Folge 53: Eigener Herd ist Goldes wert
Drehbuch: Mark B. Perry

Transcript: Daniel Görlich



OPENING TITLES
Alte Photos von NORMA und DAD, aus der Zeit, bevor KAREN, WAYNE und KEVIN geboren wurden, aus der Zeit, in der JACK in der Armee war, als sie frisch verheiratet waren usw.

ERZÄHLER: Bevor meine Eltern Mom und Dad wurden, waren sie Norma und Jack - das erzählt man sich zumindest. Sie besaßen damals nicht besonders viel, also kamen sie mit dem aus, was sie hatten: Mit einander. Doch irgendwann verzogen sich die rosaroten Wölkchen und machten anderen Dingen Platz. Das hat die beiden ziemlich unvorbereitet erwischt ! Also taten sie das, was sie tun mußten, so wie alle Paare ihrer Generation: Sie wurden Eltern, Ernährer.

INT. TAG. WOHNZIMMER
JACK sitzt am Tisch über einer Menge Schreibkram, NORMA kocht. KAREN, WAYNE und KEVIN sitzen ungeduldig am halbgedeckten Wohnzimmereßtisch.

JACK: Verdammt !

NORMA: Was ist denn, Jack ?

JACK: Ich dachte, das haben wir letzten Monat schon überwiesen !

NORMA: Das war der Kieferchirurg. Das da ist der Zahnarzt.

JACK: Was ?! Die blöde Grundsteuer ?! Schon wieder ?!

NORMA: Mais oder Karotten, Schatz ?

JACK: [brummt] Ist mir egal !

ERZÄHLER: In der Zeit bis 1970 hatten meine Eltern das Ernähren zu einer Art Kunstform erhoben.

JACK: [brummt verärgert] Also machen wir 'ne Anleihe beim Weihnachtsgeld !

ERZÄHLER: Dad war der Maistro der Finanzplanung. Mom war Gemüsevirtuosin.

NORMA: Broccoli !

ERZÄHLER: Eins mußte man ihnen lassen: Sie verstanden ihr Handwerk. Und natürlich diente alles einem guten Zweck:

WAYNE: [ungeduldig] Hey ! [NORMA und JACK blicken ihn schief an]

ERZÄHLER: Ihre drei wundervollen Kinder zu versorgen.

WAYNE: Essen wir nun heute noch oder was ?

ERZÄHLER: Mit allen damit verbundenen Rechten und Pflichten. Es war keineswegs so, daß wir nicht wußten, was wir an den beiden hatten, aber Thanksgiving stand vor der Tür und das weckte gewisse ... Bedürfnisse.

KAREN: Daddy ? [JACK blickt auf] Wenn das College wieder anfängt, brauch ich etwas Geld für ein paar Sachen. Okay ?

JACK: Was für Sachen ?

KAREN: Bücher, etwas Schreibmaterial, [wie selbstverständlich] eine Yogamatte.

WAYNE: [spöttisch] Eine Yogamatte ?!

JACK: Wozu kannst du denn eine Yogamatte gebrauchen ?!

KAREN: Für Yoga.

ERZÄHLER: Egal, wie absurd diese Bedürfnisse waren, wir wußten, irgendwie würden sie erfüllt werden.

NORMA: [zuversichtlich] Das werden wir schon hinkriegen, Schatz. [JACK blickt beide kopfschüttelnd an]

KAREN: Danke.

[WAYNE und KEVIN werfen sich einen bedeutungsvollen Blick zu. Dann gleichzeitig:]

WAYNE: Krieg ich 'ne neue Stereoanlage ?

KEVIN: Krieg ich 'nen neuen Baseballhandschuh ?

[JACK brummt beide verärgert an.]

WAYNE: [wütend, zu KEVIN] Stell dich gefälligst hinten an, Blödsack !

KEVIN: Ich war erster, blöder Idiot !

WAYNE: Ich brauche eine neue Stereoanlage !

KEVIN: Ich brauche einen neuen Baseballhandschuh - den alten trag ich schon seit zwei Jahren !

[Sie streiten weiter. JACK und KAREN beobachten sie finster.]

