Episode 44 - "Hände weg von meiner Mutter"

Transcript: Daniel Görlich



OPENING TITLES

OPENING SEQUENCE
(Szenen aus verschiedenen Komödien und Shows, alle in Schwarz-Weiß, werden gezeigt. Es sind hauptsächlich komische Szenen mit Wortspielereien oder schnellen Bewegungsabfolgen.)

Jede große Nummer hat ihren fest eingespielten Ablauf, Präzision, Timing. Man braucht Jahre, sie zu perfektionieren. Das erfordert harte Arbeit und viel Übung. Aber wenn man es erstmal draufhat, geht es einem in Fleisch und Blut über - wird Routine.

INT. MORGEN. KÜCHE
(Kevin und Wayne sitzen nebeneinander am Frühstückstisch und prügeln sich. Karen sitzt neben ihnen, während Norma das Frühstück für Jack vorbereitet.)

KEVIN: Blödsack!

WAYNE: Hosenscheißer!

KAREN: Paßt doch auf!

Nehmen Sie meine Familie - bitte!

(Kurzer Trommelwirbel, der die folgende, gut einstudierte allmorgendliche Routine ankündigt.)

(Jack kommt mit der Zeitung in die Küche und geht zu seinem Platz.)

NORMA (freundlich): Morgen!

(Jack brummt nur einmal kurz ohne Norma anzusehen, setzt sich an seinen Platz und faltet die Zeitung auf.)

Apropos Routine: Bei uns war fast alles Routine.

NORMA: Kevin, hast du den Hund...

KEVIN: Mom, machst du das? Ich kann nicht - die Schule fängt gleich an.

KAREN: Mom, hast du schon den Knopf an meiner...

NORMA: Hab ich gestern angenäht.

JACK: Norma, wo ist mein...

NORMA: In deiner Brieftasche.

WAYNE: Hey, wo ist die...

NORMA: Die hab ich hier.

Ja, wir hatten alles: Timing, Präzision und natürlich die Idealbesetzung für den seriösen Part.

NORMA: Jack, die Karten für die Konzertreihe lagen im Briefkasten.

(Jack liest weiter.)

Die gute alte Mom.

NORMA: Schatz!

JACK (blickt auf): Äh...nein, nein. Der Kaffee reicht völlig.

NORMA (lacht leise): Nein, Jack, ich hab von der Konzertreihe geredet.

JACK: Oh.

NORMA: Das erste ist Donnerstag. Da spielen sie Kammermusik. Das macht bestimmt Spaß.

Ja, wenn es darum ging, Pointen vorzubereiten, war auf Norma Arnold Verlaß.

JACK: Donnerstag machen wir unsere Bilanzen, Norma. Das ist ein saublöder Tag. Vielleicht hat eins der Kinder Lust.

(Nochmaliger kurzer Trommelwirbel.)

KAREN: Ich, äh, geh schon weg.

KEVIN: Freitag, schreib ich, äh...'ne Geschichtsarbeit. Da üb' ich Donnerstag.

(Wayne gibt keine Antwort. Statt dessen beißt er nur einmal von einer Art Crisp ab und demonstriert damit deutlich seine eigene Meinung zu dem Vorschlag. Norma, die noch immer in der Küche beschäftigt ist, sieht ihre Familie etwas enttäuscht an.)

Eins mußte man ihr lassen: Mom spielte ihre Rolle perfekt. So wie jeder große Komiker.

INT. VORMITTAG. JUNGENTOILETTE
(Kevin steht neben Paul, der im Spiegel entsetzt seine Frisur begutachtet. Mitten auf dem Kopf, in der Mitte des Scheitels, ragt eine Strähne geradewegs nach oben.)

PAUL: Kev, das ist nicht komisch. Ich kann mich doch nicht so in der Cafeteria sehen lassen.

Was den besagten seriösen Part anging - da hatte ich meine Erfahrungen.

KEVIN: Paul, das ist nur 'ne störrische Strähne! Sieht nicht schlimm aus.

PAUL: Von wegen sieht nicht schlimm aus! Sieht nicht gut aus, stimmt's? Das meinst du in Wirklichkeit.

