Episode 46 - "Alles wird anders"



OPENING TITLES

OPENING SEQUENCE
(Als der erzähler zu sprechen beginnt, ist die Kamera auf eine Dose auf einer Straße gerichtet. Ein Kind tritt danach und die Kamera fährt zurück, um mehrere Kinder beim Fußball spielen zu beobachten. Während er spricht, sehen wir noch andere Bilder von einem typischen Vorort: Rasensprenger, Nachbarn, die ihre Autos waschen und so weiter. Im Hintergrund spielt leise Gitarrenmusik.)

Es gab eine Zeit, da war die Welt riesengroß. Sie reichte bis zu den fast unendlich weit entfernten Grenzen - unserer Nachbarschaft, dem Ort, an dem wir aufwuchsen, wo wir auf dem Rasen anderer Leute spielten, ohne viel darüber nachzudenken. Und die Straße war unser Revier, in das nur gelegentlich ein vorbeifahrendes Auto eindrang. Dort wurden wir von unseren Eltern erst dann hineingerufen, wenn es schon längst dunkel war. Und alle Leute, und vor allem alle Häuser, die uns umgaben, warum uns so vertraut wie der Kram in unserem eigenen Zimmer. Und es war klar, daß sie sich niemals verändern würden.

INT. MORGEN. KÜCHE
(Jack schleudert wütend einen Hammer auf den Tisch. Kevin und Wayne essen, Karen liest Zeitung.)

JACK (wütend): Ich sollte diese Dreckhütte abstoßen.

Was nicht hieß, daß sie nicht den Besitzer wechseln konnten.

NORMA (verwirrt): Was, Schatz?

JACK (während er sich die Hände abtrocknet): Wir haben Trockenfäule. Bei uns im Keller. Davon kann das ganze Fundament kaputtgehen. (setzt sich an den Tisch)

Nach 17 Jahren Abfluß saubermachen, Löcher flicken und Dach ausbessern hatte mein Vater in Bezug auf Hauseigentum eine philosophische Betrachtungsweise entwickelt.

JACK: Ich sollte diese Dreckhütte abstoßen.

Nicht, daß wir ihn nicht ernst nahmen.

NORMA: Trink erstmal einen Kaffee, Jack!

(Sie reicht ihm eine Tasse. Jack lächelt sarkastisch, beinahe finster.)

Nein, wenn Dad von Immobilien sprach, war es nur das beste, vom Thema abzulenken.

WAYNE: Dad, krieg ich endlich mal mehr Taschengeld?

(Jack starrt ihn wortlos an.)

Das war eine Möglichkeit.

WAYNE: Hey, du weißt, wie die Weiber sind, wenn es Sommer ist. Lade mich hierzu ein, gib mir dies, gib mir das...

JACK: Such dir einen Job!

WAYNE (schockiert): Was?

JACK: Du hast schon verstanden. Du willst mehr Geld? - Verdien es!

WAYNE (weist auf Karen): Warum sucht sie sich den keinen Job?

(Karen grinst ihn höhnisch an.)

JACK: Sie hat andere Sachen um die Ohren. Sie macht gerade ihren Schulabschluß.

KEVIN (schadenfroh): Hübsches Stück, Shakespeare!

WAYNE (sauer): Schnauze, du Sack!

(Kevin lacht leise.)

JACK: Ich sollte diese Dreckhütte abstoßen.

Bei uns zu Hause war das ein altes Lied. Wir hatten das schon tausendmal gehört. Deshalb brauchte man sich keine Sorgen zu machen. Vielleicht waren im Keller Sägespäne, aber alles in allem war mein Fundament gefestigt.

(Kevin ißt lächelnd sein Frühstück. "My Girl" von den Temptations beginnt.)

INT. MITTAG. CAFETERIA
(Winnie unterhält sich mit Carla Healy und Becky Slater, während sie sich einen Tisch suchen. Kevin, der bereits an einem Tisch sitzt, blickt Winnie lächelnd nach.)

Mehr als gefestigt. (schwärmend) Winnie Cooper, das Licht in meinem Leben, der Grundstein meines Daseins. Sie war...

CRAIG: Billig, falsch, aber zuverlässig.

KEVIN: Was!?

("My Girl" wird leiser und endet dann.)

