Folge 52: Es ist schwer, ein Idol zu sein
Drehbuch: Mark B. Perry

Transcript: Daniel Görlich



OPENING TITLES

OPENING SEQUENCE
Ein Elvis-Presley-Konzert. Das vornehmlich weibliche Publikum tobt.

ERZÄHLER: Jede Generation hat ihre Idole, Kerle, die unsere Helden, der Inbegriff des Coolseins sind ... Kerle, die Mädchen verrückt machen. Meine Generation hat diese Leute haufenweise hervorgebracht: Die Beatles, Mick Jagger - und natürlich meine Wenigkeit. Na gut, von mir lief zwar keine Single in der Hitparade, aber ich hatte etwas, ohne das kein Teenageridol auskommt:

INT. TAG. SCHULKORRIDOR
DEBBIE: [blickt verliebt zu KEVIN auf] Hi.

ERZÄHLER: Einen Fan. Debbie Pfeiffer, Pauls kleine Schwester.

KEVIN: [genervt] Hi Debbie.

DEBBIE: Hi Kevin.

ORT UND ZEIT UNBEKANNT

DEBBIE: Hi Kevin.

ERZÄHLER: Debbie war inzwischen in der Siebten und, um es milde auszudrücken: Sie glaubte, ich hätte den Mond in den Himmel gehängt und die Sterne zum Leuchten gebracht.

KEVIN: Hi Debbie.

DEBBIE: Hi.

EXT. TAG. STRASSE
KEVIN geht gemächlich auf dem Bürgersteig. Er kommt an einem großen Baum vorbei - und sieht plötzlich DEBBIE auf der anderen Straßenseite.

DEBBIE: Hi Kevin !

ERZÄHLER: Das war ja alles sehr schmeichelhaft, aber es ging mir auch gewaltig auf den Keks. [KEVIN zögert] Und das schlimmste war: Egal, wie sehr ich versuchte, es zu ignorieren ... [KEVIN versteckt sich hinter dem Baum]

DEBBIE: Kevin ?

ERZÄHLER: ... es ignorierte mich nicht.

KEVIN: [kommt hinter dem Baum vor; genervt] Hi Debbie.

ERZÄHLER: Ich möchte ja nicht unsensibel erscheinen, aber ein Mann in meinem Alter hatte wichtigere Dinge im Kopf als verliebte kleine Mädchen.

DEBBIE: [folgt KEVIN auf der anderen Seite des Bürgersteigs] Hi !

[KEVIN fängt an zu rennen.]

ERZÄHLER: Dinge wie ... äh ...

INT. MITTAG. CAFETERIA
Die Cheerleader, in weiß-rot, proben für ihren nächsten Auftritt.

CHEERLEADER: S-P-I - T-Z-E - los, Wildcats ! S-P-I - T-Z-E - los, Wildcats !

ERZÄHLER: ... den Schulkampfgeist !

CHEERLEADER: ... los, Wildcats !

[Die Cheerleader hören auf und werden bis Jubel und tosendem Beifall belohnt - hauptsächlich von den Jungen.]

ERZÄHLER: In der Kennedy Junior Highschool war ein bevorstehendes Footballspiel das Größte. Für uns Jungen jedenfalls. Football-Fieber lag in der Luft ! Dafür gab es natürlich einen Grund.

[Auch KEVIN, PAUL, RANDY Mitchell und DOUG Porter sehen von ihrem Tisch aus zu, als die Cheerleader mit einem anderen Tanz beginnen.]

CHEERLEADER: Vorwärts ! [Trommelwirbel] W-I-L ...

ERZÄHLER: Besser gesagt: Zwei.

CHEERLEADER: ... D-C-A ...

ERZÄHLER: Deanna Delgado ...

Anmerkung: Die Aussprache ist: Dina Del'gardo.

[Die Kamera zeigt nur Deannas Oberkörper, genauer gesagt: ihre Brüste, die bei jedem Sprung unter ihrem Cheerleader-Kostüm auf und ab hüpfen. Die Jungen starren sie sprachlos an.]