Wenn Paul's Selbstvergefühl am Boden war - ungefähr sieben Tage in der Woche - war es meine Rolle, ihn wieder aufzubauen.

PAUL: Sieht aus, als ob mir 'n Pfeifenreiniger aus dem Kopf wächst.

KEVIN: Du siehst gut aus.

CRAIG (kommt in den Raum und erblickt Paul): Hey Pfeiffer, du Flasche! Schicke Frisur, ehrlich!

PAUL: Verzieh dich, Hobson!

CRAIG: Ich wär an deiner Stelle ganz vorsichtig, sonst zeig ich dir nämlich nicht den Berlini-Bericht.

KEVIN: Was?

Der Lisa-Berlini-Bericht, die anerkannte Hitliste zur Bewertung der männlichen Abteilung unserer Schule. Es waren Dokumente wie diese, die letztendlich zu tiefsitzenden Neurosen und Psychotherapien führten - nur, daß wir in der achten Klasse noch nichts davon wußten.

CRAIG: Der treibt euch bestimmt die Tränen in die Augen.

(Craig befestigt das Blatt am Spiegel. Kevin, Paul und Doug scharren sich um ihn.)

DOUG: Steht mein Name auch drauf?

KEVIN (entrüstet): Ich hab die hübschesten Augen?! (blickt in den Spiegel) Die hübschesten Augen? Was ist mit dem übrigen Gesicht?

Na ja, es hätte schlimmer kommen können.

PAUL (niedergeschlagen): "Superhirn"!

Ich hätte Paul sein können.

DOUG: Findet hier irgend jemand meinen Namen?

PAUL: Mann, das letzte Mal hatte ich wenigstens die besten Manieren.

KEVIN: Hey, was hast du bloß gegen "Superhirn"?

JUNGE: Ein Glück, daß ich nicht das Superhirn bin!

PAUL: Prima. Erst die Strähne, die aussieht wie 'ne Marsmenschenantenne, und nun das.

Oh oh. Paul steuerte auf einen seelischen Durchhänger der Spitzenklasse zu. Da half nur moralische Unterstützung.

KEVIN: Paul, das fällt überhaupt nicht auf. Ehrlich! Vertrau mir!

PAUL: Meinst du?

KEVIN: Ja.

Moralische Unterstützung - und etwas Glück.

(Paul und Kevin verlassen die Jungentoillette, während die Kamera drinnen bleibt. Als die Tür zuschlägt, hört man von draußen einen Frauenschrei, wie er für die Horrorfilme der 60er Jahre typisch ist.)

INT. NACHMITTAG. KELLER
(Der Schrei leitet zur nächsten (also dieser Szene) über. Im Fernsehen läuft gerade einer der besagten Horrorfilme. Diesmal ist das Monster ein übergroßes Gehirn, das ohne Schädel, dafür aber mit Fühler, Schwanz usw. ausgerüstet ist und eben eine Frau anfällt. Kevin und Paul sitzen eher gelangweilt als angsterfüllt auf der Couch.)

PAUL: Na, das ist doch ein Superhirn. Sieht hübsch aus, nicht?

KEVIN: Paul, das ist 'n dusseliger Film, sonst nichts.

PAUL: Glaub mir, ich wäre lieber der häßlichste als das Superhirn.

(Norma ist unbemerkt in den Keller gekommen und hat den letzen Satz mitgehört.)

NORMA (überrascht): Paul Pfeiffer! Wer sagt denn, du seist häßlich?

KEVIN: Sowas hat niemand gesagt.

PAUL: Nein, aber "Superhirn"! Die Bräute rennen mir sowieso nicht gerade die Bude ein. (nimmt die Brille ab) Diese doofe Brille ist daran schuld.

NORMA: Was redest du für einen Unsinn, Paul?

KEVIN: Nicht so wichtig, Mom.

Wenn ich ihn schon nicht aufmuntern konnte, was sollte Mom dann machen?

NORMA: Paul, ich kenne dich schon sehr lange und ich war immer der Auffassung, durch deine Brille wirkst du...sehr viel...männlicher.

PAUL (erfreut): Männlicher?

(amüsiert) Männlicher?!