CRAIG: Der hier. (zeigt einen Ring) Den schenk ich Becky.

KEVIN (hält die Idee für sinnlos): Warum?

CRAIG: Das is 'ne Tradition. Einfach jede Frau bekommt einen.

KEVIN: Wieviel hast du dafür bezahlt?

CRAIG (lacht leise): Neun Mäuse.

PAUL: Wow! Das ist ja 'n Haufen Geld.

CRAIG: Vielleicht. Aber weißt du, was du für einen Gegenwert kriegst?

KEVIN (sarkastisch): Einen Ring, der zwei Dollar wert ist?

(Paul lacht laut.)

CRAIG: Du hast dafür Sicherheit. Der Sommer kommt. So bleiben sie einem treu. Hey, im Prinzip ist das billig. Ich würd's mir überlegen - du hast Super-Cooper.

KEVIN: Das ist doch lächerlich.

Und ob es das war. Winnie und ich brauchten keinen Ring. Zwischen uns gab es etwas Besonderes. Ich gehörte ihr und sie gehörte...

(Ein Junge nähert sich Winnie und spricht kurz mit ihr. Kevin beobachtet sie nervös. Als der Junge geht, dreht sich Winnie kurz zu Kevin um, wie um zu sagen, daß alles in Ordnung sei.)

(erleichtert)...mir. (Kevin lächelt) Ganz allein mir. Und ich sage das nicht, um damit anzugeben.

WINNIE: Hallo!

KEVIN: Hallo.

WINNIE: Ich hab ein Eis für dich gekauft.

Erdbeereis. Ich haßte Erdbeereis. Aber Erdbeereis in einem Pappbecher aus den zarten Händen der Frau, die ich anbetete...Na ja...

KEVIN: Darauf steh ich!

Und das tat ich wirklich! Ja - der Sommer stand vor der Tür und es hatte noch nie besser ausgesehen.

INT. ZEIT UNBEKANNT. KELLER
(Jack klopft mit einem Schraubenzieher an eine Ritze in der Kellerdecke. Norma steht mit einem Wäschekorb neben ihm.)

JACK: Verdammt. Sieht noch schlechter aus, als ich dachte.

NORMA: Ganz sicher, Schatz?

JACK: Der ganze Balken löst sich in Sägespäne auf.

NORMA: Bestellen wir doch jemanden, der sich das ansieht.

JACK: Soll das ein Scherz sein? Weißt du, wieviel solche Leute verlangen?

Oh oh. Trockenfäule im Keller war eine Sache, Trockenfäule in Dads Brieftasche eine ganz andere.

JACK: Glaub mir, wir sollten zusehen, daß wir das Haus loswerden.

Plötzlich klang die Sache sehr ernst.

JACK: Cooper hat gesagt, daß die Häuser heute dreimal soviel wert sind wie früher.

KEVIN: Dad?

Es schien an der Zeit zu sein, eine zweite Meinung einzubringen.

KEVIN: Vielleicht wär es besser, es...machen zu lassen. Es ist ein gutes Haus - unser Haus. Mir gefällt's.

Na bitte. Einfach, flüssig vorgetragen und wirkungsvoll.

JACK (ignoriert Kevin): Hat Cooper dir den Namen von dem Makler gegeben?

NORMA: Ja. Irgendwo muß ich ihn haben.

JACK: Gut. (geht die Treppe hinauf)

KEVIN (Hilfe suchend): Mom?

NORMA: Oh, dein Vater möchte nur wissen, was er für Möglichkeiten hat. Du mußt dir keine Sorgen machen.

(Kevin sieht immernoch besorgt aus.)

Natürlich nicht! Offensichtlich gab es keinen Grund zur Panik.

(Norma lächelt ihn an und geht dann ebenfalls nach oben.)

Ich brauchte jetzt nur noch jemanden, den ich davon überzeugte.

EXT. ABEND. RASEN
(Dieselbe Gitarrenmusik wie zu Beginn der Folge beginnt wieder. Die Kamera zeigt kurz den Himmel und den Mond, der durch die Wolken hindurch scheint. Dann wechselt sie zu Kevin und Winnie, die nebeneinander auf dem Rasen liegen.)

Dummerweise war dieser Jemand Winnie, und ihr konnte ich es nicht sagen - daß wäre nicht fair gewesen. Warum sollte ich sie in diesen Schmerz, diese Qual hineinziehen? Nein, das beste war, es für mich selbst zu behalten.

