Folge 15 - "Der Basketball-Crack"

Transcript: Daniel Görlich



OPENING TITLES

OPENING SEQUENCE


Es ist schwer vollstellbar, zwölf zu sein und ohne bestimmte Dinge auskommen zu müssen, wie zum Beispiel die langen Sommerferien oder ein gutes Fahrrad, auf dem man rumfahren kann. Aber es ist völlig unmöglich, sich vorzustellen wie es ist, wenn man zwölf ist und keinen besten Freund - wie Paul Pfeiffer - hat. Paul war der tollste Junge, den ich je kennengelernt habe. Er hätte alles für mich getan, das weiß ich - und ich hätte alles für ihn getan. Zumindest hatte ich das immer gedacht.

INT. TAG. KEVIN'S ZIMMER
(Kevin liegt auf seinem Bett und hält eine Fankarte von den Red Sox verdeckt, damit Paul, der vor ihm auf dem Bett sitzt, die Statistiken auf der Rückseite nicht lesen kann.)

KEVIN: Wieviele Homeruns hatte "the Yaz" '64?

PAUL [denkt angestrengt nach]: Oh, ähm - 15!

KEVIN: Schlägerspiele insgesamt?

PAUL: Das waren glaub' ich dreihundert...nein, warte: 298!

KEVIN: Welche Hobbies?

PAUL: Kajak und...ähm...Forellenfischen!

Was soll man da noch sagen - Paul liebte es, über Sport zu reden.

EXT. TAG. GARAGE
(Kevin und Paul spielen vor der Garage der Arnolds in der Einfahrt Basketball. Über der Garagentür ist ein Basketballkorb angebracht.)

PAUL: Los, noch ein Angriff, okay?

Paul liebte, Sport zu treiben.

KEVIN: Jetzt bist du geliefert!

PAUL: Nichts kann diesen Jungen aufhalten! Er ist wie eine Kampfmachine. Ich habe seinen...

Aber am meisten liebte Paul es, Sport zu treiben und dabei zu reden.

PAUL: Dribbelt links, sucht eine Schwachstelle in der Abwehr. Er stürmt und wirft. Nein! Der Ball prallt ab und wird von Pfeiffer wieder gefangen! Einfach unfaßbar!

Das Paul so um die zwei Körbe pro Saison warf, war eigentlich eher nebensächlich.

PAUL: Und Pfeiffer arbeitet wohlüberlegt mit dem Ball. Schön! Er ist ein systematischer Spieler.

Der alles entscheidende Treffer stand immer ganz kurz bevor.

PAUL: Die Spannung läßt nicht nach. Wird er wohl eine Lücke finden? Hier kommt der oberspitzenmäßige, alles entscheidende Wurf...

KEVIN [ruft dazwischen]: Nein, Paul, nicht!

(Zu spät. Paul hat weniger wohlüberlegt den Ball über das Dach befördert und irgendwo eine Glasscheibe erwischt.)

INT. TAG. KÜCHE
(Jack sitzt am Küchentisch vor dem Schwarz-Weiß-Fernseher und verfolgt die Nachrichten, in denen Bilder vom Einmarsch der Sowjets in Prag zu sehen sind, die von einem Nachrichtensprecher kommentiert werden. Karen sitzt Jack gegenüber, Norma steht etwas abseits. Kevin und Paul kommen von draußen herein.)

TV: Sowjetische Panzer überrollten gestern abend die tschechoslowakische Hauptstadt Prag, unter dem zweifelhaften Vorwand, die Ordnung in einer offensichtlich v”llig friedlichen Stadt wiederherzustellen.

KEVIN: Mit einer Hand schaffst du's nie.

PAUL: Schaff ich wohl!

JACK: Haltet mal die Luft an! Wir sehen Nachrichten.