ERZÄHLER: Das traf zumindest auf die wirklich wichtigen Bedürfnisse zu !

NORMA: [blickt in den Ofen] Ach du meine Güte, nicht doch !

[WAYNE und KEVIN hören sofort auf zu streiten. Alle vier sehen NORMA besorgt an.]

NORMA: [seufzt] Der Ofen geht wieder nicht ! [Betroffenes Schweigen.]

INT. ABEND. KÜCHE
NORMA läßt den Herd von einem HANDWERKER begutachten.

HANDWERKER: Der ist noch kaputter als kaputt ! Dieser Herd ist hin !

NORMA: [besorgt] Aber sie können ihn doch reparieren ?

HANDWERKER: Äh, ja ...

NORMA: [atmet auf] Oh. Gut !

HANDWERKER: Ich könnt ihn schon reparieren - wenn ich dafür noch Teile finde. Wissen Sie was, Norma: Es fällt mir furchtbar schwer das auszusprechen - immerhin sind sie eine gute Kundin von uns, aber ... Ich will's mal so ausdrücken: Er ist alt, er ist erschöpft [In dieser Sekunde kommt JACK von der Arbeit zurück] - kaufen Sie sich einen neuen !

JACK: Was soll das heißen, "kaufen Sie sich einen neuen" ?

HANDWERKER: [weiß, daß er einen schlechten Zeitpunkt gewählt hat] Tag, Jack !

JACK: Wieso reparieren Sie nicht unseren ?

HANDWERKER: Weil der Thermostat hin ist, die obere Platte kriegt keinen Saft, wie sie eigentlich sollte, und ... irgendwo im Stromkreis ist ein übler Kurzschluß.

ERZÄHLER: Und da hatten wir's: Das wohlüberlegte Urteil eines Profis. Dad blieb nichts anderes übrig, als zur Tat zu schreiten.

JACK: Ich hol mein Werkzeug aus dem Schrank !

NORMA: Äh, Schatz, ähm, ich glaub nicht, daß wir mit deinem Werkzeug diesmal weiterkommen. Es sieht so als, als müßten wir einen neuen kaufen.

HANDWERKER: Sie hat recht, Jack - auch wenn ich Ihnen das sehr ungern sage.

ERZÄHLER: Arme Mom ! Alles, was sie sich wünschte, war ein funktionierender Herd, damit sie ihre Familie ernähren konnte. Und armer Dad ! Alles, was er sich wünschte, war, Mom einen funktionierenden Herd geben zu können, damit sie die Familie ernähren konnte.

INT. ABEND. WOHNZIMMER
NORMA stellt einen großen Teller mit belegten Broten auf den Wohnzimmereßtisch.

NORMA: [fröhlich] Mortadellabrote !

[Die anderen, besonders WAYNE, begutachten die Brote, die sie statt einer warmen Mahlzeit bekommen, enttäuscht und argwöhnisch.]

ERZÄHLER: Und wir armen !! Alles, was wir uns wünschten, war etwas anderes als Sandwiches zum Abendbrot ! Es war offenbar Zeit, nach Auswegen zu suchen.

NORMA: Jack, ich hab mir in der Zeitung die Werbung angesehen. Bei Montgomery Wart ist Ausverkauf in der Elektroabteilung.

JACK: Wieviel müßte ich für einen neuen Ofen hinblättern ?

NORMA: Nur etwa 250 Dollar ...

JACK: [zerknirscht] Sag bitte nicht "nur" und "250 Dollar" in einem Atemzug !

[WAYNE interessiert sich statt dessen eher für die Scheibe Wurst in seinem Sandwich.]

WAYNE: Irre ! Wie kriegen die nur diese häßlichen grünen Oliven da rein !

ERZÄHLER: Womit unsere Ausweichmöglichkeiten ausgeschöpft waren. Alle bis auf eine:

JACK: Ich führ morgen ein Gespräch mit der Geschäftsleitung. Ich will ein höheres Gehalt !

ERZÄHLER: Das war ein kühner und unerwarteter Entschluß.

JACK: Das ist mir die Firma schuldig, Norma ! Es ist überfällig !

KEVIN: Gute Idee, Dad !