KEVIN (setzt sich hin Winnie): Wir werden umziehen!

WINNIE (setzt sich ebenfalls hin; überrascht): Was?

Es traf sie natürlich ziemlich hart.

WINNIE (zuversichtlich): Das bekommen wir schon hin.

KEVIN (überrascht von ihrer Antwort): Was?

WINNIE: Weißt du, so schlimm wird's schon nicht werden.

Anscheinend begriff sie nicht die volle Tragweite dieser verzweifelten Lage.

KEVIN: Winnie, es ist ganz unmöglich, Fernbeziehungen aufrecht zu erhalten. Wie soll das klappen?

WINNIE: Mmh, weißt du...

KEVIN (unterbricht sie): Zwischen Susan Boludie und Jeff ist Schluß, bloß weil sie in verschiedene Klassenräume gesteckt wurden!

(Winnie und Kevin sehen sich an.)

WINNIE: Egal, wo du wohnst, ich würde immer an dir hängen. Du etwa nicht? Ich meine, du kannst ja nichts dafür, wenn deine Eltern beschließen, umzuziehen. Sie versuchte ganz offensichtlich, mich zu unterstützen, lieb und verständnisvoll zu sein. Aber was ich wirklich brauchte war ein tiefempfundenes...

INT. TAG. UNTERRICHTSRAUM
(Kevin und Paul sitzen nebeneinander an einem der Tische.)

PAUL: Bitte geh nicht weg, Kevin.

Der richtige Text von der falschen Person.

PAUL: Mann, ohne dich wär's einfach nicht mehr dasselbe. (besorgt) Ich weiß nicht, was wir tun würden.

KEVIN (genießt es): Paul...

Das war doch alles halb so schlimm. Wenn man schon weg muß, dann ist es doch schön zu wissen, daß man wenigstens vermißt wird.

KEVIN: Du wirst es überstehen.

PAUL (legt seine Hand auf Kevin's Schulter; versucht, stark zu sein): Du hast recht.

KEVIN: Was?

PAUL: Kev, komme was wolle, wenn du weggehst, mache ich alles, was ich nur kann, um für Winnie zu sorgen - das eine versprech ich.

(sarkastisch) Klasse!

INT. TAG. KÜCHE
(Norma rückt Wayne's Krawatte zurecht. Kevin sitzt am Tisch und macht Hausaufgaben.)

WAYNE (unglücklich): Ich und Kellner?

Na ja, wenigstens war ich nicht der einzige, der zu leiden hatte.

NORMA: Wayne, um dir diesen Job zu besorgen hat dein Vater viel Ärger auf sich genommen.

WAYNE: Ich versteh's nicht! Ich weiß nicht, was ich ihm getan habe!

KEVIN (sarkastisch): Was hast du für 'ne Aufgabe? Sollst du die Gäste vergraulen?

NORMA: Kevin!

WAYNE (lacht sarkastisch): Noch so'n Spruch und du bist fällig, Blödsack!

Meinen Bruder aufzuziehen war das einzige, was mir einfiel, um die aufkommende Angst davor zu verdrängen, daß...

(Jack kommt in die Küche und schließt die Tür hinter sich.)

JACK: Ich hab gerade mit einem Kerl gesprochen, der sich morgen das Haus ansehen will.

(Er gibt Norma eine Visitenkarte.)

JACK: Bestimmt haut er uns über's Ohr, wo er kann.

KEVIN (ängstlich): Das ist doch nicht dein Ernst!?

JACK (öffnet den Kühlschrank): Doch. Verlaß dich drauf.

So, da hatten wir's. Das Todesurteil. Das schlimmste war, daß es unser mir anscheinend niemanden kratzte.

(Wayne spielt mit einem Stift und hört nicht einmal zu.)

KEVIN: Dad, das geht doch nicht!

JACK: Hä?

KEVIN: Ich meine, du hast uns gar nicht gefragt, was wir davon halten!

JACK: Soll ich dich um Erlaubnis fragen, um die Trockenfäule beseitigen zu lassen?

KEVIN (kurze Pause): Dann verkaufst du das Haus nicht?

