Episode 48 - "Ein Unglück kommt selten allein"

Transcript: Daniel Görlich



OPENING TITLES
(Bilder von Amöben, Vulkanen und Dinosauriern.)

Es gab eine Zeit, da war das Leben einfach. Evolutionsmäßig betrachtet. Das änderte sich bald. Der Wettbewerb wurde härter. Es gab Gewinner und Verlierer. Der Kampf ging immer weiter. Dann, im Herbst 1970, tauchte ein neues Wesen auf. Eins, das die Welt noch nie gesehen hatte. Edel, aufrecht, tugendhaft: Der Neunte-Klasse-Mann, Herr über alles, was sein Auge erblickte. In diesem Fall handelte sich dabei...

INT. TAG. WOODY'S PIZZA-PARADIES
...um Woody's Pizza-Paradies, wo sich die Elite traf. Ja, in der letzten Sommerferienwoche fühlte ich mich ziemlich gut. Das Leben schien vielversprechend zu sein, voller Hoffnung, voller...

(Kevin kommt mit Eistee zum Tisch zurück, wo Winnie und Paul warten.)

PAUL (entsetzt): Hautflecken! Ich bekomme lauter trockene Hautflecken! (befühlt sein Gesicht)

KEVIN: Schön locker, Paul. Du hast nur Schiß, weil die Schule wieder losgeht. Das gibt sich bis morgen.

PAUL: Klar. Nur was ist...wenn was schiefläuft? Wenn meine Klamotten nicht gut genug sind? Wenn ich vergesse...

KEVIN (genervt): Paul!

PAUL: Ich geh mir die Flecken einschmieren. (geht)

Okay, nicht jedem ging es so unverschämt gut wie mir. Das war verständlich. Schließlich hatte nicht jeder so eine Freundin wie ich. Winnie Cooper. Solange wir einander hatten, mußten wir vor nichts Angst haben.

WINNIE: Ich habe Angst.

KEVIN: Was?

WINNIE: Ja, wirklich.

KEVIN: Die werden dich alle mögen, Winnie. Mach dir keine Gedanken.

WINNIE: Du kannst sowas leicht sagen. Du gehst ja nicht auf eine neue Schule. In fremde Klassenzimmer. Zu wildfremden Menschen. Und du bist soweit weg. Du vergißt mich doch nicht, oder?

KEVIN: Was?

WINNIE: Denkst du öfter an mich?

KEVIN: Natürlich, was glaubst denn du?

WINNIE: Denk aber wirklich stündlich an mich! Und ich denk auch an dich. Genau zur vollen Stunde.

KEVIN: Winnie...

WINNIE: Versprochen? Wirklich jede Stunde!

KEVIN: Ja, versprochen.

(Winnie schmiegt sich an ihn.)

Na klar. Ich hätte ihr die ganze Welt versprochen. Warum auch nicht? Ich war der Neunte-Klasse-Mann. Ich war für alles bereit.

INT. TAG. SCHULKORRIDOR
(Tony Barbella steht vor Kevin' Schließfach. Paul und Kevin stehen neben ihm.)

TONY (schlägt das Fach zu): Das ist meins, klar?

Na sagen wir...fast alles.

KEVIN: Tony?

PAUL: Barbella?

TONY: Wie scharfsinnig.

PAUL (zu Kevin): Sag mal, hat der nicht seinen Abschluß gemacht?

TONY: Ich mache jedes Jahr meinen Abschluß.

PAUL: Ach so.

TONY: Und das...ist mein Schließfach!

Klasse. Das neue Schuljahr ist keine drei Minuten alt und das erste Gesicht, das ich sehe, gehört auf ein Plakat im Polizeirevier. Aber damit würd ich fertig werden.

KEVIN: Also, das ist nicht ganz richtig. Weißt du, Tony, ähm, dein Schließfach ist, äh, da vorne. Erinnerst du dich?

TONY: Oh, ja.

