] Dad ? Ich kann nichts sehen !

JACK: Wozu sollst du auch was sehen ?

KEVIN: Weißt du, ich dachte, daß ich ...

JACK: Aha. Wir müssen bei Laudenville sein.

ERZÄHLER: Das war schwer zu beurteilen, wenn man zwei Meter unter dem Meeresspiegel stand.

KEVIN: Ach komm schon, Dad !

JACK: Hä ?

KEVIN: Kann ich dir helfen ?

JACK: Oh, natürlich. [gibt ihm die Karte] Falte sie für mich zusammen !

KEVIN: Aber ich ...

JACK: Nun mach schon, wir haben keine Zeit.

[KEVIN bemüht sich, schafft es aber nicht, die Karte richtig zusammenzufalten.]

ERZÄHLER: Es ist ja bekannt, daß Kartenverleger extra Spezialisten beschäftigen, die dafür sorgen, daß das Zusammenfalten der Karten technisch unmöglich ist.

KEVIN: [zu sich selbst] Ach so. Das gehört hierhin. Und ...

JACK: Steig ein ! Wir müssen los !

[Er nimmt KEVIN die Karte ab und faltet sie selbst zusammen. Beide steigen ein und JACK startet den Motor.]

JACK: Zwei nach rechts, drei nach links, und wir sind wieder im Rennen, Kumpel !

KEVIN: Ja, Dad.

[JACK beginnt, rückwärts zu fahren, um zu wenden.]

ERZÄHLER: Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Auf jeden Fall war es Zeit, mit dem alten Herrn mal ein paar Wörtchen zu plaudern.

KEVIN: Dad, können wir uns unterhalten ?

JACK: Worüber ?

KEVIN: Na ja ... Ich wollte die Karte zusammenfalten.

[Plötzlich bleibt das Auto mit einem lauten Platschen und einem Knall stehen. KEVIN sieht aus dem Fenster: Das Hinterrad steckt in einer Schlammpfütze.]

ERZÄHLER: Das brachte das Faß zum Überlaufen.

[JACK gibt Gas, aber die Hinterräder finden keinen Halt. Das Auto bewegt sich kein Stück vorwärts.]

ERZÄHLER: Mit anderen Worten:

KEVIN: Wir stecken fest.

JACK: Wir stecken gar nicht fest !

[JACK versucht es noch einmal und dann immer wieder, aber nichts geschieht.]

ERZÄHLER: Und ob wir feststeckten !

INT. NACHMITTAG. LANDSTRASSE
Das Auto ist freigekommen und sehr viel schmutziger. Als eine Tankstelle in Sichtweite kommt, nutzt JACK diese Gelegenheit.

ERZÄHLER: Um zwei Uhr waren wir wieder unterwegs - dreckiger, aber schlauer. Immerhin wußten wir jetzt wenigstens, wo wir waren.

JACK: [selbstsicher] Laudenville !

TANKWART: Willkommen in Hillsdale. Kann ich was für sie tun ?

[Ein freundlicher junger TANKWART blickt durch das Fahrerfenster.]

KEVIN: Äh, ja ... Wir brauchen etwas ...

JACK: [gereizt] Benzin ! Volltanken, bitte !

KEVIN: Und etwas ...

JACK: Öl ! Sehen sie nach !

TANKWART: [freundlich] Alles klar. [entfernt sich]

KEVIN: Dad, sollten wir nicht nach dem Weg fragen ?

JACK: Wozu denn ? Wir wissen doch, wo wir sind. - In Hillsdale.

ERZÄHLER: Klar, ich hätte es wissen sollen. Mein Vater wär eher vor ein Erschießungskommando getreten, als sich bei einem Fremden, der Bescheid wußte, zu erkundigen.

[Der TANKWART kommt wieder an JACKs Fenster.]

TANKWART: Wußten Sie das schon, Ihr rechter Vorderreifen ...

JACK: [schreit] Der Reifen ist 1A ! [normaler, aber noch sauer; zu KEVIN] Komm raus ! Gehen wir uns schnell waschen !