ERZÄHLER: ... - ein Name, der gleichbedeutend war mit ****. Deanna war für uns etwas ganz Besonderes, so wie die Freiheitsstatue oder die Bürgerrechte.

RANDY: Mann, ich freu mich schon auf das Spiel am Freitag. Ihr auch ?

[Die Cheerleader beginnen wieder mit dem ersten Tanz.]

PAUL: Was ? Freitag ?!

RANDY: Gehen wir ganz früh hin und setzen uns nach vorne !

ERZÄHLER: Dieses Ereignis durfte man nicht verpassen.

KEVIN: [sieht PAULs betrübten Blick] Paul ?

PAUL: Ich kann nicht, Leute.

RANDY: Was ?

DOUG: Was ?

INT. NACHMITTAG. HAUS DER PFEIFFERS
KEVIN und PAUL stehen nahe der Eingangstür und starren durch den Durchgang ins Wohnzimmer ...

ERZÄHLER: Dafür gab es natürlich einen Grund.

[... wo DEBBIE in einem weißen Kleidchen und mit einer dicken Brillen auf der Nase - die auch PAUL und ihre Eltern, IDA und ALVIN tragen - auf einem Stuhl steht. Ihre Eltern arbeiten an dem Kleid, während DEBBIE nur Augen für KEVIN hat.]

IDA: Debbie, Liebling, du wirst das hübscheste Mädchen von allen sein !

PAUL: [zu KEVIN] Ich soll mit meiner Schwester am Freitag zu so 'nem blöden Nachwuchsbal gehen !

DEBBIE: Der ist überhaupt nicht blöd !

IDA: Paul, fang nicht schon wieder an.

PAUL: Sie ruiniert mein Leben !

ALVIN: Ich würde sie liebend gern ausführen. [zu DEBBIE] Wir zwei Arm in Arm ... Ich tanze einen wilden Foxtrott !

DEBBIE: [wenig begeistert; mit einem Seitenblick zu KEVIN] Daddy ?

IDA: [bestimmt] Alvin, sie geht auf keinen Fall mit ihre Vater zum Nachwuchsball ! Ihr Bruder wird sie begleiten.

PAUL: [protestierend] Und warum begleitet sie niemand anders ?

DEBBIE: Du weißt, es gibt niemand anders.

ERZÄHLER: Hehe. Der alte Pfeiffer konnte einem beinahe leid tun. Und wenn schon - das mußte die Familie unter sich ausmachen. Das ging mich nichts an. [vorsichtig] Zumindest noch nicht.

DEBBIE: [leise] Na ja, ich gehe eben einfach mit Paul, wenn ich keinen anderen finde der ... wirklich nett ist. [senkt den Blick, aber KEVIN weiß so gut wie alle anderen, daß er gemeint ist.] Oder ... so richtig toll.

ERZÄHLER: Oh oh ! Die Vorsitzende meines Fanclubs bat um einen persönlichen Auftritt.

[KEVIN zögert. Im Hintergrund ist leise eine Oper zu hören.]

ERZÄHLER: Und nicht nur sie ... [alle Blicke richten sich auf KEVIN] Der ganze Fanclub bat darum. [kurze Pause] Es wurde Zeit für die gute alte Diplomatie.

KEVIN: Äh ... komm mit, Paul ! Lernen wir bei mir zu Haus'.

[KEVIN zerrt PAUL in Richtung Haustür. DEBBIE ist schwer enttäuscht, ihre Eltern vermutlich auch.]

ERZÄHLER: Ja. Die taktvolle Arnold-Methode.

[Die Haustür knallt zu. Die Musik verstummt.]

INT. NACHMITTAG. KEVINS ZIMMER
KEVIN liegt lässig auf seinem Bett, PAUL liegt ausgestreckt auf WAYNEs Bett und starrt die Decke an.

PAUL: Das faß ich nicht ! Ich könnte mich genauso gut gleich auf die Autobahn legen !

KEVIN: Ach, so schlimm ist das nicht.