JACK (beinahe schockiert von dieser Idee): Natürlich nicht! (schließt den Kühlschrank)

NORMA: Na also. Sag ich doch.

(Jack setzt sich an den Tisch.)

Und plötzlich begannen die Wolken aufzureißen.

NORMA: Wer ist es eigentlich, Jack?

JACK: Ein Typ, den ich gegenüber getroffen habe.

Plötzlich waren meine Ängste verschwunden. Die Welt war phantastisch. Wir blieben!

JACK: Er arbeitet an Coopers Haus, sobald sie weg sind.

KEVIN (erschüttert): Hä?

NORMA: Jack...

JACK: Äh...entschuldige...

(Kevin sieht seine Eltern ungläubig an.)

NORMA: Die Coopers fanden, daß du es von Winnie erfahren solltest.

(Kevin beginnt, schwer zu atmen.)

NORMA: Sie ziehen nicht weit weg, Schatz - nur ein paar Meilen.

KEVIN (beinahe panisch): Oh.

WAYNE: Weißt du, was das beste daran ist? Das Cooperchen wird nächstes Jahr auf eine neue Schule gehen! Schön weit weg von deiner! Bye, bye, Blödsack!

JACK: Wayne!

(Kevin steht abrupt auf und rennt aus dem Haus.)

EXT. TAG. HAUS DER ARNOLDS
(Kevin atmet immer noch schwer und rennt so schnell er kann die Ausfahrt hinunter.)

Ich glaubte es nicht! Ich mußte Winnie finden. Ich wollte von ihr hören, daß es nicht stimmte.

(Kevin rennt den Bürgersteig entlang und kommt bei Winnie's Haus an. Ein Schild steht im Vorgarten: "for sale" - "zu verkaufen". Als Kevin zum Haus blickt, sieht er Winnie am Fenster stehen und zu ihm hinaus sehen.)

INT. TAG. CHEMIERAUM
(Mr. Cantwell zeigt einige Dias über die Entstehung und den Tod von Sternen und Galaxien.)

MR. CANTWELL: Das Ende von Galaxien. Der Verfall von Sternen. Die Zerstörung des Universums, wie wir es heute kennen.

Ich verstand ganz genau, wovon dieser Kerl da sprach.

MR. CANTWELL: Heute noch hier, morgen verschwunden.

(Kevin blickt zu Winnie, die neben ihm sitzt.)

Auch meine Welt brach zusammen. Das Mädchen von nebenan zog weg.

MR. CANTWELL: Buff.

INT. MITTAG CAFETERIA
(Kevin geht zu dem Tisch, an dem Winnie sitzt.)

Trotzdem ging ich damit um wie ein Erwachsener.

KEVIN (knallt sein Tablett auf den Tisch): Das glaub ich einfach nicht! Ich glaub's nicht! Wieso hab ich das nicht von dir erfahren?

WINNIE: Weil ich es nicht wußte. Jedenfalls nicht sicher. So schlimm wird's vielleicht überhaupt nicht: Wir ziehen bloß fünf Meilen weg.

KEVIN (schockiert): Fünf Meilen?!

(Anmerkung: Falls es jemanden interessieren sollte: Im Original sind es nur vier Meilen.)

Im Maßstab eines Dreizehnjährigen ungefähr die Entfernung zwischen New York und Paris!

KEVIN: Winnie, du kommst nächstes Jahr auf 'ne neue Schule, ist doch klar! Verstehst du nicht, was das heißt? Wir müssen irgendwas machen!

WINNIE: Ja, und was?

KEVIN: Probieren wir einfach...mit deinem Dad zu reden!

Klar. Setzen wir uns mit dem alten Herrn zusammen, schildern unseren Fall, schlagen Alternativen vor - wem wollte ich etwas vormachen?

WINNIE: Kevin, wir schaffen das irgendwie. Glaubst du nicht?

Ich wollte es ja gern glauben - und wie -...

KEVIN: Immerhin haben wir einen Teil des Sommers für uns.

WINNIE (betrübt): Klar. (kurze Pause)

KEVIN: Winnie?

WINNIE: Der Umzug ist in drei Wochen.

INT. TAG. UMKLEIDERAUM DER JUNGEN
PAUL (schließt sein Fach): Drei Wochen? Das ist ja grauenvoll! Ich glaube, so etwas kann einen glatt umbringen!