NORMA (bestimmt): Auf jeden Fall!

Mom lockte ihn etwas aus der Reserve. Wie auch immer - er ließ sich gern locken.

NORMA: Es ist so: Sehr, sehr viele große Männer sind Brillenträger.

PAUL: Wer denn so?

NORMA: Da wäre...Arthur Miller...

KEVIN: Wer ist Arthur Miller?

(Anmerkung: Arthur Miller war ein amerikanischer Dramatiker, geboren 1915. Er schrieb viele realistische Stücke wie "Der Tod eines Handlungsreisenden" (1949) und "Hexenjagd" (1953) sowie Drehbücher wie "Nicht gesellschaftsfähig" (1961) und Memoiren ("Zeitkurven", 1987).)

PAUL: Halten Sie Arthur Miller für einen attraktiven Mann?

NORMA: Aber sicher! Und wie! Marilyn Monroe hat das übrigens auch gefunden.

PAUL: Ach, so hab ich das bisher noch nie betrachtet! Komisch.

Natürlich hatte er das noch nie so betrachtet. Es war offenkundig lächerlich. Wer auch immer Arthur Miller sein mochte.

NORMA: Denk daran, daß Brillen männlich machen können.

Die gute alte Mom verstand ihr Handwerk. Paul sog die tröstenden Worte auf wie...

NORMA: Hey, wie wär's mit 'nem Kakao?

PAUL: Äh, ich bin gegen löslichen allergisch.

NORMA: Och, dann mach ich eben richtigen. Das muntert Kevin immer auf.

KEVIN: Also Mom, das wird keinen Sinn haben.

PAUL: Das hört sich toll an.

NORMA: Na dann los. Ich glaub, ich könnte auch einen vertragen. Schatz, magst du auch einen?

KEVIN: Nein, nein danke.

PAUL: Also, wer hat noch alles eine Brille getragen?

(Norma und Paul gehen die Treppe hinauf. Kevin bleibt allein vor dem Fernseher sitzen.)

NORMA: Äh, na ja äh...

Sollten sie doch etwas Zeit zusammen verbringen. Es war schließlich nicht mein Bier. Aber letztendlich konnten auch Mom's Kakao und ihr Mitgefühl Paul nicht auf die kalte Realität des echt...

INT. TAG. SCHULKORRIDOR
(Paul und Kevin gehen den Gang entlang. Paul wird von allen schief angeblickt.)

JUNGE #1: Hey, Gehirnathlet! Hast du schon wieder ein paar neue Supertheorien?

MÄDCHEN #1: Wie geht's, Großhirn? (lacht leise)

...echten Lebens vorbereiten. Des Lebens nach dem Berlini-Bericht.

(Die beiden kommen an Randy Mitchell vorbei, der auf sie zugeht.)

RANDY: Sieh's doch mal so, Pfeiffer: Superhirn sein hat auch Vorteile. Denk nur mal an die vielen unverheirateten Bibliothekarinnen!

Okay, das war mein Stichwort. Es war Zeit, Paul zu Hilfe zu kommen.

PAUL: Du brauchst jedenfalls keine Angst zu haben, hier als Superhirn bezeichnet zu werden!

Oder vielleicht auch nicht.

RANDY: Das ist wirklich witzig, Brillenschlange!

PAUL: Hey Kumpel, Arthur Miller ist auch Brillenträger!

RANDY: Wer ist Arthur Miller?

PAUL: Frag doch Marilyn Monroe!

RANDY: Hä?

(Paul und Kevin gehen weiter und lassen Randy einfach stehen.)

Na sieh mal einer an. Wir hatten es wohl mit einem völlig neuen Paul zu tun.

INT. NACHMITTAG. KÜCHE
(Kevin kommt durch den Seiteneingang des Hauses in die Küche. Die Kamera ist so gerichtet, daß man Paul und Norma im Wohnzimmer sehen kann.)

Ja, meinem besten Freund ging es besser.

PAUL (zu Norma): Da hab ich zu ihm gesagt: "Frag doch Marilyn Monroe!"

(Norma lacht herzlich.)

Viel besser!