KEVIN: Ja.

Na also. Eine einfache Erklärung, ein logisches Argument.

TONY: Schön. Das heißt also, ich hab zwei. Ich Glückspilz.

KEVIN: Ja, aber...

TONY: Meinst du, du kommst damit klar? Für den Fall, daß nicht, nehm ich deinen Daumen und bieg ihn dir zurück bis zum Ellbogen.

Tony hatte offenbar seine eigene Logik.

KEVIN: Nimm's dir ruhig.

Es hatte ja keinen Sinn, sich von so einem Gorilla den ganzen Tag versauen zu lassen.

(Tony schlägt sein Schließfach zu und geht. Es klingelt.)

Ich mußte Verabredungen einhalten, Dinge erledigen, Schließfächer finden...

(Kevin probiert, verschiedene Schließfächer zu öffnen. Endlich findet er ein offenes, aber es wird sofort zugeschlagen - von Becky Slater, die ihn wütend anstarrt.)

...Leute treffen.

BECKY: Das ist mein Schließfach!

KEVIN: Becky! Hi!

Becky Slater. Einst meine Rachegöttin, doch jetzt war sie eine gute Freundin.

BECKY: Ich hasse dich, Kevin!

KEVIN: Was? Wieso denn?

BECKY: Das weißt du doch ganz genau!

KEVIN: Aber...

BECKY: Tu bloß nicht so unschuldig. Deinetwegen kenn ich ihn.

(Sie öffnet ihr Schließfach. Paul und Kevin laufen langsam von dannen.)

Das beantwortete meine Frage. Es gab nur eine winzige Unklarheit:

KEVIN (zu Paul): Wovon redet sie denn bloß?

PAUL: Von Craig Hobson. Weißt du's noch nicht? Er hat Schluß gemacht. Jetzt geht er auf die Militärakademie.

BECKY (schlägt ihr Schließfach wieder zu und holt auf; zu Kevin): Du trägst die Verantwortung! Aber ich ärgere mich nicht. Nein, ich räche mich! (stößt Kevin und Paul zur Seite und geht)

Es war so, als würde man von seinem persönlichen Begrüßungskomitee erwartet.

INT. VORMITTAG. KLASSENRAUM
(Alle Schüler stehen gerade und mit erhobener linker Hand hinter ihren Tischen.)

KLASSE: Ich gelobe feierlich, ich werde der Fahne der Vereinigten Staaten von Amerika...

Na gut. Der Anfang war ein wenig holprig, aber ich machte mir keine Sorgen. Ich hatte nämlich wichtigere Dinge im Kopf. Zum Beispiel, an Winnie denken.

(Es ist 7:58 Uhr.)

KLASSE: ...und Freiheit und Gerechtigkeit für alle.

Ja, in zwei Minuten würde sie an mich denken. Das arme Mädchen, ganz allein in einer neuen Schule. Hoffentlich war jemand so nett, ihr zu sagen...

(Plötzlich erblickt Kevin an dem Tisch rechts neben ihm ein wunderschönes Mädchen.)

(Anmerkung: Wir wissen es hier zwar noch nicht, aber wer die Serie kennt, weiß natürlich, daß es um Madeline Adams, dargestellt von Julie Condra, geht.)

Oooh...uuuhhh...

(Rein zufällig fällt ein Bleistift von Madeline's Tisch. Kevin hebt ihn auf und kann dabei einen Blick auf ihre Beine werfen.)

Uuuhhh...

KEVIN: Entschuldige bitte...Du hast den hier...runterfallen lassen. Und ich, äh...ähm...äh... hab, hab, hab ihn aufgehoben...Für dich.

MADELINE: Danke schön...

KEVIN: Uhm, äh...K-Kevin.

(Kevin hält Madeline den Bleistift hin, läßt aber nicht los, als sie danach greift. Statt dessen hört es sich so, als wäre der Bleistift eine unter Strom gesetzte Hochspannungsleitung.)