(sarkastischi) Gut, daß ich meine Freunde hatte, um den Schlag etwas zu mildern.

(Kevin sitzt betrübt auf einer Bank.)

CRAIG (öffnet sein Fach): Hey Arnold, dir Cooper soll ja die Kurve kratzen...

PAUL: Also bitte, Hobson! Sei bloß nicht so unsensibel, ja?

KEVIN: Genau. Also laß diesen Quatsch!

CRAIG: Ja. Ja. Ihr und Winnie bekommt das auf jeden Fall hin.

KEVIN (zu Paul): Danke.

PAUL: Abgesehen davon - nur, weil sie auf eine andere Schule kommt, muß sie ja nicht automatisch...

CRAIG: Kommt sie auf die Lincoln?

KEVIN: Ja. Wieso?

CRAIG: Nichts, nur...Habt ihr schon mal die Kerle gesehen, die dort hingehen? Durchschnittsgröße: ein Meter neunzig. Und alle spielen Football - ein paar sogar als Profis. (bewundernd) Und sie surfen!

PAUL: Sie surfen?

CRAIG: Und das sind nur die Siebtklässler, Leute.

KEVIN: Das ist doch Unsinn.

CRAIG: Eine Möglichkeit bleibt dir noch, Arnold. (zeigt Kevin den Ring.) Mit so 'ner Kleinigkeit kannst du dein Revier sichern. Überleg's dir.

Aber da gab es nichts zu überlegen! Sah ich aus wie jemand, der sich von so einem üblen, miesmacherischen kleinen Blödmann wie ihm einfach überfahren ließ? Ha!

INT. TAG. JUWELIERGESCHÄFT
(Kevin inspiziert die in Glasvitrinen ausgestellten Ringe.)

KEVIN: Ich hätte gern den vorderen. Wieviel kostet der?

JUWELIER: 64 Dollar.

(Anmerkung: Aus irgendeinem Grund mögen die Leute von der Synchronisation wohl keine Zahlen. Praktisch jede Zahl wird, falls sie für den Inhalt unwichtig erscheint, falsch übersetzt. Im Original kostet der Ring nur 48 Dollar.)

(Lange Pause.)

KEVIN: Hätten Sie auch was für neun fünfzig?

INT. NACHT. KEVINS ZIMMER
(Kevin sieht durch das Fenster zu Winnie's Haus hinüber. Er hält den Ring, den er ihr gekauft hat, in der Hand. Leise Gittarenmusik beginnt.)

Dreizehn ist ein verrücktes Alter. Man ist zu jung, um zu wählen, und zu alt, um nicht verliebt zu sein. Man wohnt in einem Haus, das jemand anders gehört, aber in seinen Träumen ist man längst an einem anderen Ort. Man steht seiner Zukunft gegenüber mit nichts in der Hand als dem Geld, das man beim Rasenmähen verdient hat - und einem Neun-Dollar-Ring mit einem purpurnen Stein. Und man hofft inständig, daß das genügt.

(Kevin schließt die kleine Box, in der der Ring gut gepolstert liegt und geht vom Fenster weg. Die Musik endet.)

INT. TAG. GANG
(Der Gang ist leer. Es klingelt. Hunderte Schüler stürmen aus ihren Räumen. Unter ihnen sind auch Winnie und Kevin, die nebeneinander gehen.)

Als der letzte Schultag kam, hatte ich für mich entschieden, daß wir das schon schaffen würden.

WINNIE (traurig): Das hier wird mir alles fehlen.

KEVIN (versucht sie aufzumuntern): Ach weißt du, so toll ist es nun auch wieder nicht. Ich hab gehört, die haben in der Lincoln irre Schließfächer!

(Sie kommen bei Winnie's Schließfach an. Sie öffnet es.)

Uh uh. Und Siebtklässler in der Größe von Bäumen.

WINNIE: Ich hasse das!

Na gut - sie fühlte sich mies. Aber zum Glück besaß ich ein Heilmittel dagegen.

(Kevin holt den Ring hervor, als Winnie gerade nicht guckt, und räuspert sich.)

KEVIN: Den hab ich dir gekauft. Er ist wirklich nichts besonderes...Für 64 Dollar hatten sie so'n Superding da, aber ähm, immerhin...ist er aus Edelstahl...und rostfrei...und - na ja, du sollst ihn tragen.