NORMA: Du hast eine Gehaltserhöhung verdient, Schatz !

ERZÄHLER: Immerhin war Dad der große Ernährer.

INT. MORGEN. WOHNZIMMER
KAREN kommt aus ihrem Zimmer und erblickt DAD, der sich einen schwarzen Anzug angezogen und eine Krawatte umgebunden hat und für das Gespräch mit der Geschäftsleitung gewappnet ist.

KAREN: Hey ! Das sieht stark aus !

ERZÄHLER: Somit wurde er von seinen Nahrungsempfängern voll unterstützt.

[KEVIN kommt aus der Küche ins Wohnzimmer.]

KEVIN: Wow ! Du siehst ja toll aus !

[Auch WAYNE kommt dazu.]

WAYNE: Was ist passiert ? Ist jemand abgekratzt ? [kichert]

[WAYNE setzt sich an den Wohnzimmertisch, KEVIN steht hinter ihm. KAREN kommt dazu und NORMA kommt nun auch ins Wohnzimmer - womit die Familie vollständig wäre.]

NORMA: Jack ... Willst du wirklich diese Krawatte tragen ?

JACK: Was hast du denn gegen die ?

NORMA: Jack ...

JACK: Sie hat schonmal funktioniert ! Vielleicht geht es wieder ! Wünsch mir Glück !

ERZÄHLER: Es war schön, meine Eltern so zu sehen, ...

NORMA: Viel Glück, Schatz !

ERZÄHLER: ... wie sie aufopfernd für die Familie sorgten.

NORMA: [begleitet JACK zur Tür.] Bis dann ! [JACK geht.]

ERZÄHLER: Ich glaube, dieser Augenblick ging uns allen ziemlich nah.

[KEVIN legt seine Arme um WAYNE und KAREN.]

WAYNE: Hände weg, du Kröte ! [steht auf und geht]

ERZÄHLER: Das muß man mir jetzt einfach mal glauben !

EXT. NACHMITTAG. AUFFAHRT
KEVIN kommt nach Hause, JACK auch. Er fährt das Auto in die Einfahrt.

ERZÄHLER: An diesem Nachmittag kam ich etwas früher nach Hause als sonst. Dad ebenfalls. Und das konnte nur bedeuten, daß es keine gute Nachricht gab.

[JACK steigt aus, sucht aber noch etwas im Auto.]

KEVIN: Wie ist es denn gelaufen ?

JACK: Aufreibend !

KEVIN: Tja, nächstes Mal vielleicht.

JACK: Vielleicht. [holt einen Blumenstrauß hervor] Vielleicht aber auch nicht !

INT. NACHMITTAG. KÜCHE
MOM, KAREN und WAYNE sind in der Küche. DAD, mit dem Blumenstrauß und seiner Aktentasche, gefolgt von KEVIN, kommt herein und räuspert sich.

NORMA: [glücklich] Du hast die Erhöhung gekriegt !

JACK: [triumphierend] Nicht nur die ! Hier steht der neue Regionalmanager für Produktbetreuung und -kontrolle !

ERZÄHLER: Es hatte zwar keiner von uns eine Ahnung, was das bedeutete, ... [Die Arnold-Kinder stürmen auf JACK zu, umarmen ihn, beglückwünschen ihn, freuen sich mit ihm. Auch NORMA kommt dazu.] ... aber es hörte sich einigermaßen eindrucksvoll an !

JACK: Phantastisch, was !

KEVIN: Gratuliere dir ! Regionalmanager ?

JACK: [stolz] Regionalmangager ! [ruhiger] Natürlich, ähm, bringt das 'nen Haufen neuer Verantwortung mit sich.

NORMA: Damit wirst du schon fertig !

JACK: Allerdings bin ich manchmal unterwegs. Ich fahre von Fabrik zu Fabrik, löse Probleme vor Ort - ihr wißt schon, sowas in der Art.

KEVIN: Du meinst, du bist oft auf Reisen ?

JACK: Gelegentlich. Bestimmt bloß am Anfang. [lange Pause] Ich muß heute abend nach Pittsburgh fliegen

NORMA: Heute schon ?