Es ist erwiesen: Blei leitet elektrischen Strom.

(Schließlich läßt Kevin los und guckt wieder nach vorne. Kurze Pause.)

MADELINE: Vielleicht kannst du mir weiterhelfen. Ist...diese Klasse auf der anderen Seite vom Gang?

(Anmerkung: Falls es jemanden interessiert: Im Original fragt Madeline, ob diese Klasse auf der anderen Seite des Innenhofs der Schule ist. Ich glaube aber nicht, daß das nur ein Übersetzungsfehler war. Wahrscheinlich sollte diese Veränderung eher deutlich machen, daß Madeline eigentlich kaum an der Antwort selbst interessiert ist.)

(Madeline beugt sich zu Kevin vor und blickt auf das Blatt Papier, das sie in der Hand hält. Kevin beugt sich ebenfalls vor, so daß sein Kopf direkt neben ihrem ist, aber er nimmt sich erst die Zeit, sie von nahem anzusehen. Als er schließlich auf das Blatt sieht, blickt Madeline auf und sieht ihn genauso an, ohne auf das Blatt zu sehen.)

KEVIN: Uhm...ja....Ja, ja. Es ist...gleich rechts den Flur runter.

MADELINE: Danke schön. (setzt sich wieder richtig hin)

KEVIN (leise): Bitte.

(Es klingelt - und es ist 8:02 Uhr.)

KEVIN (ärgerlich): Oh nein!

Na gut, ich hatte es verpaßt. Und das aus reiner Freundlichkeit. Winnie würde das verstehen.

INT. TAG. CAFETERIA
PAUL: Also, ich kann das nicht verstehen.

KEVIN: Hä?

PAUL: Meine neuen Kurse. Sieh nur, was die mir aufgedrückt haben! Ein Chemiekurs.

KEVIN: Was hast du denn dagegen?

PAUL: Soll das ein Witz sein? Du weißt, was Chemikalien bei mir anrichten. Ich bekomme von Seife schon Pickel!

KEVIN: Paul...

PAUL: Das Jahr wird 'ne Katastrophe, das hab ich gleich gesagt. Was hast du denn?

KEVIN: Äh, erstmal sehen.

PAUL: Ich wette, daß du was Tolles hast. Sowas wie Physik oder Astronomie.

Klar, was Tolles. Sowas wie...

INT. TAG. WERKSTATT
(Kevin betritt die Werkstatt. Viele andere Schüler sind bereits fleißig am Arbeiten. Eine Menge Maschinen stehen herum und man hört von allen Seiten jede bekannte Art von Holz-und Metallbearbeitungswerkzeugen.)

(negativ überrascht) Werkunterricht?! In der Werkstatt?! Es baute mich auf, daß die Schulbehörde soviel Vertrauen in meine intellektuellen Fähigkeiten setzte...

(Kevin legt einen Arm auf eine der Maschinen und sieht sich um.)

SCHÜLER: Hey! Stell dich nicht so nah an die Maschine!

KEVIN: Was? Warum nicht?

SCHÜLER: Weil sie Ray Spikes Zeigefinder gefressen hat. Sie ist so 'ne Art Heiligtum. Du bist neu hier, richtig?

KEVIN: Ja, aber nicht freiwillig.

SCHÜLER (lacht kurz): Den Spruch hör ich öfter.

KEVIN: Nein, wirklich. Mit meinem Stundenplan ist was schiefgelaufen.

(Kevin gibt dem schüler seinen Stundenplan. Dieser setzt die Schutzbrille ab, blickt kurz auf das Blatt, blickt genauso lange auf die leere Rückseite und gibt Kevin das Blatt zurück.)

Wäre es eine technische Skizze gewesen, hätte sie dieser Junge vielleicht lesen können. Aber da es geschriebene Worte waren, hatte er nicht den blassesten Schimmer.