PAUL: Darf ich mal lachen ?! Während ihr euch Deanna anseht, muß ich mit kleinen Mädchen mit weißen Handschuhen Walzer tanzen !

KEVIN: Ach was, das wird süß ! [grinsend] Vielleicht tanzen sie Hooky-Pooky !

PAUL: [beleidigt] Wenn du denkst, das wird so süß, dann geh du doch da hin !

KEVIN: Sie ist ja nicht meine Schwester.

ERZÄHLER: Manchmal muß man seinem besten Freund einen Tritt verpassen. Selbst wenn er am Boden liegt. Es sei denn natürlich, er tritt zurück.

PAUL: Sie ... würde sich unheimlich freuen.

KEVIN: Paul !

PAUL: Ach bitte ! Wieso nicht ? - Sie ist verrückt nach dir ! Sie würde ...

KEVIN: [hart] Das kannst du dir sparen.

PAUL: [seufzt] Ein echter Freund würde es machen.

ERZÄHLER: Foul ! Regelwidriger Angriff im Strafraum !

KEVIN: Die Antwort ist trotzdem Nein !

PAUL: Okay, okay. Ich dachte, fragen kann ich ja.

KEVIN: Kannst du nicht.

PAUL: Okay, schon gut !

ERZÄHLER: Was soll's ? Kumpel sein ist ja schön und gut, aber im wirklichen Leben kommt auch ein Kumpel irgendwann an seine Grenzen.

INT. ABEND. KÜCHE

Während MOM noch das Abendbrot vorbereitet, sitzt die Familie bereits am Tisch.

ERZÄHLER: Ganz im Gegensatz zur Mutter !

MOM: [fragend] Übrigens, ich habe gehört, daß du Debbie Pfeiffer am Freitag zu ihrem Ball begleitest ?

KEVIN: Was ?!

MOM: Ich habe heute Ida Pfeiffer in der Bücherei getroffen und ... sie sagt, Paul hätte gesagt, daß, äh, du und Debbie ...

KEVIN: Moment ! Paul hat das gesagt ?

MOM: Hat mir Ida erzählt.

ERZÄHLER: Der Schweinehund !

KEVIN: Nein. Das mußt du falsch verstanden haben. Paul geht da hin. Er begleitet sie.

MOM: So ? [kurze Pause] Schade, daß du das nicht machst.

KEVIN: Wieso ?

MOM: Weißt du, äh, Debbie hält unheimlich viel von dir.

KEVIN: Schön, aber ich gehe trotzdem nicht hin !

ERZÄHLER: Entgegen bösartigen Gerüchten, die das Gegenteil behaupten.

MOM: Natürlich, Schatz. Das mußt du entscheiden.

KEVIN: Okay. [lange Pause]

MOM: Da fällt mir mein erster Ball ein. [schwärmend] Es war der Herbstmond-Ball. Ich hatte eine Verabredung mit dem süßesten Jungen ! Ted Callaway. [leise Gitarrenmusik] Meine Mutter hat mit mir das Ballkleid ausgesucht und mich zum Friseur geschickt. Ich sah richtig schön aus. Als der große Tag kam - ich hab gewartet, aber Ted ist nicht aufgetaucht. Mumps. Ich war fix und fertig.

ERZÄHLER: Selbst mit vierzehn spürte ich die vertrauliche Natur von Moms Geschichte, die verborgene Weisheit in dieser zarten Parabel über die Jugend und ein gebrochenes Herz. Und natürlich schmolz mein Herz dahin.

KEVIN: Tut mir leid - für sowas hab ich keine Zeit ! [steht auf und geht]

ERZÄHLER: Ich meine: Was soll's ? Der ganze Circus drehte sich um ein zwölfjähriges Mädchen ! Sie würde darüber hinwegkommen.

INT. MITTAG. CAFETERIA
KEVIN und PAUL sitzen sich gegenüber.

PAUL: Meine arme kleine Schwester weint sich deinetwegen abends in den Schlaf ! [KEVIN läßt seinen Kopf auf den Tisch plumpsen] Ich wußte nicht, daß dieser Ball so wichtig für sie ist !