EXT. TAG. GARAGE
(Kevin und Paul spielen vor der Garage Basketball.)

KEVIN: Tatsächlich redete er in den nächsten Tagen von nichts anderem mehr.

PAUL: Ich hab mir überlegt, ich hol mir ein (wirft) Drahtgestell. (der Ball landet im Korb)

KEVIN (fängt den Ball auf): Ein Drahtgestell? Für dich?

PAUL: Ja, das hebt die positive Komponente hervor. Du weißt, das kann männlich machen! Du bist dran!

"Positive Komponente"? "Brillen können männlich machen"? Spielte ich da überhaupt mit einem Jungen, oder mit einer Schaufensterpuppe?

PAUL: Weißt du, Dad könnte mir vielleicht auch so eine Brille bestellen, wie Donald Perlman hat. Das wäre schick.

KEVIN: Wer ist Donald Perlman?

PAUL: Ben Franklin hatte eine mit eingeschliffenen Gläsern, aber das ist Unsinn.

KEVIN: Paul, wer ist Donald Perlman?

PAUL: Deine Mutter ist doch mit ihm gegangen, in der Highschool. Sie fand ihn unheimlich gutaussehend. In ihrem Jahrbuch ist sein Photo.

In ihrem Jahrbuch?! Wann hatte denn Paul das Jahrbuch meiner Mutter gesehen?

PAUL: Mann, wir haben gestern bestimmt eine ganze Stunde gequascht.

KEVIN: Wo war ich denn da?

PAUL: Sie wollte Sängerin werden. Warum hast du das nie erzählt? Die Geschichte mit dem Vorsingen für die Radiowerbung ist doch irre komisch!

Radiowerbung?! Mir hatte meine Mutter nie etwas über eine Radiowerbung erzählt!

KEVIN: Ja, aber wenn du sie hundert Millionen Mal gehört hast, wird sie reichlich langweilig.

PAUL: Ich fand sie zum totlachen! Und zwar besonders das mit den Schulterpolstern.

KEVIN: Also, ich geh mal rein und hol was zu Trinken. Magst du auch was?

PAUL: Hey, ich geh rein. Ich komm gleich wieder.

Manchmal konnte Paul eine richtige Flasche sein. Ich meine, ich wollte Körbe werfen und dieser Typ redete über die Vergangenheit meiner Mutter! Wen interessierte die schon! Ich hatte wichtigeres im Kopf. Zum Beispiel, wie man mit einem dramatischen Treffer während des Schlußpfiffes Basketball-Nationalmeister wird.

(Kevin wirft und trifft. Das typische Schnarren ertönt und zeigt damit an, daß der Ball wirklich im Korb war.)

KEVIN (V/O, laut wie ein Sportkommentator): Die Menge ist völlig außer sich!

(Kevin steht jubelnd da, während im Hintergrund tausende Menschen brüllen und jubeln - ganz wie einem Spitzenspiel. Doch dann wird es wieder ruhiger.)

Die Menge vielleicht, aber was war mit dem anderen Team? War Paul nicht klar, daß es im Leben wichtigere Dinge gab als...

(Kevin wirft den Ball hinter sich an das Garagentor und geht zum Küchenfenster. Er sieht hindurch und erblickt Paul und Norma, die am Küchentisch sitzen und Kakao trinken. Paul erzählt pausenlos, während Norma sich vor Lachen nicht halten kann.)

...dazusitzen und mit meiner Mutter Kakao zu trinken, während sie so sehr lachte wie schon seit Jahren nicht mehr?

EXT. TAG. SPORTPLATZ
(Einige Jungen, darunter Kevin, Doug Porter und Craig Hobson - Paul fehlt - sitzen auf den Bänken am Rande des Sportfeldes und beobachten Mädchen. Einige von ihnen laufen mit Hockeyschlägern rum, einige machen Gymnastikübungen und die Cheerleader proben für ihren nächsten Auftritt.)

Artikel 5, Absatz 6 im Verhaltenskodex eines Achtklässlers: Wenn einem eine Beliebtheitsumfrage nicht paßt, startet man eben seine eigene. Natürlich nahmen wir das sehr ernst. Wir machten eine Wissenschaft daraus. Es gab Punkte für Intelligenz, politisches Bewußtsein und natürlich...