KEVIN: Ist hier nirgends ein Lehrer?

SCHÜLER: Äh, doch. Nestor. Aber mit dem willst du dich ganz sicher nicht unterhalten.

Klar wollt' ich das. Schließlich war er ein Lehrer, ein Vertreter des öffentlichen Schulwesens.

KEVIN: Wo ist er?

SCHÜLER: Irgendwo da hinten.

(Kevin erblickt den alten Mr. Nestor in der Mitte einer Gruppe von Schülern, die ihn anfeuern, während er eine riesige Maschine einige Zentimeter über den Boden hebt und eine Weile lang dort hält.)

MR. NESTOR: Das war's, ihr Pappnasen. Geht wieder an die Arbeit!

(Die Schüler befolgen diese Anweisung schleunigst. Nur Kevin geht nicht.)

KEVIN: Ähm, Mr. Nestor?

MR. NESTOR: Yo.

KEVIN: Äh, ich bin Kevin Arnold.

MR. NESTOR: Ach, so so.

KEVIN: Ja. Ich wollte mich mit Ihnen über meine Kurse unterhalten.

MR. NESTOR: Deine Kurse? Hä?

KEVIN: Äh, ich meine besonders diesen.

MR. NESTOR: Was, diesen? Hä?

KEVIN: Höchstwahrscheinlich wird das eine Verwechslung sein.

MR. NESTOR: Verwechselung? Hä?

Okay. So weit, so gut. Soweit man das beurteilen konnte.

KEVIN: Ja, wissen Sie, Werken hab ich eigentlich noch nie so richtig gut gekonnt. Ja, mir liegen eher andere Fächer wie Chemie oder...

MR. NESTOR (übertönt rufend den Lärm der Maschinen): Marshall, deine Augen! Vorsichtig mit deinen Augen! (grummelnd) Pappnase! (zu Kevin) Wo waren wir gerade?

KEVIN: Ähm, na ja, auch wenn es sich dusselig anhört...Ich glaube, ich bin der falsche Arnold.

MR. NESTOR: Der falsche Arnold? Hä?

KEVIN: Äh, so ist es. Also, ähm...

MR. NESTOR (zu einem Schüler in der Nähe): Nicht doch! Das ist ein Schraubenzieher, kein Holzmeißel! (grummelnd) Idiot! (zu Kevin) Du möchtest also raus. Richtig?

KEVIN: Eigentlich ja. Aber nur, wenn es sie wirklich nicht stört.

MR. NESTOR: Okay. Ich laß dich raus.

Na also. Endlich.

MR. NESTOR: Aber nur unter einer Bedingung: Du mußt im Armdrücken gegen mich gewinnen, Kleiner!

Aha. Der Tag brachte einen Knalleffekt nach dem anderen. Und es war noch nicht mal Mittag.

INT. MITTAG. CAFETERIA
(Kevin und Paul sitzen sich gegenüber. Kevin ist Fischstäbchen - Paul kommt gar nicht erst zum Essen.)

Wenn geteiltes Leid halbes Leid war...

PAUL: Ich sage dir, Kev, das ist einfach klasse!

...dann war ich offenbar an der falschen Adresse.

PAUL: Chemie ist eine so faszinierende Wissenschaft. Das Wunder des Feuers. Das Mysterium des Wassers.

Aha. Ganz zu schweigen von den Überresten von Ray Spikes Zeigefinger.

PAUL: Dieses Fischstäbchen, das dir völlig unbedeutend erscheint, ist in Wirklichkeit ein faszinierendes Gitterwerk von...

KEVIN (genervt): Paul!

PAUL: Hä?

KEVIN: Würdest du aufhören? Ich will gern essen.

PAUL: Gut. Entschuldige.

(Kevin blickt das Fischstäbchen in seiner Hand an und legt es dann auf seinen Teller zurück. Kurzes Schweigen.)

KEVIN: Ich find kein Schließfach.