Es war sozusagen ein großer Augenblick. Wir waren wie zwei vom Sturm gebeutelte Schiffe - aber plötzlich brach ein Lichtstrahl durch die Wolken, das Licht der Hoffnung, das Licht der Liebe.

WINNIE (bestimmt): Ich kann ihn nicht annehmen.

Und schon war das Licht wieder aus.

KEVIN (überrascht, geschockt): Wie war das?

WINNIE: Es tut mir leid.

(Kevin weiß nicht, was er darauf antworten soll.)

Da schossen mir ein paar Gedanken durch den Kopf: Vielleicht war sie allergisch gegen Beinahe-Halbedelmetalle, oder, tja...

KEVIN: Solltest du kein Purpur mögen - es gibt alle Farben, die du dir vorstellen kannst, blau, rosa...

WINNIE: Ach, daran liegt es doch nicht.

KEVIN: Oh...Wenn es so ist...

WINNIE: Kevin, wir müssen vernünftig sein.

KEVIN: Was soll denn das bedeuten?

WINNIE: Kevin, ich habe lange nachgedacht. Über...uns, über das, was du gesagt hast - du weißt schon, die Sache mit den Fernbeziehungen...

KEVIN: Ich weiß, aber das war eigentlich mehr...hypothetisch.

WINNIE (kopfschüttelnd): Wir...

Und plötzlich war alles klar. Sie entrümpelte nicht nur ihr Schließfach - sie entrümpelte ihr Leben.

(Winnie löst ihre Bilder von der Innenseite ihres Schließfachs.)

KEVIN (ungläubig): Winnie, willst du etwa Schluß machen?

(Winnie antwortet nicht, sondern blickt ihn nur traurig und bedauernd an.)

Aber sie brauchte nicht zu antworten. Ihr Schweigen sagte alles. Es klang nach einem Aufbruch, nach Abschied.

KEVIN (leise): Ich verstehe. (steckt den Ring wieder ein)

WINNIE (traurig): Ich muß los.

KEVIN: Schon gut.

(Kevin sieht ihr hinterher, während sie geht. Traurige Gitarrenmusik spielt im Hintergrund.)

Und dann war sie weg.

(Auch Kevin geht, allerdings in die entgegengesetzte Richtung. Er dreht sich noch einmal zu ihr um und sieht sie auf der Treppe stehen und ihm nachblicken. Er holt enttäuscht den Ring aus seiner Tasche und wirft ihn in einen Papierkorb neben ihm.)

INT. NACHT. KEVIN'S ZIMMER
(Kevin schläft. Die Gitarrenmusik spielt weiter und endet, als zur nächsten Szene übergeblendet wird.)

EXT. TAG. HAUS DER ARNOLDS
(Die Kamera zeigt die Straße vor dem Haus. Kinder spielen, Erwachsene mähen Rasen...)

Juni in der Vorstadt - unvergleichlich. Rasenmäher mähten Rasen, Kinder waren Kinder...

(Die Kamera schwenkt zu Winnie's Haus. Ein großer Laster steht davor.)

Umzugslaster machten Umzüge.

(Kevin steht am Fenster seines Zimmers und beobachtet den Laster.)

Ich fing langsam an, einen Sommerferien-Komplex zu bekommen.

JACK (wütend): Das ist doch wohl nicht dein Ernst!

KAREN: Und ob das mein Ernst ist! Das hier ziehe ich nunmal an!

JACK: Das?!

KAREN: Nun mach mal 'n Punkt! Ich werde da heute im Kleid hingehen. (kurze Pause) Das ist symbolisch.

JACK: Ich seh mir solange den Keller an!

(Karen und Jack gehen auseinander.)

Na ja - zumindest bei uns zu Hause lief alles normal. Wohingegen der Rest der Nachbarschaft eindeutig den Bach runter ging.

(Kevin sieht, wie Winnie in den Laster klettert.)

WAYNE: Keine Angst, Blödsack. Ich bin sicher, sie schickt dir eine Postkarte.

KEVIN: Ich geh mal spazieren!

EXT. TAG. HAUS DER COOPERS
MRS. COOPER (suchend): Winnie! (ruft lauter) Winnie!