KEVIN: [den Kopf hinter einem Arm versteckt] Paul ...

PAUL: Sie ißt nichts, bläßt Trübsal ... Letzte Nacht hat sie in der Dunkelheit gesessen und Neil Diamond gehört ! [KEVIN brummt genervt] Gut, ich appelliere an deine menschlichere Seite: Ich gebe dir fünf Mäuse !

KEVIN: [schockiert; blickt auf] Was ?!

PAUL: Okay, zehn ! Aber das ist mein letztes Angebot ! [keine Reaktion] Ich weiß, was du denkst, aber das Geld ist dabei nicht entscheidend ! Es geht um etwas Bedeutenderes. [Trommelwirbel]

ERZÄHLER: So weit war es also gekommen ! Der Kampfgeist unserer Schule hatte Paul zur Bestechung getrieben ! [Der Trommelwirbel endet]

KEVIN: Paul, zum allerletzten Mal: Ich geh mit deiner Schwester nirgends hin, klar ? Kapiert ?

PAUL: Kapiert.

KEVIN: Okay ?

PAUL: Okay ! [kurze Pause] Aber das wird nicht leicht für sie. Du mußt ihr das ins Gesicht sagen.

KEVIN: Wieso ich ?

PAUL: Sie wird dich fragen kommen. Sie war ganz fertig. Ich sagte ihr, mmh: Frag ihn - was kann dir schon passieren ?

KEVIN: Oh Mann ! Das glaub ich einfach nicht !

ERZÄHLER: Ich war zum Handeln gezwungen. Ich mußte diese Sache aus der Welt schaffen. Sofort. Und ein für allemal.

[KEVIN steht auf.]

PAUL: Kev ? Wo gehst du hin ?

INT. MITTAG. JUNGENTOILETTE
KEVIN ist ganz allein.

ERZÄHLER: Ich mußte mich auf dem Jungenklo verstecken. Was soll's ? Die Kleine konnte mich ja nicht fragen, wenn sie mich nicht fand. [es klingelt] Na gut, ich würde etwas zu spät zum Unterricht kommen - aber das war mir die Sache wert ! Denn das letzte, was ich mir antun wollte, war ...

[KEVIN spät vorsichtig aus der Tür. Der Gang ist leer. Er kommt heraus - und sieht DEBBIE in der Nähe auf einer Treppenstufe sitzen.]

DEBBIE: Hi Kevin.

ERZÄHLER: Mist !

KEVIN: Hi Debbie.

ERZÄHLER: Meine Güte - dieser Gesichtsausdruck ! [DEBBIE lächelt ihn strahlend an, kommt auf ihn zu und blickt durch ihre dicke Brille zu ihm auf.] Wie ein Kamikazepilot beim letzten Einsatz !

DEBBIE: Kevin - ich wollte dich etwas fragen. Weißt du, ich gehe am Freitag zu diesem Nachwuchsball ... und es würde mir wirklich sehr viel bedeuten, wenn ... na ja ...

ERZÄHLER: Da stand ich nun und hoffte auf ein Erdbeben. Oder ein plötzlich einstürzendes Dach ! [KEVIN blickt kurz zur Decke] Aber so gnädig ist das Leben nunmal nicht.

DEBBIE: Würdest du ... mich begleiten ?

ERZÄHLER: Schließlich war es raus. Der Countdown war abgelaufen. So unangenehm es auch sein mochte - es war Zeit, ihr das Herz zu brechen.

KEVIN: Hör zu, Debbie ... [leise Musik beginnt; KEVIN zögert, weiß nicht, wie er es sagen soll - und sieht die ganze Zeit DEBBIEs hoffnungsvollen, fast flehenden Blick auf ihn gerichtet.] Okay. [Pause; dann:]

DEBBIE: [glücklich] Oh ! [Pause] Oh ! [dreht sich um und läuft zur Treppe; dreht sich noch einmal um] Oh ! [läuft die Treppe hinauf]

ERZÄHLER: Elvis Presley hätte das auch nicht viel anders gemacht.