PAUL: Irgendwo gibt's bestimmt noch eins.

KEVIN: Natürlich! Ich hab's: Wir teilen uns deins!

PAUL: Meins?!

KEVIN: Klar. Wieso nicht?

PAUL: Na ja, ich kann dir irgendwo ein Stück freiräumen...

KEVIN: Toll!

PAUL: ...irgendwo hinten, ganz unten. Und wie lange läßt du deinen Kram da drin?

KEVIN (enttäuscht): Vergiß es.

PAUL: Kopf hoch, Kevin, da ist doch halb so schlimm. Das wird ein gutes Jahr.

KEVIN: (niedergeschlagen) Ja, das kannst du leicht sagen.

Aber vielleicht hatte Paul gar nicht so unrecht. Der halbe Tag lag ja noch vor mir. Es ist eine Frage der Betrachtungsweise, ob das Glas halb voll oder halb leer ist.

(Kevin hält ein zur Hälfte gefülltes (oder geleertes?) Milchglas in der Hand. Plötzlich taucht Becky Slater unbemerkt hinter ihm auf. Sie schnappt sich das Glas und gießt es langsam über Kevin's Essen aus.)

Oder ganz leer.

BECKY: Ich hasse Männer! (dreht sich um und geht)

INT. TAG. KLASSENRAUM
(Die Französischlehrerin, Mrs. Falcinella steht vor der Tafel, an die sie ihren Namen geschrieben hat. Die Schüler sitzen alle an ihren Ein-Mann-Tischen.

MRS. FALCINELLA: Répétez après moi! Bonjour la classe! (Wiederholt nach mir! Guten Tag, Klasse!)

CLASS: Bonjour Madame!

MRS. FALCINELLA: Bonjour la classe!

KLASSE: Bonjour Madame!

MRS. FALCINELLA: Bonjour...

Na, das weckte doch Hoffnungen. Werken war mit völlig fremd. Französisch war einfach nur eine Sprache, die ich nicht verstand.

MRS. FALCINELLA: Ähm, dieses Jahr werden wir etwas vollkommen neues versuchen: Ab sofort verständigen wir uns nämlich bloß noch en français. Ce bien?

(Die Klasse reagiert mit einem lauten Maulen.)

MRS. FALCINELLA: Wer möchte als erster sprechen? Guillomme?

(Guillomme (Harold) steht auf.)

MRS. FALCINELLA: Comment-allez vous aujourd'hui? (Wie geht es Ihnen heute?)

GUILLOMME: Frère Jacques ?

(Die Klasse lacht.)

Ja, die Dinge wurden langsam wieder normal. Und um eins würde ich mein "Denk an Winnie!" nicht vergessen.

(Es ist 3 Minuten vor eins.)

MRS. FALCINELLA: Mademoiselle? Dites-moi votre nom, s'il vous plaît! (Mademoiselle? Nennen Sie mir bitte Ihren Namen!)

(Gemeint ist Madeline, die eine Reihe hinter und eine Reihe neben Kevin sitzt. Sie steht auf.)

MADELINE: Je m'appelle Madeline. (Sie spricht es wie das französische "Madeleine" aus.) (Ich heiße Madeline.)

(Kevin dreht sich vollkommen überrascht zu ihr um.)

MRS. FALCINELLA: Quelle belle accent, Mademoiselle. (Welch schöner Akzent, Mademoiselle!)

MADELINE: Merci beaucoup.

MRS. FALCINELLA: Dites-moi: Où habitiez-vous l'année dernière? (Sagen Sie mir, wo Sie im vergangenen Jahr gelebt haben?)

MADELINE: Alors, j'ai habité à Lyon, dans la midi de la France. J'ai beaucoup voyagé avec mon père. (Also, ich habe in Lyon gewohnt, im Zentrum Frankreichs. Ich bin viel mit meinem Vater gereist.)

(Kevin setzt sich wieder richtig hin, jetzt uaber mit einem verträumten Blick.)