JACK: Sie haben gesagt, sie brauchen da sofort jemanden. Aber nächsten Mittwoch komm ich schon wieder. [NORMA seufzt]

ERZÄHLER: Plötzlich hatten wir eine ziemlich genaue Vorstellung von der Tätigkeit eines Regionalmanagers.

JACK: Aber es ist ja nur zu unserem Besten ! [lacht leise, nur NORMA kann sich nicht darüber freuen]

NORMA: [verbirgt ihre Enttäuschung] Natürlich, Schatz !

ERZÄHLER: Vielleicht war es das sogar. Mom sah glücklich aus.

WAYNE: [stolz] Kräftige Erhöhung, Dad ?

JACK: Kleingeld ist es jedenfalls nicht !

[Und damit ist für WAYNE und KEVIN wieder alles in Ordnung. Nur NORMA sieht etwas bedrückt aus.]

ERZÄHLER: Dad bekam endlich die Anerkennung, die er verdiente !

INT. ABEND. SCHLAFZIMMER
NORMA und JACK packen Koffer. Die Kinder stehen vor der Tür und gucken zu.

ERZÄHLER: An diesem Abend sahen wir zu, wie Mom und Dad sich zärtlich von einander verabschiedeten.

JACK: Das blöde Taxi kommt heut nicht mehr !

NORMA: Schatz, beruhige dich, es muß gleich da sein !

JACK: Äh, hast du meine Taschentücher auch nicht vergessen ?

NORMA: Die liegen in der Reisetasche.

JACK: Gut.

[Draußen hupt das Taxi.]

JACK: Ah, es wird aber auch Zeit ! Okay, das ist alles, hä ?

ERZÄHLER: Es war merkwürdig - es ging alles so schnell ! Für uns alle.

JACK: Oh, äh, wo ist mein Ticket ?

NORMA: In der Brusttasche von Jacket. [JACK fühlt, nochmal, ob es wirklich dort ist]

JACK: Äh, das wär's dann, oder ?

[Das Taxi hupt noch einmal.]

JACK: Okay, Kinder, ihr paßt gut auf eure Mutter auf !

WAYNE: Hau rein, Dad !

KEVIN: Wiedersehen, Dad !

JACK: Und benehmt euch ! [dreht sich noch einmal zu NORMA um] Ach ja ... du kannst dir ja inzwischen den neuen Herd kaufen ! [NORMA lächelt halbherzig] Paßt auf euch auf !

KAREN: Mach's gut !

WAYNE: Wiedersehen !

EXT. VORMITTAG. HAUSTÜR
NORMA und JACK kommen aus dem Haus und gehen zu dem Taxi, das am Straßenrand parkt. Ihre Kinder sehen ihnen hinterher.

ERZÄHLER: Es war so romantisch wie in diesem alten Filmen im Spätprogramm. Na ja, jedenfalls so romantisch, wie meine Eltern eben werden konnten. Man darf ja nicht vergessen, daß Dad es eilig hatte !

[NORMA sieht dem Taxi noch eine Weile traurig hinterher und winkt.]

INT. TAG. KÜCHE
NORMA telefoniert mit JACK und betrachtet stolz den neuen Herd.

NORMA: Jack, er ist schlicht und ergreifend wunderschön ! Weißt du, ich war ein bißchen verschwenderisch: Es ist ein selbstreinigender ! Ich hab ihn in weiß genommen !

ERZÄHLER: Am Montag vor Thanksgiving sah alles wieder rosig aus.

NORMA: Nein, nein ! Uns geht's gut. Und, äh, wir sehen uns Mittwoch abend ? Okay, bis dann. [legt auf]

KEVIN: Wie geht's ihm, Mom ?

NORMA: Blendend ! [betrübt] Alles bestens. [blickt wieder zum Herd] Ist er nicht wunderschön ?!

KAREN: Wirklich klasse, Mom !

ERZÄHLER: Das war er tatsächlich - für einen Herd jedenfalls.

NORMA: Oh nein ! [glücklich] Er hat eine Timerfunktion ! "Die Temperatur des Ofens wird automatisch reguliert - das bedeutet, Sie haben mehr Zeit für ihre Gäste" ! Das ist praktisch für den Truthahnbraten !