INT. ABEND. AUTO
KEVIN sitzt - im Smoking - neben DEBBIE - mit weißem Kleid, weißen Handschuhen und hellem Schmuck und einem kleinen Sträußchen Blumen - auf dem Rücksitz. ALVIN Pfeiffer fährt, PAUL sitzt neben ihm. Das Radio spielt leise Musik.

ALVIN: Jungs, glaubt ihr, die Wildcats haben in der Saison 'ne gute Chance ?

PAUL: Klar. Auf jeden Fall. [KEVIN blickt ihn böse an]

ERZÄHLER: An diesem Freitagabend war mein Ex-bester-Freund unterwegs zum Cheerleader-Himmel, während auf mich die Nachwuchsball-Hölle wartete.

DEBBIE: Das ist bestimmt das hübscheste Sträußchen, das je ein Mann einer Frau gegeben hat. Du bist so galant, Kevin.

KEVIN: [unwohl] Ach was. Gern geschehen.

ERZÄHLER: Das war gelogen ! Ich war praktisch dazu gezwungen worden ! Und ich wußte auch, wer mich da reingerissen hatte !

DEBBIE: Gefallen dir meine Ohrringe ? Die hat mir meine Oma geschenkt. Die sind für ganz besondere Anlässe - heute ist so ein Anlaß.

KEVIN: Oh. Verstehe.

DEBBIE: Findest du, daß ich mit Brille besser aussehe, oder ohne ? [nimmt die Brille ab und schielt an KEVIN vorbei. Sie setzt sie wieder auf, verliert aber dabei einen Ohrring, der zu Boden (d.h. auf die Fußmatten) fällt.] Ups. Mein Ohrring. Darf ich mal ? [rutscht zwischen die Sitze und sucht]

ERZÄHLER: Eins war klar: Das sah ganz nach einer langen, langen Nacht aus.

[Später. Der Song ist vorbei, PAUL und ALVIN steigen aus. In der Ferne sind Trommelschläge zu hören.]

ALVIN: Okay ****, da sind wir. Hol dir ein Sitzkissen aus dem Kofferraum !

DEBBIE: Ich weißt, er muß hier irgendwo liegen !

ERZÄHLER: Soviel stand fest: Wenn ich diesen Abend überstehen wollte, blieb mir nur eine Möglichkeit:

KEVIN: Entschuldige mich. [steigt aus]

ERZÄHLER: Ich mußte mich aus dem Staub machen.

ALVIN: [schließt den Kofferraum] Viel Spaß, mein Sohn.

PAUL: Danke, Dad. [leise, zu KEVIN] Also dann. [geht]

ALVIN: Diese Kinder heutzutage !

KEVIN: Mr. Pfeiffer ?

ALVIN: Mmh ?

KEVIN: Könnten wir uns unterhalten ? Äh, wegen heute.

ALVIN: Oh. Schon klar. Du meinst, unter Männern, richtig ?

KEVIN: Ähm ... ja !

ALVIN: Kev, ich denke, ich weiß, was dich bewegt. Und ob du's glaubst oder nicht: In derselben Situation bin ich auch schonmal gewesen.

ERZÄHLER: Endlich ! Ein Mann, der mich verstand ! Vielleicht konnte ich Paul noch einholen, bevor ...

ALVIN: Und ... ich will, daß du weißt, daß ich dir meine Tochter anvertraue.

KEVIN: Ach ja ?

ALVIN: Ich bin stolz auf dich, mein Sohn.

ERZÄHLER: Mein Sohn ?!

ALVIN: Ich sag dir was: [greift in seine Jackentasche] Hier sind fünf Dollar. Nur für den Fall, daß ihr beide euch ein Eis kaufen wollt oder sowas. [kurze Pause; gerührt, fast weinend] Sorg dafür, daß sie diesen Abend nie vergißt ! [kurze Pause; theatralisch] Sonnenaufgang, Sonnenuntergang - so schnell verfliegen die Jahre !

[DEBBIE steigt aus und kommt zu ihnen.]

DEBBIE: [ernst] Kevin ? [kurze Pause] Ich hab ihn !