Auf einmal begriff ich, warum Französisch die Sprache der Diplomatie ist, der Poesie, der Romantik, der...

(Kevin dreht sich zu Madeline um und steht auf.)

...amour!

(Der Klassenraum um die beiden verblaßt, als hinter ihnen helles Licht aufleuchtet.)

Plötzlich verstand ich jedes einzelne Wort.

MADELINE: J'ai attendu toute ma vie pour toi. (Ich habe mein ganzes Leben lang auf dich gewartet.)

KEVIN: Voulez-vous de beurre? (Möchten Sie Butter haben?)

MADELINE: A l'instant que je t'ai vu, je su qu'il n'y avait personne d'autre. (Als ich dich sah, wußte ich, daß es keinen anderen geben würde.)

KEVIN: Voulez-vous de beurre? (Möchten Sie Butter haben?)

MADELINE: Mon coeur est rempli de toi. (Mein Herz ist von dir ausgefüllt.)

(Ich entschuldige mich für die grauenhafte Übersetzung. Der Satz läßt sich aber halt nicht vernünftig ins Deutsche übersetzen.)

MADELINE: Toi penser me posséde. (Unklare Aussprache) (An dich zu denken macht mich verrückt.)

KEVIN: Voulez-vous de beurre? (Möchten Sie Butter haben?)

(Anmerkung: Mein Französisch ist nicht so gut, daß ich mit Garantie alles richtig geschrieben habe. Die Übersetzungen sind so weit wie möglich wörtlich und entsprechen nicht den deutschen Untertiteln in dieser Szene.)

Na ja, das war der einzige Satz, den ich auf Französisch konnte.

MADELINE (französischer Akzent): Kevin!

KEVIN (amerikanischer Akzent): Madeline!

MRS. FALCINELLA: Kevin!!

(Kevin dreht sich erschrocken um. Die Klasse lacht.)

MRS. FALCINELLA: En français, s'il vous plait! (Auf französisch, bitte!)

(Madeline setzt sich lächelnd. Es klingelt - und es ist 1.03 Uhr.)

Verdammt! Eins war mir klar, und zwar in jeder Sprache:...

(Die Schüler verlassen den Raum.)

INT. TAG. BÜRO
(Kevin steht vor einer Tür mit der Aufschrift "Guidance Counselor", was soviel heißt wie Schülerberater oder Vertrauenslehrer. Wir sehen Kevin durch die Glastür hindurch vor der Tür stehen.)

Ich brauchte Hilfe. Ich mußte etwas unternehmen, Antworten finden.

(Er klopft ans Glas.)

MÄNNLICHE STIMME: Herein!

(Er kommt herein und schließt die Tür hinter sich. Auf der Schreibtisch steht ein Schild mit dem Namen "Mrs. Dalla Betta". Kevin sieht bisher aber nur die Rückseite des Drehsessels hinter dem Schreibtisch.)

Ja, genau das brauchte ich. Einen Mann mit Weisheit, einen Mann mit Weitsicht, einen Mann...

(Der Sessel dreht sich und Kevin erblickt Coach Ed Cutlip, der eine rote Baseballkappe mit einem weißen K trägt.)

(entsetzt) ...der Sport unterrichtete!

MR. CUTLIP: Ah, Arnold.

KEVIN (überrascht, verwirrt): Mr. Cutlip?

MR. CUTLIP (freundlich): Was kann ich für dich tun?

KEVIN: Eigentlich...wollt' ich zum Vertrauenslehrer. Ist er da?

MR. CUTLIP: Mrs. Dalla Beta ist sonst unser Vertrauensmann. (zeigt auf das Schild) Ich bin nur ihr Vertreter. Vorübergehend. Bis Dezember. Eilt's etwa?

KEVIN: Äh, wissen Sie, ähm...

MR. CUTLIP: Ganz ruhig, Arnold. Sprich dich aus! Nimm Platz!