(Kevin findet Winnie, die zusammengekauert in dem Umzugslaster sitzt.)

KEVIN: Hi.

WINNIE (unglücklich): Hi.

Sie sah...klein aus, und verloren. Wie ein kleines Mädchen, das in einem Umzugslaster saß - was sie ja irgendwie auch war.

KEVIN: Kann ich reinkommen, Winnie?

WINNIE: Ja, ich denke schon.

(Kevin klettert hinein. Schweigen.)

WINNIE: Setz dich doch hin.

KEVIN: Äh, ich kann nicht lange. Heute ist Karens Abschlußfeier.

(Winnie nickt. Pause.)

Ich hatte seit zwei Wochen geplant, was ich sagen wollte, über das Leben, über die Liebe...

KEVIN: Was hattest du denn in Englisch? (keine Reaktion) War nur 'ne Frage.

MRS. COOPER (draußen; suchend): Winnie!

WINNIE (seufzt; traurig): Sie packen meine Sachen in Cartons. Die von meinem Bruder auch. Seine werden eingelagert. (Pause) Ich glaube, das ist das beste für Mom und Dad.

KEVIN (überlegt kurz): Ja. Das denk ich auch.

(Pause.)

MRS. COOPER: Winnie! Wo bist du denn?

(Schweigen.)

KEVIN: Du kommst doch bestimmt mal vorbei?

(Winnie steht auf und klettert aus dem Laster.)

Aber irgendwie wußte ich, daß sie das nicht tun würde. Nicht nur wegen der paar Meilen oder der neuen Schule, sonder weil...nichts mehr so sein würde wie früher. Diese Vorgärten, diese Straßen, dieser Ort. Winnie Cooper ging weg - zurück blieb ihr Zuhause, zurück blieb ihre Vergangenheit und...

(Lange Pause. Kevin sieht Winnie's geschlossene Hand. Sie öffnet sie und zeigt ihm den Ring, den er weggeworfen hat. Sie sehen sich schweigend an. Bittersüße Gitarrenmusik beginnt.)

WINNIE: Du...

(Sie sagen nichts, sondern umarmen sich beinahe schmerzerfüllt. Sie sind traurig, wissen aber, daß sie weiterhin zusammen sein werden.)

EXT. TAG. PARK
SPRECHER (spricht in den Lautsprecher): Karen Arnold!

(Fremde Leute klatschen höflich Beifall, als Karen die Stufen zum Podium hinaufsteigt und ihr Diplom entgegennimmt. Auch Kevin klatscht.)

Ich war nicht dabei, als Winnie's Umzugswagen wegfuhr. Ich wollte nicht dabei sein. Ich war bei meiner Familie, die sich auch veränderte.

(Die ganze Familie scharrt sich um Karen, und alle reden auf sie ein und sind stolz auf das Diplom, das sie bekommen hat.)

(Karen hebt die Hand und grüßt die Menge mit dem Peace-Zeichen, während eine amerikanische Flagge hinter ihr weht.)

INT. TAG. RESTAURANT
(Die Gitarrenmusik spielt immernoch weiter, als die Arnold-Familie an einem Tisch nahe dem Fenster sitzt. Wayne, als Kellner, bedient seine Eltern und Geschwister, die sich unterhalten und lachen.)

Ab jetzt würde vieles anders sein. Meine Schwester ging weg auf's College, mein Bruder...war mein Bruder, meine Mom und mein Dad würden dableiben und den Kampf gegen Trockenfäule und Unkraut weiterführen und zusammen älter werden.

JACK: Das war immer so und daran wird sich auch nichts ändern.

EXT. TAG. HAUS DER ARNOLDS
(Kevin schiebt sein Fahrrad die Einfahrt hinab und hält für einen Moment an, als er die Straße erreicht. Die Gitarrenmusik klingt nun etwas fröhlicher, optimistischer.)

Was mich anging - na ja...Ich hatte ab jetzt eine Entfernung zu überbrücken. Fünf Meilen - von New York nach Paris.

(Kevin fährt los - wahrscheinlich zu Winnie's neuem Zuhause.)

Bevor Winnie wegging, hatte die ganze Welt direkt vor meiner Haustür gelegen. Aber nun würde die Welt vielleicht ein bißchen größer werden müssen.

CLOSING TITLES



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09/03/01 16:30