KEVIN: Oh ! Gut.

ALVIN: Sämlinge werden über Nacht zu Sonnenblumen ... [schnieft]

EXT. ABEND. TANZSAAL
DEBBIE und KEVIN gehen zum Eingang.

ERZÄHLER: Mir blieb nur bloß eine Chance: Wenn ich schon nicht entkommen konnte, konnte ich mich vielleicht wenigstens im Schutz der Menge reinschleichen.

INT. ABEND. TANZSAAL
DEBBIE und KEVIN erscheinen im Eingang. Ein Paukenschlag ertönt, ein Scheinwerfer wird auf sie gerichtet. Geblendet sieht KEVIN hunderte von Siebtklässlern, die in zwei Reihen vor dem Eingang stehen und eine Gasse bilden. Dann wird ein Scheinwerfer auf ein Podium gerichtet, wo vor der Band eine Lehrerin in ein Mikrophon spricht:

LEHRERIN: [über Lautsprecher] Miss Deborah Cecile Pfeiffer in Begleitung von Kevin Arnold.

[Kurze Begrüßungsmusik. Alle starren KEVIN und DEBBIE an.]

ERZÄHLER: Bitte keine Autogramme !

[Später. Die Band spielt und die meisten Paare tanzen. Die anderen starren KEVIN an, der mit DEBBIE bei dem Tisch mit den Erfrischungen steht.]

DEBBIE: Na, macht es dir Spaß ?

KEVIN: Äh, ja. Sehr.

ERZÄHLER: Im Laufe der nächsten anderthalb Stunden kam ich mir vor wie ein preisgekrönter Pfingstochse.

LEHRERIN: [kommt vorbei; zu DEBBIE] Da hast du dir ja was Nettes an Land gezogen !

ERZÄHLER: Oder ein zweihundert Pfund schwerer Hecht ! Und während der ganzen Zeit klebte Klein-Debbie an meiner Seite wie Kaugummi.

[KEVIN nimmt sich - mit der Hand - ein kleines Kuchenstück oder etwas in der Art.]

DEBBIE: Nein, so doch nicht.

KEVIN: Hä ?

DEBBIE: Hier ist eine Zange, Trottelchen !

KEVIN: Oh. Ja. Klar.

DEBBIE: Es sieht alles so wunderschön aus, nicht ? Ich bin so irre glücklich !

ERZÄHLER: Und das war sie wirklich. Was mich anging: Ich hatte mir vorgenommen, das Beste aus der Sache zu machen, egal ob es stürmte oder schneite.

[Das Mikrophon knarrt etwas.]

LEHRERIN: So - und jetzt ist es Zeit für den Herzblattwalzer.

ERZÄHLER: Und dann fielen die ersten dicken Flocken.

LEHRERIN: Ja, und den Anfang machen Deborah Pfeiffer und Kevin Arnold.

[Wieder wird ein Scheinwerfer auf sie gerichtet und alle blicken sie an.]

DEBBIE: Das ist dein Glückstag, ich sag's ja !

ERZÄHLER: Es gab da nur ein kleines Problem: Ich hatte keine Ahnung vom Walzer.

DEBBIE: Komm schon !

[DEBBIE zieht ihn auf die Tanzfläche und die Musik beginnt.]

ERZÄHLER: Und so fing ich an, mich vor 200.000 glotzenden Siebtklässlern vollkommen zum Narren zu machen. Es war entwürdigend. Da stolperte ich - Kevin Arnold, der Teenagerheld - wie eine fußkranke Ente zum allerlängsten Walzer in der gesamten Geschichtsschreibung. Und als wäre das noch nicht schlimm genug gewesen, wurde ich dabei Schritt für tapsigen Schritt von einem kleinen Mädchen geführt.

[Die anderen Paare beginnen ebenfalls zu tanzen.]

ERZÄHLER: Aber wenigstens hatte ich jetzt das Schlimmste überstanden. [Der Tanz endet. Beifall] Nun würde die kleine Debbie endlich merken, daß ihr Idol zwei linke Füße hatte - und beide verkehrtrum angeschraucht.