(Kevin setzt sich.)

MR. CUTLIP: Gut. Ich kann dein Zögern gut verstehen. Du denkst: Ed Cutlip, ein phänomenaler Leibeserziehungslehrer. Warum sitzt so jemand in einem...Drehstuhl? Ein Macher wie er? Hab ich recht?

KEVIN: Na ja...

MR. CUTLIP: Ungewöhnlich? Vermutlich. Unerwartet? Ganz sicher. Aber sieh's mal so, Arnold: Es steckt möglicherweise mehr in dieser Birne, als man denkt.

(Mr. Cutlip klopft sich mit einem Stift an die Stirn. Irgendwie hört sich das an, als ob er auf einen hohlen Glaskörper klopft...)

MR. CUTLIP: Vielleicht kann ich dir sogar helfen.

Und so, wie er das sagte, glaubte ich einen Augenblick lang, er könne mir wirklich helfen.

MR. CUTLIP: Mmh, ein paar Erdnüsse? (zeigt auf eine Schale)

KEVIN: Nein. Nein danke.

MR. CUTLIP: Spuck's aus! Was ist?

KEVIN: Es ist die neunte Klasse.

MR. CUTLIP (leise): Aha. (beginnt, sich äußerst umfassende Notizen zu machen)

KEVIN: Ehrlich gesagt hatte ich sie mir anders vorgestellt. Ich habe kein Schließfach, ich habe lauter falsche Kurse bekommen und...

MR. CUTLIP: Ich verstehe.

KEVIN (erstaunt): Ehrlich?

MR. CUTLIP: Es ist ein kompliziertes Problem - mit einer einfachen Lösung.

KEVIN: Ach wirklich?

Vielleicht hatte ich ihn falsch eingeschätzt. Vielleicht steckte wirklich mehr in Ed Cutlip's Birne, als man dachte.

KEVIN: Also was machen wir nun?

MR. CUTLIP (laut, Befehlston): Laufen! (pfeift in seine Trillerpfeife)

(Kevin steht kerzengerade auf.)

EXT. NACHMITTAG. SPORTPLATZ
(Kevin ist allein auf dem Sportplatz und läuft seine Runden.)

Man mußte es mal so sehen: Jedes Unglück hat auch sein Gutes. So wie dieser Tag lief, war ich wahrscheinlich besser dran, wenn ich allein blieb.

(Eine Gruppe Mädchen taucht hinter ihm auf.)

Und plötzlich wußte ich, wie General Custer sich gefühlt haben muß.

(Die Mädchen bleiben stehen. Nur eine von ihnen rennt weiter: Becky Slater. Sie holt immer mehr auf.)

Na toll. Sitting Bull persönlich. Und sie holte auf. Instinktiv wußte ich, daß dies eine Herausforderung war, eine Prüfung. Und ich war ihr gewachsen.

(Becky übernimmt die Führung. Sie wird von den anderen Mädchen angefeuert.)

Klar war es albern. Aber in diesem Augenblick gab es für mich nur eins: Gewinnen. Ich holte sie ein, schob mich nach vorn. Als wir in die Zielgerade kamen, fühlte ich mich, als hätte ich Flügel. Na gut, vielleicht fand ich nirgends ein Schließfach, möglicherweise würde ich ewig Werkunterricht haben, aber ich würde dieses Mädchen besiegen. Ich würde dieses Rennen gewinnen.

(Kevin überquert als erster die Ziellinie.)

Das würde eine ruhmreiche Schlacht werden. (schadenfroh) Hehe. Nichts für ungut. Was soll's, Slater.

(Er geht zu Becky hinüber, die ihn ärgerlich ansieht und ohne Vorwarnung in den Magen boxt. Kevin fällt zu Boden und hält sich den Bauch. Becky sieht ihn nur grimmig an, während die anderen Mädchen lachen. Dann drehen sie sich alle um und gehen.)