RANDY: Beste Figur?

ALLE (außer Doug): Eva Jenkins.

DOUG: Ach was! Holly Stern! Die rasiert sich schon die Beine!

CRAIG: Doug, du geiferst!

Natürlich geiferte er! Das tun Pubertierende nun mal.

PAUL (kommt dazu und setzt sich neben Kevin): Hallo!

Na ja, die meisten Pubertierenden.

PAUL: Was läuft denn so?

Aha, hast du entschieden, etwas Zeit mit Gleichaltrigen zu verbringen, ja?

RANDY: Wir machen 'ne Umfrage. Damit schlagen wir Lisa Berlini.

KEVIN: Wie wär's mit dem hübschesten Lächeln?

PAUL: Weißt du, wer wirklich ein hübsches Lächeln hat? Deine Mom!

War er irre?! Wenn die Jungs rausfanden, was er von meiner Mutter hielt...würden sie...

CRAIG: Ja, Arnolds Mom ist gar nicht mal schlecht.

...zustimmen.

DOUG: Und die Beine rasiert sie sich auch.

KEVIN (schockiert): Ihr unterhaltet euch über meine Mutter!

Als ob sie so eine Art...Frau...wäre.

PAUL: Ich finde, in die Spalte "hübschestes Lächeln" schreiben wir Kevins Mutter.

KEVIN: Paul, das ist doch lächerlich! Ich meine, das ist 'ne Schulumfrage!

CRAIG: Wartet mal! Pfeiffer hat tatsächlich mal 'ne anständige Idee!

Oh oh.

CRAIG: Lisa Berlini soll ruhig wissen, daß sie sich im Wettstreit mit richtigen Frauen befindet.

INT. NACHMITTAG. KÜCHE
(Norma zeigt Kevin eine Art Waschlappen (oder sowas ähnliches), der wie ein Kleeblatt (oder sowas ähnliches) aussieht.)

NORMA: Sieh mal! Ich hab was für die Wanne.

Norma Arnold - Innenausstatterin, Mutter, Ehefrau...(hinfällig) Teenager-Idol.

(Das Telefon klingelt. Norma nimmt ab.)

NORMA: Hallo? (erfreut) Oh, hallo Paul!

KEVIN: Sag ihm, daß ich nicht zu Hause bin.

Ich hatte nämlich wirklich die Nase voll von...

NORMA (leise): Es ist für mich, Schätzchen.

Na gut, prima. Eigentlich perfekt, denn wenn Mom erstmal mitkriegte, wie langweilig Paul am Telefon war...

NORMA (lacht): Wirklich?

Ähm, Entschuldigung, Mrs. Arnold, oder haben wir nichts besseres zu tun? Und zwar jetzt?

NORMA (zu Paul): Weißt du, ich muß Schluß machen, Paul. Ja gut, okay. Bis dann. (legt auf) Oje. Was soll ich bloß zum Abendbrot machen! Dein Vater ist sicherlich gleich da!

Jawohl, das war Mom wie ich sie kannte. Die Mom, die Abendbrot machte.

NORMA: Ich geh nämlich doch heute ins Konzert, und zwar mit Paul.

KEVIN: Was?!

NORMA: Ja, deswegen hat er angerufen. Er hat gefragt, ob er mitkommen kann.

KEVIN: Wie kommt Paul darauf, in das Konzert zu gehen?

NORMA: Ich hab ihm erzählt, daß dein Vater es heute nicht schafft. Da ihr anderen alle was vorhabt, wäre es doch schade um die Karte.

KEVIN: Ich sag dir, Mom, Paul wird dir während des gesamten Konzerts die Ohren vollabern. Er hat ja keine Ahnung, was Kammermusik überhaupt ist!

Womit er nicht allein war.

NORMA: Er sagt, er möchte seinen Horizont erweitern. Das ist doch nett!

Nett?! Warum witterte ich nur plötzlich den Pfeiffer im Schafspelz?

NORMA: Ach, ich muß mich wirklich beeilen. Das Konzert fängt um Sieben an.