TV: ...boten den zahlenmäßig überlegenen sowjetischen Kräften keinerlei Widerstand. Bis zum Einbruch der Dunkelheit war die gesamte Stadt unter sowjetischer Kontrolle. Mehr zu diesem Thema in wenigen Minuten.

[Ein Werbespot beginnt.]

TV: Schaffen Sie ihr tägliches Pensum nicht?

JACK: [zu Karen] So, **** du immernoch für deine Kommunisten?

KAREN: Rein zufällig bin ich Sozialistin.

JACK: Aha, Sozialistin. Verstehe.

NORMA: Schatz, wolltest du zum Essen nicht Eistee?

KAREN: Nur zu deiner Information: Dieselbe Art von Unterdrückung existiert direkt vor unserer Tür.

JACK: Stehen vor unserer Tür irgendwelche Panzer? Ich sehe vor unserer Tür keine Panzer stehen.

NORMA: Äh, möchte vielleicht einer von euch lieber keinen Rosenkohl?

Das war schon irgendwie komisch. Dad war am Streiten, Karen war am Streiten - und Mom bekam das Magengeschwür.

NORMA: Ach Kevin, machst du bitte neue Eiswürfel? Wir haben keine mehr.

JACK: Die Nachrichten laufen, Leute.

[Der Werbeblock ist vorbei und wieder werden Aufnahmen aus Prag gezeigt.]

KAREN: Apropos Unterdrückung.

TV: Kommen wir nun zum Ereignis des Tages: In die Straßen von Prag ist heute die Angst eingekehrt. Sowjetische Truppen patrollieren in der Stadt - mit nur einem Ziel: den Kampfgeist der Leute zu brechen.

INT. TAG. SPORTHALLE
(Die Kamera zeigt Mr. Cutlip, der aufrecht und mit schweren Schritten durch die Sporthalle marschiert. Dadurch und durch die Kameraposition (in rund einem Meter Höhe) wirkt er beinah wie ein Rachegott.)

MR. CUTLIP: Leute!

Wir in der freien Welt mußten uns um militärische Unterdrückung keine Sorgen machen, denn bei uns waren alle Unterdrücker an der Junior Highschool als Sportlehrer beschäftigt.

[Mr. Cutlip bleibt neben einer sauber gewischten, rollbaren Tafel stehen und sieht die Schüler an, die ungeordnet auf dem Boden sitzen.]

MR. CUTLIP: Wenn ihr später an eure Jugend denkt, dann blickt ihr auf den heutigen Tag als den großen Tag zurück, an dem ich aus euch kleinen Jungs junge Männer gemacht habe.

KEVIN [flüstert zu Paul]: Er hat die Bälle dabei. Das heißt Basketball.

PAUL: Ja, spitze. Basketball!

Zu Mr. Cutlip's Leidwesen war unser Kampfgeist nicht völlig gebrochen.

MR. CUTLIP: Gut Jungs, wenn ihr lieber quatschen wollt, dann können wir auch den Rest des Vormittags Runden laufen.

[Es wird ruhig in der Sporthalle. Erst nach einigen Sekunden streckt Mr. Cutlip den linken Arm vor. In der linken Hand hält er etwas, was definitiv ein Basketball ist.]

MR. CUTLIP: Möchte mir jemand sagen, was das hier ist?

[Schweigen, bis sich schließlich doch ein Junge meldet.]

Cutlip's Schoßhund, Joey Harris. Der Junge hatte nicht einen Funken Selbstachtung.

JOEY: Ein Basketball, Sir?

[an seiner Stimme wird deutlich, daß er sich über Mr. Cutlip lustigmachen will. Die anderen Schüler lachen]

MR. CUTLIP: Mehr als ein Basketball, Harris. Viel mehr! Ich halte die ganze Welt in meiner Hand. Mir ist es egal, ob ihr schwarz seid oder weiß, gelb oder rot. Ich möchte nur eins: Ich will einen bestimmten Spieler auf dem Spielfeld sehen. Der Spieler hat auch einen Namen: Charlie Angriff. Kapiert?