ERZÄHLER: [ironisch] Na wie aufregend !

KEVIN: Also, ich geh dann jetzt zur Schule.

NORMA: Gut, Liebling, ich wünsch dir einen schönen Tag !

ERZÄHLER: Vielleicht hätte ich ja etwas mehr Begeisterung aufbringen sollen, aber ... ich wurde das dumpfe Gefühl nicht los, daß irgendetwas fehlte.

EXT. NACHMITTAG. STRASSE
PAUL und KEVIN werfen sich gegenseitig Footbälle zu, während sie den Bürgersteig hinab gehen.

PAUL: Und, wann ist dein Vater wieder da ?

KEVIN: Ah, Mittwoch. Mittwoch, ja.

PAUL: Das macht sicher einen Mordsspaß !

KEVIN: Hä ?

PAUL: Natürlich ! Er darf fliegen, schläft in Hotels - das ist garantiert witzig.

KEVIN: Na ja ... er ... möchte bestimmt nach Haus'.

PAUL: Na klar. Keine Frage.

KEVIN: Trotzdem, wir schaffen es, ohne ihn auszukommen. Es ist, äh, irgendwie anders. So 'ne Art Abenteuer.

ERZÄHLER: Es war wirklich eins ! Falls man das Abenteuer nennen kann.

INT. ABEND. WOHNZIMMER
KEVIN und WAYNE sitzen auf der Couch. NORMA kommt mit zwei Tellern herein.

NORMA: Pasteten ! Die waren in unserem neuen Herd im Nu fertig !

ERZÄHLER: Wir dürfen natürlich nicht vergessen, den neuen Herd zu erwähnen !

WAYNE: [versucht, mit der Gabel hineinzustechen] Äh, Mom, findest du nicht auch, daß die Dinger ... innen noch nicht ganz durch sind ?

NORMA: Wirklich ?

KEVIN: Ja, meins ist auch noch halb gefroren.

NORMA: Das muß an diesem neuen Timer liegen ... Wenn euer Vater zurück ist, muß er sich den mal ansehen.

[Das Telefon klingelt. NORMA nimmt den Hörer ab.]

NORMA: Hallo ? Oh, hallo Schatz ! Ach was, hier ist alles in Ordnung. Alles klar.

KEVIN: Grüß ihn von uns !

[NORMA macht eine abwehrende Handbewegung.]

NORMA: [besorgt] So ... Hat er gesagt, es sei endgültig ? Ähm, kannst du am Donnerstag herfliegen ? Ja, das ist zu teuer, ich weiß. [betrübt] Nein, Schatz, natürlich. Das verstehe ich. Wann wirst du denn nun nach Hause kommen ? Sonnabend ?!

KEVIN: Ist nicht dein Ernst ! Das wäre ja zwei Tage nach ...

NORMA: Ach Jack, red bitte keinen Unsinn ! Wir kommen schon zurecht. Wirklich. Okay, bis später. [legt auf]

ERZÄHLER: "Okay" ?! "Bis später" ?! [NORMA seufzt] Das mußte erstmal richtig ausdiskutiert werden !

KEVIN: Dad kommt Thanksgiving nicht nach Hause ?

NORMA: Nein. Er wird Freitag früh gleich in Denver gebraucht.

KEVIN: Kann er nicht ... für einen Tag herfliegen ?

NORMA: Nein, Schatz, das ... wäre wirklich viel zu teuer.

KEVIN: Und was tut er zu Thanksgiving ?

NORMA: Kevin !

ERZÄHLER: Und damit war unsere Diskussion wohl auch schon wieder beendet.

NORMA: Oh, jetzt weiß ich, was los ist ! Wenn ich den Timer benutzen will, muß ich erst den Ofen vorheizen.

ERZÄHLER: Eins war jedenfalls klar: Zwischen Dads neuem Job und Moms neuem Herd ging dieser Feiertag vor die Hunde.

[Überblendung zu Buster, dem Familienhund, der auf dem Fußboden liegt, an einer der Pasteten schnuppert und sie nicht anrührt.]

INT. ABEND. BAD
KEVIN kommt herein. WAYNE steht vor dem Spiegel und putzt seine Zähne.