Komisch. So aufgeregt hatte ich Mom seit Monaten nicht gesehen.

INT. ABEND. WOHNZIMMER
(Kevin sitzt auf der Couch und sieht fern.)

JACK: Norma, kommst du mal 'nen Augenblick?

NORMA (fröhlich): Ich bin noch beim Anziehen, Schatz.

Sie hörte sich geradezu...aufgekratzt an.

(Es klingelt.)

JACK: Ich geh schon.

(Er öffnet. Paul steht im Ausgehanzug vor der Tür und hat einen grünen Pudding mitgebracht.)

PAUL: Oh. Hallo, Mr. Arnold. Hier ist ein Pudding für sie. Den hatte meine Mutter mitgeschickt. Es ist Waldmeisterpudding mit Obstsalat drin. Wir wollten noch Marshmellows reinmachen, aber wir...

JACK (laut): Norma! Paul ist da!

NORMA (aus ihrem Zimmer heraus rufend): Es dauert noch zwei Minuten!

JACK (zu Paul): Es dauert noch zwei Minuten.

(Etwas später. Jack kommt gerade mit einer Pizza aus der Küche und, Paul steht neben Kevin, der immernoch fernsieht.)

JACK: Norma, die Pizza ist ja in der Mitte noch gefroren.

NORMA: Stell sie noch zehn Minuten in den Ofen, bei 230 Grad.

JACK: (brummt nur)

PAUL: Oh, und sprenkelt sie...etwas Wasser auf den Rand! Das hab ich mir ausgedacht. Nur so kann man verhindern, daß der Rand verbrennt bevor die Mitte heiß ist.

Das war's dann. Derselbe Dreizehnjährige, der mit seiner Frau ausging, gab ihm nun auch noch Küchentips?! Das würde Dad sich nicht bieten lassen.

JACK (gereizt): Wieviel Wasser?

PAUL: Oh, nur einige Tröpfchen...

JACK: (brummt)

PAUL: ...Sir.

Also gut. Wenn Dad es schon nicht tat, mußte ich es tun. Es war Zeit, Paul zu erklären, daß meine Mutter genau wie jede beliebige andere Mutter war.

(Norma kommt in ganz in Schwarz gekleidet aus ihrem Zimmer.)

NORMA: So, ich bin fertig.

Nur viel schöner.

NORMA: Hallo Schatz!

PAUL und KEVIN: Hallo! (sehen sich kurz an)

(Kurze Pause.)

PAUL: Oh, der Pudding ist von meiner Mutter. Für Sie.

NORMA: Ach, danke schön. Das ist wirklich nett von ihr.

(Jack kommt noch einmal mit der Pizza aus der Küche.)

JACK: Hey, soll ich hier etwas Folie drauflegen?

NORMA und PAUL (gleichzeitig nach kurzem Überlegen): Die klebt fest.

JACK (brummend): Oh.

NORMA (zu Paul): Also, können wir gehen?

Es war...peinlich! Bekam Dad das nicht mit? Während er am Herd das Hausmütterchen spielte, zog mein bester Freund mit seiner Ehefrau um die Häuser!

(Alle vier stehen an der Haustür; Norma und Paul sind hinausgegangen, während Kevin und Jack drinnen stehen.)

NORMA: Na gut. Dann bis später. Und wenn ihr noch was naschen wollt, dann schlagt zu. (gibt Kevin und Jack den Pudding)

PAUL: Ich freu mich schon riesig, Mrs. Arnold.

NORMA: Ja, es wird sicher nett.

Ja, eins stand fest: An diesem Bild stimmte etwas nicht.

INT. ABEND. WOHNZIMMER
(Kevin setzt sich zu Jack an den Eßtisch im Wohnzimmer. Jack kümmert sich um die Bilanzen, während er ißt.)

Bevor es Neun war, war die Pizza verkohlt, der Pudding weg und der Toaster hatte eine Sicherung durchbrennen lassen. Ohne Moms Unterstützung vegetierten Dad und ich am unteren Ende der Nahrungskette dahin und verständigten uns auf niederster Kommunikationsebene.

(Kevin und Jack essen und schweigen sich an.)