ERZÄHLER: Von mir aus ... Alles war besser, als zusammen im Auto zu hocken.

INT. NACHMITTAG. LOKAL
KEVIN und JACK betreten ein kleines, beinahe verlassenes Lokal, das wahrscheinlich zur Gaststätte gehört.

ERZÄHLER: Außerdem konnten wir vielleicht hier in diesem einfachen Lokal unsere erhitzten Gemüter etwas abkühlen. Uns als Gleichberechtigte an den Tisch setzen.

JACK: Hol mir mal 'nen Kaffee, ja ?

[JACK geht in Richtung der Waschräume. KEVIN setzt sich derweil auf einen der Stühle an der Theke.]

KEVIN: [sauer; zu sich selbst] Seh ich aus, als wär ich dein Sklave ?

[Eine hübsche, junge Frau in rosarotem Kittel kommt zu KEVIN.]

BEDIENUNG: [mit zuckersüßer, verführerischer Stimme] Kann ich dir was bringen ?

KEVIN: [traurig, leise, ohne aufzublicken] Einen Kaffee, bitte.

BEDIENUNG: Gut, du schöner !

[KEVIN sieht auf, erblickt die junge Frau und ist - na ja - entzückt.]

ERZÄHLER: Einen Moment mal !

KEVIN: Bring gleich zwei Kaffee !

BEDIENUNG: Kommst du hier aus der Gegend ?

KEVIN: Oh ...

BEDIENUNG: Ich hab dich nämlich noch nie bei uns gesehen.

KEVIN: Weißt du ... Ich bin eigentlich sonst ... eher woanders.

ERZÄHLER: Zum Beispiel in der Junior Highschool - aber das war nebensächlich.

BEDIENUNG: [mit zwei Tassen] Zwei Kaffee. Ist das alles ?

ERZÄHLER: [entzückt] Mmh... Mal sehen ...

[Etwas später. Gleicher Ort, gleiche Personen. Nur, daß verschiedene Teller vor KEVIN aufgebaut sind.]

BEDIENUNG: [zeigt auf jeden Teller] Rührei, gebratener Speck, Weizentoast, frische Pfannkuchen, Apfelsoße und ein paar süße Brötchen.

KEVIN: Aha.

BEDIENUNG: Dürft' ich ein bißchen nachschenken ?

KEVIN: Oh... ja. Danke.

ERZÄHLER: Na gut, ich hatte mich etwas hinreißen lassen. Diese Wirkung hat wahre Liebe nun mal. Ich wußte, Dad würde das verstehen.

[JACK kommt wieder, setzt sich neben KEVIN und erblickt die Teller.]

JACK: Was soll denn das alles sein ?

KEVIN: [leise] Dad ...

[Er zeigt mit einer leichten Schulterbewegung auf die Bedienung, die beiden gerade nur ihren Rücken zukehrt. Aber das weiße Schleifchen von dem Gürtel reicht aus, um JACK ein Lächeln zu entlocken.]

ERZÄHLER: Und auf einmal ... verstanden wir uns. Das hier ließ sich mit Worten allein nicht ausdrücken. Das verstanden nur Männer unter sich.

[Die BEDIENUNG kommt wieder - diesmal zu JACK.]

BEDIENUNG: [gleiche zuckersüße Stimme] Hi, Sie schöner !

JACK: [angetan lächelnd] Hi !

ERZÄHLER: Der Stoff, aus dem griechische Tragödien sind.

BEDIENUNG: Dürft' ich noch ein bißchen nachschenken ?

JACK: Oh, gerne. [Pause] Und der Kleine kriegt ein Ginger Ale.

ERZÄHLER: [gekränkt] "Der Kleine" ? "Ginger Ale" ?

KEVIN: Hör auf ! Ich trinke Kaffee, okay ?

JACK: Oh, richtig ! [macht sich lustig] Er trinkt Kaffee !