DEBBIE: Kevin, du warst klasse !

KEVIN: Hä ?

DEBBIE: Oh Kevin, heut ist bestimmt der schönste Abend meines Lebens ! Ich meine, du und ich beim Walzer - wer hätte das gedacht ! Es ist als wäre ich ... Aschenputtel !

ERZÄHLER: Da wurde es mir ein für allemal klar: Debbie Pfeiffers Liebe zu mir ... war blind.

LEHRERIN: [über Lautsprecher] Meine Damen und Herren, an der Tür zur Terrasse steht der Photograph. Wenn ihr also ein Erinnerungsphoto möchtet ... [die Musik beginnt wieder]

DEBBIE: Lassen wir ein Bild von uns aufnehmen ?

ERZÄHLER: Konfrontiert mit dieser ungetrübten Emotion, dieser völlig unverdienten Anbetung, wußte ich genau, was ich tun mußte.

KEVIN: Ich besorg etwas Punch.

DEBBIE: [enttäuscht] Okay.

ERZÄHLER: Klar, vielleicht war es brutal, aber es wurde Zeit, daß sie der Wahrheit ins Auge sah.

[KEVIN eilt dem Ausgang entgegen und läßt DEBBIE allein und verloren auf der Tanzfläche stehen. An der Tür zur Terasse steht die Lehrerin.]

LEHRERIN: Oh, seh ich das richtig, dieser Tanz wird ausgelassen ?

ERZÄHLER: Jawohl, dieser Tanz wurde ausgelassen. Und nicht nur der.

EXT. ABEND. TERRASSE
KEVIN liegt allein im Dunkeln auf einer Liege neben einem Swimmingpool. Von drinnen ist noch leise Musik zu hören.

ERZÄHLER: Da saß ich nun, sauer auf Debbie, sauer auf Paul, sauer auf mich selbst. Ich hatte es satt, zum Idol gemacht zu werden, hatte es satt, ein Held zu sein. Einen Augenblick lang spielte ich mit dem Gedanken, die anderthalb Meilen durch die Stadt zu laufen und die anderen Jungs zu treffen.

[PAUL, DOUG und RANDY kommen über die Mauer geklettert.]

RANDY: Da ist er ja !

[DOUG fällt dank seines Gewichtes mehr von der Mauer als er klettert.]

ERZÄHLER: Offenbar hatten die Jungs die gleiche Idee gehabt.

KEVIN: Was macht ihr denn hier ?

RANDY: [außer Atem] Schlechte Nachrichten, Kev.

KEVIN: War es das Spiel ? Haben wir verloren ?

RANDY: Viel härter.

KEVIN: Viel härter !?

RANDY: Paul, du hattest das Fernglas. Erzähl du's ihm !

PAUL: Also als wir angekommen sind ...

ERZÄHLER: Paul fing an, eine Geschichte zu erzählen, die ich immer und immer wieder auf Cocktailparties und bei Klassentreffen hören sollte, eine tragische Geschichte. Das Thema ...

PAUL: ... war Deanna. Deanna Delgado.

EXT. ABEND. STADION
PAUL sitzt neben RANDY und DOUG ziemlich weit oben im Stadion. Er beobachtet Deanna durch das Fernglas, die zusammen mit den anderen Cheerleadern die Zuschauer und die Mannschaft anfeuert. Laute Musik, Jubel ...

ERZÄHLER: Nach Pauls Aussage spielte sich das Ganze innerhalb von Sekunden ab. Ein Vorfall, der jungen Männern das Herz brach und lang gehegte Illusionen zerstörte. Aus Deannas Pullover fiel etwas heraus.

[Deanna blickt erschrocken nach unten, hört auf zu tanzen und hält erschrocken ihre bunten Stoffwedel vor ihren Pullover. Die Kamera verfolgt ein kleines Stoffbeutelchen, das in großem Bogen und in Zeitlupe durch die Luft fliegt. PAUL beobachtet das Ganze und ist wie erstarrt.]