Das war der perfekte Zeitpunkt für historische Nachforschungen.

KEVIN: Dad?

JACK (brummend): Mmh?

KEVIN: Wollte Mom echt mal Sängerin werden?

JACK (überlegt kurz; dann mit vollem Mund): Ja, wollte sie. Allerdings.

Na toll! Ein echter Augenzeuge! Vielleicht war ich einer heißen Story auf der Spur.

KEVIN: Und war sie wirklich...

JACK: Kev, bitte nicht jetzt. Den Kram muß ich morgen fertig haben.

KEVIN (enttäuscht): Klar.

Klar.

INT. ABEND. WOHNZIMMER
(Kevin sitzt allein vor dem Fernseher.)

Mom und Paul gingen mir nicht mehr aus dem Kopf. Warum hatte sie ihm von Donald Perlman erzählt und nicht mir? Ich fühlte mich nicht etwa bedroht, nur...na ja...Konnte es vielleicht sein...ich hatte da so einen Verdacht...

MANN #1 (im TV zu Mann #2): Du bist Mutters Liebling!

(Der Fernseher flimmert kurz und plötzlich sind nicht mehr die beiden Männer von eben auf dem Bildschirm zu sehen, sondern Kevin und Paul in derselben Szene.)

KEVIN (im TV zu Paul): Du bist Mutters Liebling!

(Ganz plötzlich ist wieder das richtige Bild da.)

MANN #2: Würdest du wohl deine Stimme senken?

MANN #1 (mit tiefer, heiserer Stimme): Du bist Mutters Liebling!

(Der Gag wird mit typischem Fernsehgelächter belohnt. Währenddessen sind Norma und Paul zur Tür hereingekommen.)

NORMA: Hallo allerseits! Da sind wir.

(abfällig) Klasse. Die Frau in Schwarz und ihr minderjähriger Schatten.

PAUL (fröhlich; zu Kevin): Hi!

KEVIN (verärgert): Hi!

Es war an der Zeit, diesem Brillenschlangen-Romeo zu zeigen, wo's langgeht.

KEVIN (ärgerlich): War's denn nett?

NORMA (begeistert; zu Jack): Du hast einen tollen Abend verpaßt, Schatz! Du glaubst nicht, wie wir das heute genossen haben.

JACK (brummt leise): Mmh.

NORMA (umarmt ihn; schwärmend): Es war wunderschöne Musik.

Aber mir war wohl inzwischen klar, daß ich nicht auf Paul böse war.

NORMA: Will jemand etwas heißen Kakao?

Sondern auf Mom.

PAUL: Jawohl. Und ob.

INT. ABEND. KÜCHE
(Kevin steht halb hinter dem Türrahmen und blickt in die Küche, wo Norma gerade Kakao kocht. Paul steht hinter ihr, während Jack am Eßtisch im Wohnzimmer hinter Kevin sitzt und immernoch an den Bilanzen arbeitet.)

Ich hätte auch einen Kakao vertragen können, aber ich konnte da nicht reingehen...

PAUL (reicht Norma eine Porzellandose): Hier ist der Zucker.

NORMA: Oh, danke, gut.

...denn es war mittlerweile vollkommen klar, daß bei dem, was zwischen meiner Mutter und Paul ablief, für andere kein Platz war.

NORMA (zu Paul): Lieb von dir, daß du mir hilfst.

PAUL: Ähm, die hier ist für sie. (reicht ihr eine rote Rose)

NORMA (hocherfreut): Och!

PAUL: Ich hab sie aus unserem Garten.

NORMA: Oh, danke schön! Die ist wunderschön, Paul.

(gereizt) Toll! Was kam als nächstes? Ein offizieller Heiratsantrag?

NORMA: Deswegen...verschwende sie bitte nicht an mich.

PAUL: Sie müssen sie behalten - ich bin allergisch dagegen.

NORMA (lacht leise): Ich versprech dir, du wirst noch viele wunderbare Mädchen treffen, die für eine Rose von dir alles tun würden.

PAUL: Das seh ich noch nicht.

NORMA: Ich schon. Du bist ein ganz besonderer Mensch, Paul.