Kapiert. Wir waren soweit. Wir hätten kleine Kinder in den Sumpf getrieben, nur um auf's Spielfeld zu dürfen.

MR. CUTLIP: Ich könnte euch noch stundenlang Vorträge halten, doch es gibt nur einen Weg, dieses Spiel zu lernen: Diagramme.

Und wieder einmal hatte sich Mr. Cutlip streng an den heiligen Lehrereid gehalten, sich alle Dinge, die Spaß machen, solange vorzunehmen, bis auch das letzt Stückchen Vergnügen aus ihnen herausgequetscht ist.

[Mr. Cutlip klappt die Tafel um. Bisher ist nur ein Abbild des Spielfeldes zu sehen. Kurze Ausblendung, nach der die Schüler vereinzelt und vollkommen desinteressiert auf dem Boden sitzen. An die Tafel hat Mr. Cutlip eine verwirrende Menge Linien gezeichnet, die wohl das Schema eines wohlüberlegten Angriffs symbolisieren sollen.]

MR. CUTLIP: So. Ich möchten einen giftigen Angriff sehen und eine systematische Verteidigung. Okay? Noch Fragen? [Pause] Gut, okay. Also dann, vier Kapitäne - Nocklim, Simmioni, Rydett und O'Hara. Der Rest stellt sich auf die rote Linie.

Nur für den Fall, daß noch ein winziges bißchen Spaß am Basketball übrig ist...

MR. CUTLIP: Also los. Wählt die Mannschaften.

...wird man nun aufeinander losgelassen.

[Anmerkung: Da ich nur eine Audioaufnahme der Folge hab, aber kein Video, kann es sein, daß ich die einzelnen Kapitäne verwechsle. Außerdem werden beim anschließenden Mannschaftswählen Namen genannt, die nie wieder in der ganzen Serie vorkommen. Sie können also falsch geschrieben sein.]

NOCKLIM: Ich nehm Jenkins.

SENNIONI: Und ich Schneider.

Mannschaften wählen. Eins der gemeinsten und grausamsten Rituale in der Kindheit.

RYDETT: Chiapa.

O'HARA: Ich nehm Vogel.

Jetzt konnt' es ja nicht mehr lange dauern. Ich war wohl gut genug, um bei der zweiten, vielleicht bei der dritten Runde geholt zu werden.

SIMMIONI: Evans.

RYDETT: Loewe.

O'HARA: Platt.

In Ordnung, gleich war es soweit.

NOCKLIM [zögert]: Dann nehm ich Corbald.

Gut, die Richtung stimmt. Hier drüben, Simmioni. Na mach schon!

SIMMIONI: Ich nehm...Arnold.

Das war's!

[Kevin steht auf.]

SIMMIONI: Ach nein, Richie Wilson.

Äh!

[Kevin setzt sich wieder hin.]

Los Rydett, enttäusch mich nicht, Mann! Denk an die Bio-Hausaufgaben!

RYDETT: Also gut, dann Arnold.

Ja, in Ordnung. Gar nicht so übel. Immerhin in der oberen Hälfte. Es gab einen Haufen Versager, die noch schlechter dran waren als der gute alte Kevin Ar...

[Der erzähler stockt, als Kevin Paul sieht, der immernoch an der roten Linie steht.]

Äh, sagte ich gerade "Versager"? Das ist hart.

[Die Kamera bleibt auf die Schüler gerichtet, die noch an der roten Linie stehen. Mehr und mehr von ihnen werden gewählt und verschwinden einfach (das heißt, die Kamera zeigt nicht, wie sie zu ihrer Mannschaft gehen). Am Ende sind nur noch Paul und Joey Harris übrig.]

Oje. Das war nicht gut. Jetzt waren nur noch Paul und Joey Harris übrig. Spät gewählt zu werden war schon furchtbar, aber als letzter...