ERZÄHLER: An diesem Abend dachte ich, es sei an der Zeit für ein paar Erkundungen innerhalb der Familie.

KEVIN: Wayne ?

WAYNE: [mit der Zahnbürste im Mund] Was !?

KEVIN: Kann ich dich was fragen ?

WAYNE: Die Antwort lautet nein !

KEVIN: Nein, im Ernst. Ist dir eigentlich an ... Moms Verhalten gar nichts aufgefallen ? [WAYNE hört auf zu putzen] Irgendwas ... ist doch hier merkwürdig. [vorsichtig] Oder ?

[WAYNE sieht ihn nachdenklich an.]

ERZÄHLER: Und für einen Moment wußte ich, daß ich nicht allein war. Wayne verstand tatsächlich, was ich meinte.

WAYNE: Weißt du ... du hast einen fetten Klumpen Zahnpasta genau da in deiner Nase !

[WAYNE lacht, geht hinaus und schaltet das Licht aus. KEVIN bleibt allein im Dunkeln stehen.]

ERZÄHLER: Na ja, vielleicht reagierte ich einfach zu sensibel.

INT. ABEND. WOHNZIMMER
KEVIN will in sein Zimmer gehen, bleibt aber stehen, als er NORMA sieht, die ein Tischtuch sauber auf den Wohnzimmertisch legt und glättet, nur um es dann wieder herunterzureißen.

ERZÄHLER: Vielleicht aber auch nicht.

INT. TAG. KÜCHE
Der Fernseher läuft.

SPRECHER: [im TV] Da haben wir uns ja ein ganz wunderbares Wetter für unsere Thanksgivingparade ausgesucht !

ERZÄHLER: Thanksgiving. Wir begingen diesen Feiertag ganz gemäß den alten Traditionen: Prunkvoll, festlich. Es war ein Tag der Familie ...

EXT. TAG. GARAGE
KEVIN spielt alleine Basketball.

ERZÄHLER: ... - und der Kinder.

[KEVIN blickt zum Fenster in die Küche, wo NORMA arbeitet. Sie bemerkt ihn nicht.]

ERZÄHLER: Währenddessen wirbelte Mom durch die Küche wie eine Kochmaschine, wie ein tanzender Derwisch der Häuslichkeit. Und so sehr, wie sie ihren neuen Herd ins Herz geschlossen hatte, so sehr fing ich an, ihn zu hassen.

INT. ABEND. WOHNZIMMER
Der Wohnzimmertisch wird gedeckt. Überall stehen Schüsseln, Platten, Teller, randvoll gefüllt mit Köstlichkeiten - und NORMA stellt immernoch mehr dazu. Die Kinder helfen ihr. Dazu erklingt der zweite Satz aus Beethovens Neunter Sinfonie.

ERZÄHLER: Schließlich war der Zeitpunkt gekommen, für den reichlichen Segen Dank zu sagen, die Früchte unserer üppigen Ernte zu uns zu nehmen. Aus den Tiefen von Moms neuem Herd schwappte eine Flutwelle des Festessens über uns zusammen. Es war eine Sinfonie aus Mais und Mohrrüben, eine donnernde Lawine aus Kartoffeln und Soße. Und als Krönung: Ein Truthahn so groß wie ein Auto !

NORMA: Gut ! Das wär dann alles. [setzt sich nicht]

ERZÄHLER: Das war genug, um eine mittlere Kleinstadt satt zu machen !

KAREN: Der Truthahn sieht super aus, Mom !

NORMA: Ja, nicht schlecht, oder ! Ich hab genau die Anweisungen aus dem Kochbuch zum neuen Herd befolgt.

ERZÄHLER: Jetzt konnten wir eigentlich nur noch eins tun: Uns hinsetzen und reinhauen !

NORMA: [erschrocken] Ha ! Ach du meine Güte ! Ich hab die Serviettenringe vergessen !

ERZÄHLER: Aber aus irgendeinem Grund ...

NORMA: [am Schrank] Da sind sie ja.

ERZÄHLER: ... wollte Mom sich nicht setzen.