Und ich glaube, als lag daran, wie sie es sagte, daß ich anfing, zu verstehen.

NORMA: Und ich hoffe, du trägst nie Kontaktlinsen, weil du sie einfach nicht brauchst.

Mom brach nicht mir das Herz, sondern Paul - ohne es wirklich zu brechen.

PAUL: Ich geh jetzt lieber nach Hause.

NORMA: Es war ein herrlicher Abend. Danke schön.

PAUL: Für mich auch.

(Paul geht zur Seitentür, die zur Einfahrt hinausführt, und dreht sich noch einmal zu Norma um.)

PAUL: Danke, Mrs. Arnold. (öffnet die Tür und geht)

Und in diesem Augenblick wurden mir eine Menge Dinge klar. Vielleicht war meine Mutter gar nicht mit Paul ins Konzert gegangen, weil sie glaubte, er sei etwas besonderes, sondern weil er glaubte, sie sei etwas besonderes.

(Norma setzt sich mit der Tasse echtem Kakao an den Küchentisch, trinkt aber nicht. Jack steht unbemerkt hinter Kevin auf.)

So besonders, daß er sie mehr fragte als: "Wo ist mein T-Shirt?" und "Was gibt's zum Abendbrot?" oder...

JACK: Wo ist die Fernsehzeitung?

NORMA: Guck mal in Waynes Zimmer hinter seinem Kissen. Oder vielleicht ist sie hinter Karens Plattenspieler.

JACK: Die Zeitung gehört ins...

NORMA: Ich weiß.

JACK: (brummt)

Ich glaube, Dad begriff das auch.

JACK: Also, war's denn schön?

NORMA (brummt zustimmend): Mmh.

JACK: Ach, ähm, sagtest du nicht, es kommt noch eins von diesen Konzerten?

NORMA: Nächsten Monat.

JACK (brummt): Dann, ähm, gehen wir?

NORMA: Okay.

JACK: Okay. (geht)

An dem Abend, an dem Paul Pfeiffer meiner Mutter eine Rose schenkte, schenkte er auch mir etwas. Ich sah sie mit ganz anderen Augen.

(Kevin kommt hinter dem Türrahmen hervor und setzt sich neben Norma an den Küchentisch.)

KEVIN: Paul wird seinen (Kakao) ja wohl nicht mehr trinken. Kann ich welchen haben?

NORMA: Ich hab ihn ja deinetwegen gekocht.

Dank Paul fühlte sich meine Mutter wohl, weil er sie nicht so betrachtete wie wir immer. Wir sahen Mom und er sah Norma Arnold, und ich glaube, das gefiel ihr - zur Abwechslung.

KEVIN: Mom?

NORMA: Mmh?

KEVIN: Hattest du wirklich ein Vorsingen für einen Werbespot?

NORMA (lacht): Es war ein Radio-Werbesport.

KEVIN: Ja?

NORMA: Für Achsenschmiere. (lacht herzlich) Kennst du die Geschichte mit der Schminke?

KEVIN: (brummt verneinend)

NORMA: Meine Freundin Doris und ich waren...

An diesem Abend erzählte mir meine Mutter, daß sie einmal zum Direktor geschickt worden war, weil sie auf der Toilette geraucht hatte, und daß sie fast jemand anders geheiratet hätte, bevor sie meinen Dad kennengelernt hat. Ich erfuhr eine Menge über sie - wer sie war, was sie für Pläne gehabt hatte, wer sie gern sein wollte.

(Szenenwechsel. Die Kamera beobachtet aus dem Wohnzimmer heraus die Familie Arnold bei der allmorgendlichen Routine.)

Und am nächsten Morgen war sie wieder Mom, unsere Stichwortgeberin - nur wußte ich es jetzt besser.

(Die Kamera entfernt sich immer weiter von der Küche, bis leise der Song "Unforgettable" erklingt und einige Photos von Norma gezeigt werden. Ein Photo zeigt sie, als sie mit Karen schwanger war und Jack noch in der Armee war, und ein anderes zeigt sie als Kind. Noch andere Photos werden gezeigt, bis "Unforgettable" zu Ende ist.)

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09/01/01 20:55