RYDETT: Also, dann Harris.

KEVIN [flüstert Rydett ins Ohr] Pfeiffer!

RYDETT: Ja, wieso nicht. Ich nehm Pfeiffer.

INT. TAG. SPORTHALLE
(Das Spiel hat angefangen. Die Kamera zeigt Paul, der wild mit den Armen wedelt, um auf sich aufmerksam zu machen, aber doch nie angespielt wird. Und wenn er den Ball einmal hat, wirft er Fehlpässe, wird ausgespielt oder wirft den Ball weit am Korb vorbei.)

Gleich als wir anfingen zu spielen wußte ich: irgendwas stimmt hier nicht. Paul war wie ein Besessener. Unglücklicherweise war er nicht gerade in Besitz eines übermäßigen sportlichen Talents.

INT. TAG. UMKLEIDERAUM
(Paul sitzt auf einer Bank. Kevin kommt dazu.)

KEVIN: Na Paul? Ist doch besser als Querfeldeinlaufen, nicht?

PAUL: Die haben mich gar nicht angespielt.

KEVIN: Vielleicht hast du nicht freigestanden.

PAUL: Von wegen nicht freigestanden. Ich bin ja nicht mal gedeckt worden. So schlecht bin ich doch auch nicht, oder?

Autsch. Die Frage, vor der man sich am meisten fürchtet.

KEVIN: Nein...so schlecht...bist du wirklich nicht.

PAUL: Du hältst mich für 'ne Niete, nicht? Ist doch so, oder?

KEVIN: Paul, das hat doch keiner gesagt. Ich finde dich, ähm...gut.

PAUL: Nein, tust du nicht.

KEVIN: Das tu ich doch.

PAUL: Klar!

KEVIN: Hey Paul, ich sage dir du bist gut! Wie oft möchtest du es denn noch von mir hören? Du bist gut, du bist gut, du bist gut!

PAUL [schreit]: Ach vergiß es, okay? [geht]

INT. TAG. SPORTHALLE
(Einmal mehr werden die Mannschaften gewählt. Nur noch Paul und Joey Harris stehen an der roten Linie.)

Die nächsten paar Wochen wurden für Paul nicht gerade besser.

KAPITÄN: Nehme hundertprozentig Harris.

Im Gegenteil. Man konnte sagen, sofern es überhaupt noch irgendwie ging, wurde es sogar noch schlimmer.

INT. TAG. KEVIN'S ZIMMER
(Paul und Kevin sitzen auf Kevin's Bett und spielen Karten.)

KEVIN und PAUL [gleichzeitig]: Eins, zwei, drei - Stich!

KEVIN: Oh Mann, zwei passende Asse.

PAUL: Ja, Kevin, das seh ich alleine.

Es dauerte nicht lange und die Situation in der Schule griff auf unser Privatleben über.

KEVIN und PAUL [gleichzeitig]: Eins, zwei, drei - Stich!

[Kevin hat die höhere Karte. Paul seufzt kurz.]

KEVIN: Ja!

Wenn ich so zurückdenke, hätte ich eigentlich mehr tun können um sein Selbstwertgefühl aufzubessern.

PAUL [sauer]: Herzlichen Glückwunsch, das war's.

KEVIN: Und - was machen wir jetzt? Ein paar Körbe werfen, vielleicht?

PAUL: Nein, dazu hab ich keine Lust.

KEVIN: Wieso denn nicht?

PAUL: Dazu hab ich keine Lust!

KEVIN: Auch nicht, wenn du einen Vorsprung kriegst?

PAUL: Auf Almosen kann ich verzichten.

KEVIN: Ach hab dich nicht so - wir haben zwei Wochen nicht gespielt.

PAUL: Ich sagte, ich habe keine Lust! Und verbieg mir nicht meine Karten.

KEVIN: Paul...