[JACK zwinkert der BEDIENUNG zu und beide lachen amüsiert.]

ERZÄHLER: Ich konnte es nicht fassen ! Dieser alte Verräter hatte mich bloßgestellt ! Also gut - wenn er die harte Tour bevorzugte ...

KEVIN: Du, Dad ...

JACK: Mmh ?

KEVIN: Glaubst du, Mom erwartet uns ?

JACK: Hä ?

KEVIN: Tu nicht so ! Meine Mom. Du weißt schon - deine Frau !

JACK: Ich versteh nicht, was du meinst.

KEVIN: Natürlich. Ich weiß, du kannst uns nicht nach Haus bringen ! Deinetwegen haben wir uns ja überhaupt verfahren ! Stimmt's ?

[Der ERZÄHLER lacht höhnisch und zufrieden, die BEDIENUNG kann sich auch ein kurzes Lachen nicht verkneifen.]

ERZÄHLER: Das hat gesessen, was ?

[JACK sagt nichts und blickt KEVIN nur wütend an.]

ERZÄHLER: Schluck !

INT. NACHMITTAG. LANDSTRASSE
KEVIN und JACK sitzen wieder im Auto und schweigen sich wieder an - nur diesmal noch grimmiger.

ERZÄHLER: Damit war der kalte Krieg eröffnet. Worte hatten versagt. Die Verhandlungen waren gescheitert. Feindseligkeiten hatten begonnen.

[JACK schaltet das Radio an. Es wird wieder die gleiche leichte Unterhaltungsmusik gespielt. KEVIN schaltet um und erwischt moderne Musik der 60er Jahre - Rock'n'Roll. Er erntet dafür nur einen wütenden Blick von JACK, der wieder zurückschaltet. KEVIN schaltet seinerseits wieder um (Heavy Metal) - und es geht eine Zeitlang so weiter. Schließlich hören sie damit auf und sehen sich nur noch wütend an. Auf dem gewählten Sender wird gerade "Der Barbier von Sevilla" gespielt.]

ERZÄHLER: Und diesmal schwankte niemand.

EXT. ABEND. PARKPLATZ
Es ist bereits dunkel, als KEVIN und JACK auf dem Parkplatz vor Randolph's ankommen - wo der Besitzer gerade abschließt und ein Schild "Closed" an die Tür hängt.

ERZÄHLER: Drei Stunden, sechs lange Irrfahrten und zwei Tankstellen später ...

[Der besagte Vorderreifen gibt mit einem lauten Knall den Geist auf. Die Luft entweicht und das Auto kippt leicht zur Seite.]

ERZÄHLER: ... sprach endlich wieder jemand.

JACK: Ich hol das Ersatzrad.

[Etwas später. JACK macht sich am Vorderreifen zu schaffen, während KEVIN neben ihm steht.] KEVIN: Kann ich dir irgendwie helfen ?

JACK: Das krieg ich allein hin !

KEVIN: Dad, kannst du nicht einfach ...

JACK: Ich sagte, ich krieg's allein hin.

ERZÄHLER: Ich stand herum und kam mir vor ... wie das fünfte Rad am Wagen. Nicht einmal wie das.

JACK: Also gut. Geh mir mal aus dem Weg. [arbeitet weiter] Großartig ! Ich kriege das Rad nicht ab ! Die verdammte Mutter sitzt fest ! Die kommt mir vor wie angeschweißt - da tut sich nichts.

[JACK gibt auf und stellt sich neben sein Auto.]

JACK: [erschöpft] Wie konnte das bloß passieren ...

ERZÄHLER: Vermutlich war diese Frage nur rhetorisch gemeint, aber ...

KEVIN: Weil du nicht auf diesen netten Kerl von der Tankstelle gehört hast !

ERZÄHLER: Irgendwie hatte ich das Bedürfnis, mein großes Maul aufzureißen.

JACK: Was ?!

KEVIN: [kleinlaut] Das wär ... besser gewesen.