ERZÄHLER: Angesichts dieser entsetzlichen Ernüchterung entstand ein völlig neues Bewußtsein, eine quälende, aber unanfechtbare Wahrheit.

EXT. ABEND. TERRASSE
Zurück auf der Terrasse ...

DOUG: [betrübt] Deanna Delgado ... stopft sich aus !

RANDY: Polster.

PAUL: [niedergeschmettert] Sie sahen doch aus ... wie echt !

ERZÄHLER: In diesem Moment empfanden wir alle dasselbe: Trauer um einen verlorenen Traum - und natürlich Mitgefühl.

RANDY: Komm mit, wir wollten noch bei Tiffi Delgado vorbeigehen !

ERZÄHLER: In der Junior Highschool äußert sich Mitgefühl auf verschiedenste Arten.

KEVIN: Äh, äh, nein danke. Geht lieber ohne mich.

PAUL: [zu den anderen] Kommt !

ERZÄHLER: Als ich meine Freunde in der Dunkelheit verschwinden sah, erkannte ich, daß die Welt nicht unbedingt besser wird, wenn man die Wahrheit kennt.

[DEBBIE steht plötzlich hinter ihm.]

DEBBIE: Kevin ? [Pause] Wo warst du denn ? Ich hab dich die ganze Zeit gesucht.

KEVIN: Äh, na ja, da drinnen ist die Luft so schlecht.

DEBBIE: [traurig] Du wolltest nur nicht, daß man dich und mich photographiert, oder ?

KEVIN: Nein, Debbie, das ist es nicht ...

DEBBIE: Du hast vollkommen recht: [weinend] Das Ganze war eine dumme Idee !

[DEBBIE weint, und plötzlich fällt ihr Ring ins Wasser. Plötzlich weiß KEVIN, was er zu tun hat.]

ERZÄHLER: Ich weiß bis heute nicht, was in mich gefahren ist. Vielleicht lag es an dem Schmerz in ihren Augen, vielleicht lag es auch daran, daß ich an diesem Schmerz schuld war.

[KEVIN springt - voll bekleidet - ins Wasser und taucht. Er sieht den Ring, der langsam zu Boden sinkt und dem Abfluß entgegen schwimmt. KEVIN beeilt sich und kriegt den Ring wenige Zentimeter vor dem Abfluß zu fassen. Er schwimmt wieder an die Oberfläche, holt tief Luft und klettert aus dem Becken. Triefend naß steh er vor DEBBIE.]

ERZÄHLER: Vielleicht hatte es auch einen ganz einfachen Grund.

KEVIN: Du hast was verloren.

ERZÄHLER: Aber ich wußte: Das war's nicht allein.

KEVIN: Wollen wir tanzen ? [lange Pause]

DEBBIE: Gern. [lange Pause]

ERZÄHLER: Na ja, ich war kein Supermann - jedenfalls nicht wirklich. Aber wenn Debbie Pfeiffer einen Helden brauchte, dann sollte sie ihn haben. Ihr blieb noch jede Menge Zeit, um erwachsen zu werden und sich selbst ein Bild zu machen. Schließlich haben ein paar nette kleine Illusionen noch niemandem geschadet. Am allerwenigsten mir. Was Mr. Pfeiffers fünf Dollar anging - die haben wir gut angelegt. [KEVIN läßt sich schließlich doch noch mit DEBBIE photographieren. Die Kamera bleibt auf das Photo gerichtet, das eine strahlende, überglückliche DEBBIE und einen pitschnassen, aber lächelnden KEVIN zeigt.] Wir haben einen Abzug 18 x 25 genommen und ein Dutzend in Postkartengröße.

CLOSING TITLES
Dieses Transcript wurde von Daniel Görlich geschrieben. Da ich wieder nur eine Audioaufnahme hatte und die ganze Folge aus dem Gedächtnis rekonstruieren mußte, können einige Fehler in der Beschreibung einzelner Szenen aufgetreten sein. Wenn Sie welche finden, sagen Sie mir bitte Bescheid. Danke.





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09/10/01 19:50