PAUL [inzwischen wirklich wütend]: Verbieg mir nicht meine Karten!

Wie soll man einem Freund helfen ohne sein Ego zu verletzen? Man muß sich so viele Sachen verkneifen.

KEVIN: Hör mal, nur weil du im Sport nichts drauf hast müssen wir doch nicht aufhören zu spielen.

Das zum Beispiel.

[Paul ist beleidigt und steht auf.]

KEVIN: Paul, wo willst du hin?

PAUL: Nach Hause!

KEVIN: Ich dachte, du mußt nicht nach...

[Paul knallt die Tür zu.]

INT. TAG. MR. CUTLIP'S BÜRO
(Mr. Cutlip sitzt in seinem Sessel hinter dem Schreibtisch. Kevin steht davor.)

MR. CUTLIP: Was gibt's, mein Sohn?

[selbstsicher] Sag's ihm geradeheraus! Pack den Stier bei den Hörnern!

KEVIN [nicht ganz so selbstsicher]: Ich bin wegen des Sportunterrichts hier.

MR. CUTLIP: "Leibeserziehung" heißt das.

KEVIN: Oh, ja richtig. Leibeserziehung. Ich meine...sie sind wirklich ein ganz toller Lehrer, ehrlich, aber naja...Es geht um Basketball, wissen Sie. Ich ähm...ich meine...das ist wirklich klasse. Ihre Diagramme sind wirklich klasse und ich streng mich auch wirklich an...

MR. CUTLIP: Das ist das allerwichtigste. Niemals zufrieden sein. Ein Bonbon?

[hält Kevin ein Bonbonglas vor die Nase.]

KEVIN: Aber...wie wir die Mannschaften wählen, Sir...

MR. CUTLIP: Was ist damit?

KEVIN: Ähm, naja...

Los, spuck's schon aus! Deshalb bist du doch hier. Sag es einfach, ohne Umschweife, offen und ehrlich.

KEVIN: Ich finde es nicht fair, Sir.

MR. CUTLIP: Was?

KEVIN [zögert kurz]: Ich finde es nicht fair.

MR. CUTLIP: Fair.

[Mr. Cutlip hebt langsam den Kopf und sieht an die Decke. Er scheint intensiv nachzudenken.]

Es war erstaunlich, Mr. Cutlip's Reaktion auf dieses Wort zu beobachten. Es war, als ob diese einfache Äußerung längst vergessene Gefühle in ihm freisprengen würde.

[Mr. Cutlip niest einmal kurz und wendet sich dann wieder Kevin zu.]

Andererseits - vielleicht auch nicht.

MR. CUTLIP [fühlt sich angegriffen, steht auf und beugt sich zu Kevin vor]: Versteh ich das richtig - du sitzt also da und erzählst mir, was ich mache ist unfair?!

KEVIN: Nein, ähm, ich meine...

MR. CUTLIP: Das Leben ist auch nicht fair, Arnold. Die Welt ist nicht fair.

Vorsicht, jetzt wird er gefährlich.

MR. CUTLIP: Ich habe eine Stahlplatte im Kopf, Arnold. Findest du das fair?

KEVIN: Nein, ähm, find ich nicht.

MR. CUTLIP: Ich habe schon unterrichtet, da warst du noch nicht stubenrein. Aber wenn dir das nicht gefällt, dann mach ich dir einen Vorschlag: Ich werde ein paar Sachen ändern und, Mister, ich hoffe, es gefällt dir.

INT. TAG. SPORTHALLE
(Die nächste Sportstunde. Die Schüler sitzen auf dem Boden, während Mr. Cutlip mit der Schülerliste in der Hand vor ihnen steht und ab und zu einen vernichtenden Blick auf Kevin wirft.)

Oh Gott, das war er. Der böse Blick. Kennen Sie diesen Blick? Er sagte einem klar und deutlich, daß man bei dem Lehrer auf der Abschußliste stand. Da waren Worte völlig überflüssig.