JACK: [sauer] Ich werd dir jetzt mal was sagen, Kevin: Ich bin bloß wegen deines blöden Anzuges hergefahren !

KEVIN: Mein Anzug ! Also ich wollte das bestimmt nicht !

JACK: [schreit] Na denkst du, ich ? Deinetwegen fahr ich quer durch's ganze Land !

KEVIN: Aber nur, weil du dich immer wieder verirrt hast !

JACK: Jetzt red nicht so einen Unsinn !

KEVIN: Hast du schon !

JACK: Hab ich nicht !

KEVIN: Hast du doch !

JACK: Verdammt, sieh dahin ! [zeigt zum Geschäft] Haben wir uns verirrt ?

[KEVIN schweigt.]

ERZÄHLER: Aber die schreckliche Wahrheit war: Es ließ sich nicht leugnen. Er wußte es und ich wußte es. Wir hatten uns auf eine Weise verirrt, die nichts mit Straßenkarten und Autobahnausfahrten zu tun hatte.

[JACK wirft das Werkzeug auf den Boden und beginnt, auf und ab zu gehen.]

ERZÄHLER: In dem Moment wurde mir klar, was ich tun mußte.

[KEVIN nimmt sich das Werkzeug und versucht, die Radmutter zu lockern.]

JACK: Was soll das werden ?

KEVIN: Ich wechsle das Rad !

JACK: Was ?!

KEVIN: Du hast schon verstanden.

JACK: Bist du vollkommen durchgedreht ?

ERZÄHLER: Vielleicht war es das, aber es war mir egal. Ich würde diese Radmutter lockern, und wenn es das letzte war, was ich tat. Ich würde sie lockern oder dabei den Heldentod sterben. Sie lockern oder den Geist aufgeben. - Und dann geschah etwas völlig unerwartetes:

[Die Radmutter gibt nach und KEVIN fällt mit voller Wucht auf den Rücken. Das Werkzeug fällt zu Boden. JACK begutachtet überrascht und etwas ungläubig das Rad.]

ERZÄHLER: Ich hatte die Radmutter gelockert. Es war ein großer Augenblick.

[KEVIN will JACK das Werkzeug zurückgeben.]

JACK: Los, weiter.

[KEVIN lächelt und beginnt, das Rad abzumontieren.]

INT. ABEND. AUTO
KEVIN und JACK sind auf der Rückfahrt.

ERZÄHLER: Wir redeten auf der Rückfahrt nicht viel mehr als auf der Hinfahrt. Aber vielleicht hörten wir ein bißchen mehr auf das, was im Stillen gesagt wurde.

[Sie kommen zu Hause an. JACK hält an, fährt aber nicht in die Einfahrt. KEVIN gähnt einmal.]

JACK: Erschöpft ?

KEVIN: [leise] Etwas.

JACK: Deine Mutter bringt uns sicher um, wenn wir ohne Anzug kommen. Aber da müssen wir wohl irgendwie durch.

KEVIN: Ja.

JACK: [lächelt] Ich sag dir was: Direkt am Highway, da soll ein Lokal sein, die machen ganz tolle Apfeltaschen. Vielleicht sollten wir da was essen gehen. Wir legen uns eine Geschichte zurecht, trinken einen Kaffee zusammen ... Was sagst du dazu ?

[KEVIN überlegt kurz und holt dann die Landkarte aus dem Handschuhfach.]

JACK: Wofür ist die ?

KEVIN: Falls wir uns verirren.

JACK: [lacht leise] Die brauchen wir nicht. Wir finden unsern eigenen Weg.

[JACK gibt Gas und fährt los.]

ERZÄHLER: Vielleicht hatte er recht. Für das, was vor uns lag, gab es keine Karten. Das war unbekanntes Gebiet. Ab jetzt mußten wir unseren Kurs selbst suchen.

[Die Kamera bleibt stehen und folgt dem Auto, das langsam in der Dunkelheit der Nacht verschwindet.]

Dieses Transcript wurde von Daniel G geschrieben.



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09/10/01 19:50