Und das war's dann. Der vollkommene Abschluß eines vollkommenen Tages.

(Plötzlich spricht eine weibliche Stimme Kevin's Namen aus. Zuerst sieht er nicht, wer sie ist, aber dann erblickt er Madeline, die über ihn gebeugt steht und die Sonne im Rücken hat, was ihr eine ähnliche strahlende Lichtaura wie im Französischunterricht gibt.)

KEVIN: Madeline?

Sie hatte alles gesehen! Den ganzen peinlichen Zwischenfall! Mir war ziemlich klar, daß sie mich nur auslachen wollte.

(Kevin setzt sich auf und Madeline hockt sich neben ihn.)

MADELINE: Kevin, ich wollte nur danke schön sagen.

KEVIN (verwirrt): Hä?

MADELINE: Du warst so nett zu mir. Du kannst dir ja gar nicht vorstellen, wie schwer es ist, die Neue zu sein.

(Sie gibt ihm einen sanften Kuß auf die Lippen und geht.)

Und dann passierte es. Ich spürte, wie etwas in mir klick machte.

INT. NACHMITTAG. SCHULKORRIDOR
(Kevin betritt entschlossen den Schulkorridor und geht selbstbewußt und mit schnellen Schritten auf sein Schließfach zu, ohne Paul zu beachten, an dem er währenddessen vorbeikommt.)

PAUL: Kev?

KEVIN (ohne sich umzusehen): Jetzt nicht!

Ich hatte genug. Man hatte mich zu sehr geärgert. Ich wußte jetzt, was ich zu tun hatte.

(Kevin nähert sich Tony Barbella, der an Kevin's - und zur Zeit noch seinem eigenen - Schließfach steht.)

KEVIN: Hey, Barbella, gib mir gefälligst mein Schließfach. Sofort!

EXT. ABEND. STRASSE
(Kevin läuft langsam den Bürgersteig entlang.)

Der Neunte-Klasse-Mann. Edel, aufrecht, tugendhaft. Als ich mein letztes Jahr in der Junior Highschool anfing, dachte ich, ich hätte auf alles eine Antwort. Und auf einmal hatte ich nur noch Fragen - und einen überdehnten Daumen. Es war komisch: Ich konnte mich noch an eine Zeit erinnern, als ich wußte, wer ich war. Aber das war seit acht Stunden vorbei. Plötzlich fühlte ich mich wie jemand, der ausgesperrt war, der hineinsah auf der Suche nach...

(Kevin kommt an Woody's Pizza-Paradies vorbei und bleibt vor dem Fenster stehen. Und auf einmal sieht er Winnie, die allein an einem der Tische sitzt und ihm lächelnd zuwinkt.)

...Winnie!

(Er geht hinein und setzt sich neben Winnie. Im Hintergrund spielt eine Jukebox "Be my baby".)

WINNIE: Hi.

KEVIN: Hi.

WINNIE: Wie war dein Tag?

Ich wollte ihr alles erzählen, bis ins kleinste Detail. Alle Rückschläge, alle Pleiten...

KEVIN: Toll.

Ach. Ich wußte, sie würde es schon verstehen.

KEVIN: Wie war dein Tag?

WINNIE: Ganz okay.

(Sie schmiegt sich an ihn.)

Wenn man 14 ist, kann man einfach nicht immer die richtigen Worte finden. Ich wußte nur eins: Ich fühlte mich wieder zu Hause.

(Maeline kommt herein und an Kevin's Tisch vorbei. Wir sehen nicht, ob sie ihn sieht, weil sie zu dicht an der Kamera steht und wir ihren Kopf nicht sehen. Aber Kevin sieht sie und blickt ihr kurz hinterher, als sie um den Tisch herum zu der Jukebox hinter ihm geht.)

WINNIE: Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie schwer es ist, die Neue zu sein.

CLOSING TITLES



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09/09/01 19:20