MR. CUTLIP: Vor kurzem ist mir zu Ohren gekommen, daß es gewisse...Ungerechtigkeiten...in meinem Unterricht geben soll. Also dachte ich, heute sind wir mal...fair...und werden ein paar Veränderungen vornehmen, Leute. Es gibt vier neue Kapitäne: Stetson, Patkis, Grimly und... [sieht demonstrativ auf die Schülerliste]: Arnold. So, Kapitäne, dann legt mal los.

Eins mußte man dem Kerl ja lassen: Er hatte das Talent, Situationen abzupassen, die sowieso schon den absoluten Nullpunkt erreicht hatten, um sie noch schlimmer zu machen. Er hatte mich als Kapitän ausgesucht. Die perfekte Folter.

STETSON: Äh, ich nehm Rydett.

PATKIS: Und ich Simmioni.

GRIMLY: Dann nehm ich Nocklim.

Es war ja schon schlimm genug, zuzusehen wie die anderen Paul als letzten stehenließen. Und jetzt blieb mir auch nichts anderes übrig.

KEVIN [zögernd]: Ich, „hm...wähl...[bestimmt]: Pfeiffer!

Wie ein Blitz hatte es mich durchfahren. Ich mußte das System knacken, mich für die Hilflosen stark machen, den besten Freund, den ich je hatte, zurückgewinnen.

[Alle lachen. Mr. Cutlip blickt nur etwas überrascht und geringschätzend auf.]

Oder besser gesagt...

PAUL [beleidigt]: Danke Kevin, wirklich vielen Dank.

...den besten Freund, den ich je hatte, total lächerlich machen.

MR. CUTLIP [pfeift in seine Trillerpfeife, damit wieder Ruhe einkehrt]: So, Stetson. Los, weiter! Wir haben nicht ewig Zeit.

STETSON [amüsiert]: Äh, ich hätte gern Jenkins.

PATKIS: Ähm...ich nehm Schneider.

GRIMLY: Chiapa.

[Kevin zögert.]

MR. CUTLIP: Mach schon, Arnold. Keine Zeit verlieren.

Plötzlich sah ich das, was ich tun mußte, immer deutlicher vor mir.

KEVIN: Ich hätt' gern...Harris.

[Ein zweiter Blick von Mr. Cutlip, noch geringschätzender als der erste. Die Klasse lacht leise, und es sind vereinzelte Kommentare zu hören, die nicht gerade positiv für Kevin ausfallen.]

Und so holte ich mir nach und nach die größten Nieten der ganzen Klasse. Klar war es verrückt, aber manchmal weiß ein Mann einfach, was er zu tun hat. Und das war einer von diesen Augenblicken. Als ich dann fertig war, sah ich sie mir an. Ich sah mir meine Mannschaft an und dachte...

[Kevin lächelt, dreht sich zu seiner Mannschaft um und weicht ernüchtert zurück.]

Oh Gott! Was hast du da nur gemacht?

KEVIN [völlig ernüchtert]: Versucht...nur auf den Korb zu zielen...

INT. TAG. SPORTHALLE
(Das Spiel hat begonnen und Kevin's Mannschaft wird in Grund und Boden gespielt. Ihre Spieltaktik und ihr spielerisches Können sind einfach grauenvoll und erbärmlich. Kevin beginnt allmählich zu verzweifeln.)

KEVIN [laut; zu Mr. Cutlip] Auszeit, bitte. [macht das passende Handzeichen dazu]

[Kevin's Mannschaft scharrt sich um ihren Anführer.]

KEVIN: Was macht ihr Jungs eigentlich? Ihr kriegt ja noch nicht mal 'ne richtige Verteidigung hin. Harald, rück deinem Mann ruhig richtig auf die Pelle. Und Alan, wenn du innen an ihnen vorbeikommst, dann geh ran! "Abspielen" heißt das Zauberwort. Das läuft nur durch Teamwork.