NORMA: Einer für dich [KEVIN], einer für dich [WAYNE] und einer für dich. [KAREN] Dieses Jahr habe ich die Füllung mit Grandy Smith-Äpfeln gemacht, statt mit Golden Dilicious. Oh, und anstatt wie sonst die Marshmellows ganz zu servieren, hab ich sie geschmolzen und in das Ganze braunen Zucker gestreut. [bleibt immernoch stehen] Wegen des Geschmacks. Anschließend hab ich das Zeug gut verquirlt und in den Mixer gegeben. Aber es war immernoch nicht so, wie es sein sollte - irgendwie fehlte ...

ERZÄHLER: Wir saßen da, während Mom immer weiter redete und ihre Serviette faltete.

NORMA: Also hab ich's vor dem Backen mit Kokusraspel abgeschmeckt.

ERZÄHLER: Es war furchtbar ! Doch dann wurde es sogar noch schlimmer.

[NORMA hört auf zu reden, blickt lange auf den Braten und faltet ihre Serviette weiter.]

ERZÄHLER: Ihr Schweigen war wie ein Hilfeschrei. Ihr stand das Wasser bis zum Hals. - Also wollte ich versuchen, sie zu retten.

KEVIN: Mom ?

NORMA: Hmm ?

KEVIN: Wer soll tranchieren ? [lange Pause]

NORMA: Das weiß ich auch nicht.

[Lange Pause. Schließlich legt NORMA ihre Serviette auf den Tisch und geht.]

WAYNE: Schöne Aktion, Blödsack !

INT. ABEND. SCHLAFZIMMER
NORMA telefoniert.

NORMA: Ach, hat er nicht ? Nein, nein. Ist schon gut. Könnten Sie ihm etwas ausrichten, wenn er wieder da ist ? Sagen Sie ihm, daß Norma angerufen hat. Ja. Dankeschön.

ERZÄHLER: Wenn man 14 ist, kann man eine Menge Dinge: Einen Ball mit **** werfen, ein Fahrrad reparieren - aber ich wußte, daß ich das, was hier aus den Fugen geraten war, nicht reparieren konnte.

[KEVIN klopft an die Tür.]

NORMA: Komm rein !

KEVIN: Mom ?

NORMA: Mmh ? [lange Pause]

KEVIN: Es tut mir leid.

[NORMA antwortet nicht. Schließlich klingelt das Telefon. Sie nimmt ab.]

NORMA: Hallo ? Jack ! Wo bist du ? Wirklich ? Natürlich, Schatz ! Ja ! Bis dann ! [legt auf; glücklich] Wir müssen los ! Wir fahren zum Flughafen !

KEVIN: Er kommt also früher !

NORMA: Nein, er fliegt nur schnell her - nur für eine Stunde !

KEVIN: Ich dachte, daß das viel zu teuer wär ...

NORMA: [glücklich] Ja. Ist es eigentlich auch.

EXT. ABEND. FLUGHAFEN
Es ist bereits dunkel, als MOM, KAREN, WAYNE und KEVIN auf dem kleinen Flughafen ankommen. Sie bleiben bei anderen Wartenden hinter einem Zaun stehen.

ERZÄHLER: Am Thanksgivingabend 1970 kam mein Vater zu seiner Familie nach Hause, zu der Familie, für die er sorgte, zu der Familie, die er ernährte. Aber er kam auch noch zu jemand anders nach Hause:

[JACK steigt aus dem Flugzeug. NORMA läuft ihm entgegen, während die Kinder hinter dem Zaun warten. JACK läßt seinen Koffer stehen und umarmt MOM.]

ERZÄHLER: Und zwar zu der Frau, die er liebte.

NORMA: Du hast mir gefehlt !

JACK: Du hast mir auch gefehlt !

ERZÄHLER: Es mag sein, daß die einfachen Dinge im Leben oft in Vergessenheit geraten, Dinge, die Eltern brauchen - auch Dinge, die Kinder brauchen. Aber an diesem Abend versprachen sich Mom und Dad - Norma und Jack -, sich daran zu erinnern.

CLOSING TITLES
Dieses Transcript wurde von Daniel G.



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09/10/01 19:50