Es war so, als ob man Meerschweinchen zur Welt kommen sieht. Nicht so beeindruckend wie man gehofft hat, aber zumindest zappelten sie.

KEVIN: Okay, kommt mal her.

[Kevin und die anderen hocken sich auf den Boden.]

Vielleicht...ja, vielleicht hatten wir eine Chance. Sicher, wir waren kräftemäßig unterlegen, aber wir hatten Grips. Wenn wir als Team zusammenarbeiten würden, und zwar mit Köpfchen, mit Herz und Seele, dann könnten wir diese Typen einsacken.

KEVIN: Versuchen wir's!

[Weitere Bilder von einer Spielweise, die weit unter Amateurniveau liegt...]

Dummerweise waren wir nicht nur ausgesprochen unsportlich. Wir waren auch noch ausgesprochen blöd. Und wir hatten eine miserable Kampfmoral.

[Später...Kevin's Truppe steht wieder gemeinsam am Spielfeldrand.]

KEVIN [wütend]: Paul, was soll das?

PAUL [gereizt]: Ich spiel Basketball. Schon mal was davon gehört?

KEVIN: Streng dich wenigstens an!

PAUL: Ach was, laß mich in Ruhe.

KEVIN: Oh nein, tu ich nicht. Dein Spiel war ja wohl das letzte.

PAUL: Und wenn schon.

KEVIN: Paul, ich weiß genau, so schlecht bist du nicht.

PAUL: Und wenn ich es doch bin?

KEVIN: Wenn du mal etwas aus der Hüfte kommen würdest, würdest du vielleicht auch besser spielen.

[Die anderen Mannschaftsmitglieder kichern.]

PAUL: Gib mir den Ball.

KEVIN: Nein, wozu denn? Wenn du dich nicht anstrengst...

PAUL [aggressiv]: Ich sagte, gib mir den Ball!

[Kevin gibt Paul den Ball.]

[Das Spiel geht weiter.]

SCHÜLER #1: Los, laß ihn nicht vorbei.

SCHÜLER #2: Paß auf!

Und dann passierte es. Es war ein Wunder; das Unmögliche wurde wahr. Ein Traum erfüllte sich.

[Mr. Cutlip bekommt Paul's spielerisches Können am eigenen Leib zu spüren: Der Ball knallt mit voller Wucht auf seinen Kopf hinab. Es wird plötzlich ruhig in der Sporthalle. Mr. Cutlip schwankt kurz, hustet, spuckt seinen Bonbon aus und hält sich den Bauch. Nach einigen Sekunden wankt er zur nächten Tür und schließt sie langsam hinter sich. Die Schüler brechen in schallendes Gelächter aus.]

Mit diesem Moment, diesem kurzen Plop von Gummi gegen Stahl, fing Basketball wieder an, Spaß zu machen.

[Die Schüler spielen weiter. Kevin's Mannschaft spielt zwar immernoch grauenhaft schlecht, aber alle haben ihren Spaß.]

Sie haben uns trotzdem in Grund und Boden gespielt, aber zum ersten Mal seit langer Zeit machte uns das nicht das geringste aus.

EXT. TAG. GARAGE
(Kevin und Paul spielen wieder vor der Garage Basketball.)

Und zwischen Paul und mir wurde es wieder wie es immer gewesen war.

PAUL [kommentiert das Spiel]: Er spielt sich frei und wirft. Es ist ein wahres Vergnügen, ihm zuzusehen. Er spielt ganze gegnerische Mannschaften aus und schafft es immer, zum Korb zu kommen. Pfeiffer ist ein Phänomen.

EXT. ABEND. SPORTPLATZ
(Zwei beinahe erwachsene Jungen spielen Basketball auf einem Sportplatz.)

Und so würde es auch bleiben. Für viele, viele Jahre.



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07/18/01 12:25